Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Holländerberg

Wohldorf-Ohlstedt (1942): Hier „befanden sich die Wohnungen der Holländer, die als Melker auf dem Gut Wohldorf arbeiteten. Der Name hat seinen Ursprung in der Verpachtung der Milchwirtschaft an die Holländer, die vor 200 Jahren als Spezialisten auf diesem Gebiet galten.“ 1)


Siehe auch: Melkerstieg

Diese Verkehrsfläche wurde in der Zeit des Nationalsozialismus benannt.

Joachim Memmert aus Kiel beschreibt die Tätigkeit der „Berufsholländer“, die als Melker in Schleswig-Holstein tätig waren.
„Aus ihrer Heimat im Zuge der Gegenreformation unter den Spaniern (Herzog Alba) vertrieben oder geflüchtet, wandten sie sich in die deutschen Länder, wo sie aufgrund ihrer handwerklichen, wasserbaulichen und viehwirtschaftlichen Kenntnisse gesuchte Partner waren. Sie sollen in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts ins Land gekommen sein. In den Elbmarschen, in Dithmarschen und vor allem in Eiderstedt sollen sie die Kühe größerer Bauernstellen gepachtet und die Milch weiterverarbeitet haben. Erst nach 1600 breiteten sich ihre Nachkommen nach Osten aus. Dort erschienen die ersten auf den Gutshöfen, (…). Durch ihre Tätigkeit, ihre Sprache, Sitten und Gebräuche sowie ihr Bekenntnis als Reformierte und Calvinisten bildeten sie eine zunächst eng versippte Gemeinschaft. Allmählich wurde ihre Herkunftsbezeichnung zu ihrem Berufsnamen: Sie hießen allgemein Holländer.

Unter ihrem Einfluß ging die Ochsenmast zurück und stieg die Kuhhaltung an. Dieser Übergang hatte mehrere Konsequenzen: Die Tiere mußten über Winter untergebracht und gefüttert werden, was dem Gutsherrn oblag. (…) Die Holländer wurden zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor auf den Gütern, denn sie trugen bis zu 40 % der Einnahmen bei.

In der Regel lief der Pachtvertrag ein Jahr, von Maitag bis Maitag (1. Mai). Er konnte von beiden Seiten gekündigt, konnte aber auch (und das mitunter viele Jahre) verlängert werden.

Manche Meierhöfe wurden im Ganzen verpachtet, wobei die Dauer zwischen sieben und zehn Jahren lag. Dann hieß der Pächter in der Regel Pensionär, weil er dem Gutsherrn eine feste Pachtsumme zahlte. Der Pächter war dann Acker- und Viehpächter in einer Person. Er konnte die Milchwirtschaft selbst führen oder an einen Holländer unter(after)verpachten.

Der Pachtvertrag regelte Rechte und Pflichten der Partner. Der Gutsherr stellte das Wohn- und Arbeitsgebäude, die Herde, die jährlich wechselnden Weideflächen im Zuge einer Siebenfelderwirtschaft sowie Brenn- und Nutzholz. Der Holländer wirtschaftete auf eigene Rechnung, d.h. er verkaufte seine Erzeugnisse und zahlte davon die Pacht, die pro Kopf der Herde festgelegt war. (…).

Der Holländer brachte seine Geräte, die fast alle aus Holz waren, mit. Für die Ergänzung des Bestandes an Eimern, Sieben, Bütten, Baljen, Tonnen u.v.a. sorgte er selbst oder ein Böttcher. Der Holländer stellte auch sein Personal (Mädchen, junge Frauen und Knechte) ein, das meist aus den umliegenden Gutsdörfern kam.

Der angehende Holländer erwarb seine Kenntnisse zunächst im elterlichen, später dann in einem oder mehreren fremden Betrieben. Um die Mitte des 18. Jhdts. konnten die meisten Holländersöhne lesen und schreiben. Viele arbeiteten zeitweise als Schreiber auf Gutshöfen. Während dieser Zeiten sparten sie an einem Grundstock für die erste eigene Pachtung. Holländertöchter dienten als Melkmädchen, erlernten die Hauswirtschaft und standen –wenn möglich- als Meierin dem Innenbetrieb vor. Auch sie legten Teile ihres Lohnes auf die hohe Kante. Mit 25 Jahren wurde der junge Mann geschäftsfähig, hatte oder suchte sich eine Braut und sah sich nach einer eigenen Stelle um. Diese war gewöhnlich eher bescheiden, aber doch mit mindestens 50 Milchkühen so groß, daß das Paar davon leben und expandieren konnte. (…).

Der Holländer war für den Außenbetrieb zuständig, seine Frau für alles, was im und um das Haus geschah. Er verhandelte mit dem Verpächter, dem Verwalter, dem Butter- und Käsehändler, dem Fuhrmann usw., er beaufsichtigte das Melken und den Transport der Milch, er betreute die Herde, wobei er vom Holländerknecht und ggfs. Hirten unterstützt wurde. Die Holländerin stand dem Innenbetrieb vor, führte den Milch-, Butter- und Käsekeller, rahmte die Sahne ab und beaufsichtigte das Buttern, das Käsen, die Küche und das Reinigen der Gerätschaften. Nicht zuletzt war sie Ehefrau und Mutter, was sie bei einer Geburtenfolge von etwa 2 bis 3 Jahren allein schon ausfüllen konnte.

Im Sommer und Herbst, wenn der Milchertrag am höchsten war, wurden alle Hände gebraucht.
Zum Melken ging es früh um 4 Uhr heraus, damit die Milch noch vor der Tageswärme in den kühlen Milchkeller kam. Am Nachmittag wurde ein zweites Mal gemolken, dann hieß es, alle Vorbereitungen für den nächsten Tag zu treffen. Danach brauchte jedermann Ruhe, denn die Tiere gaben alltags und sonntags den Rhythmus vor. Erst nach dem Aufstallen der Kühe kehrte mehr Ruhe ein.

Die erheblichen Anstrengungen, die eine Holländerei erforderte, zahlten sich in vielen Fällen aus. Sofern nicht kriegerische Handlungen, Dürren oder Überschwemmungen, Tierseuchen eintraten oder Krankheiten und Tod die Familie heimsuchten, hatten die Holländer ein gutes Auskommen. (…).

Der Höhepunkt der wirtschaftlichen Entwicklung der Holländereien lag um die Mitte des 18. Jhdts. Danach ging ihre Bedeutung zurück, weil aufgeklärte Grundbesitzer begannen, ihre Höfe aufzusiedeln und an die Hufner und ihre nachgeborenen Söhne zu vererbpachten. Auch führten Konflikte zwischen Holländern und Ackerpächtern dazu, die Führung von Meierhöfen wieder in einer Person zu vereinigen. So wurde die Zahl der Holländerbetriebe langsam weniger. Die unruhigen napoleonischen Zeiten mit Kontinentalsperre und Truppendurchzügen führten zu manchem Konkurs von Gutsbesitzern, aber auch von Holländern. Schließlich wurde die Leibeigenschaft aufgehoben, und ab der Mitte des 19. Jhdts. schlossen sich Bauern zu Meiereigenossenschaften zusammen, um mit höherem Kapitaleinsatz die schwere körperliche Arbeit zu ersetzen. (…).“ 2)