Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Schipperort

Wilhelmsburg (1949): nach dem Ort der Binnenschiffer (niederdeutsch: Schipper).


Bereits in der NS-Zeit sollte im Zuge des Groß-Hamburg Gesetzes diese Verkehrsfläche Schipperort benannt werden. Der alte Name war Emilienstraße. Zur Umbenennung in Schipperort kam es dann 1949. (Staatsarchiv Hamburg: 133-1II, 38: Die neu vorgeschlagenen Straßennamen nach Stadtteilen geordnet, 1938).

Siehe auch: Schipperstegel

Die Erklärung des Straßennamens Schippersort als volkstümliche, niederdeutsche Bezeichnung für den Schipper (Binnenschipper) gibt Horst Beckershaus in seinem Buch „Die Hamburger Straßennamen, 2011, S. 324). Da die Verkehrsfläche sich in Wilhelmsburg befindet, liegt dies nahe, denn dort liegen viele Binnenschiffe im dortigen Hafen.

Doch Siegfried G. Schoppe meint, dies würde nicht stimmen und erklärt den Begriff aus etymologischer Sicht: „“KS*sc (i) F = Sumpf; hat mit Binnenschiffen nichts zu tun“. (Siegfried G. Schoppe: Hamburger Straßen-, Brücken- und Flurnamen – grundlegend neu erklärt. Hamburg 2022, S. 392.

Auf der Veddel, in Wilhelmsburg und auch an anderen Stellen in Hamburg, gibt es die Möglichkeit für Binnenschiffe anzulegen.
Die Veddel wurde zu einem Zentrum für die Binnenschifferei. Dort wohnten viele Binnenschifferfamilien, wenn sie denn mal in Hamburg waren.
Auf der Veddel lag von 1952 bis 2006 auch die Flussschifferkirche, ein zur Kirche umfunktionierter Frachtkahn.

Im Folgenden soll der Blick auf die Binnenschifferinnen gelegt werden.

Schon früh ist die Mitarbeit der Frauen an Bord nachgewiesen: in den Niederlanden und in Flandern schon seit dem 16. Jahrhundert. Von dort aus verbreitete sich diese Form der Frauenarbeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch auf die Binnenschifffahrt in Deutschland.

Doch weshalb arbeiteten die Frauen an Bord? Die Binnenschiffe des 19. Jahrhunderts waren größer gebaut als die in früheren Zeiten und benötigten mehr Arbeitskräfte. Nur mit der unentgeltlichen Arbeitskraft der Ehefrauen konnten die Partikulierer den immer stärker werdenden Konkurrenzkampf bestehen.

Neben ihren typisch „weiblichen Pflichten“ übernahmen die Frauen die Arbeiten eines Matrosen, wie z. B. Decksarbeit. Die Frau war beim An- und Ablegen dabei, bediente den Anker und das Segel, half beim Laden und Löschen, übernahm das Ruder.

Durch den Konkurrenzkampf in der Binnenschifferei fiel für die Frauen an Bord mehr Arbeit an. Die sonst viel beschworene schwache Konstitution der Frauen zählte nicht mehr, da die wirtschaftliche Situation zum Zupacken zwang.

Hausfrauenarbeit und Schiffmannswerk, diese Doppelbelastung wurde für die Frau selbstverständlich. Aber nicht so selbstverständlich war eine gleichzeitige Erhöhung ihres Ansehens und damit auch ihres Selbstwertgefühls.

Die Mitarbeit der Ehefrau wurde zwar als selbstverständlich und normal angesehen, schließlich ging es ja nicht ohne ihre Arbeitskraft, doch schloss das nicht automatisch eine Gleichberechtigung mit ein, denn der Herr an Bord war immer noch der Mann.

Wie das Leben an Bord um die Zeit des Ersten Weltkriegs konkret ausgesehen hat, vermitteln uns die Erinnerungen der Binnenschifferin Edith Kaspereit. Ihre Mutter, Ella, heiratete 1910 den Binnenschiffer Johann Kaspereit. Für das junge Paar finanzierte Ellas Mutter einen Frachtkahn von über 400 BRT. Mit diesem Kahn sicherte sich Ellas Mutter, eine Bäuerin, ihren Altersruhesitz. Sie vertauschte ihren Hof mit den schwankenden Planken eines Binnenschiffes. Es war nichts Ungewöhnliches, dass mehrere Generationen auf einem Binnenschiff lebten. Die Großmütter oder Großväter wurden gern als Arbeitskräfte zum Beispiel zur Kinderbetreuung eingesetzt. Edith Kaspereit schreibt über die harte Eingewöhnungszeit ihrer Mutter Ella an Bord: „Viele Schifferfrauen hatten Schwierigkeiten das Leben an Bord zu erlernen. Ella Kaspereit war vollkommen unerfahren in allen Schifffahrtsangelegenheiten. Sie konnte weder rudern noch schwimmen. Sie hatte Angst, über schmale Laufstege an Land zu gehen. Ihr Mann musste ihr schon hilfreich die Hand reichen, damit sie über die Laufplanke ging.“

Über diese Fürsorge lächelten die anderen Schiffer. Für sie verwöhnte Johann Kaspereit seine junge Frau Ella. Sie waren der Meinung, „sie könnte doch als junge Frau am Steuer stehen und es nach Anweisung hin- und herdrehen, wenn beim Durchfahren eines Kanals der Mann und der Matrose vorn standen, um den Kahn durch rasches Anheben und Fallenlassen des Ankers in die gewünschte Richtung zu bringen. Doch für Mutter waren das geheimnisvolle Dinge, von denen sie keine Ahnung hatte und Vater lief von vorn nach hinten und umgekehrt, damit seine Frau nicht am Steuer zu stehen brauchte. In die Ängste einer jungen Landratte wollten sich die alten erfahrenen Schiffer nicht hineinversetzen.

Johann und Ella Kaspereit bekamen in den Jahren 1911 bis 1913 zwei Kinder. 1914 wurde Johann Kaspereit zum Militär eingezogen. „Mutter war nun mit ihrer Mutter und uns Kindern allein auf dem Kahn. Sie rief sofort nach ihrem Schwiegervater, der auch gleich kam und die Betreuung des Frachtkahns vorläufig übernahm. Sie fuhren aber keine Frachtfahrten mehr. Mutter bekam vom Staat Unterstützung und lebte nun von dieser kleinen Rente. Im Februar 1916 wurde ihr drittes Kind geboren.

Im Krieg verkauften viele Schifferfrauen ihre Frachtkähne. Aber Mutter wollte es nicht. Sie sagte: Wenn mein Mann nach Hause kommt, muss er seinem Beruf nachgehen können. 1918 wurde Johann Kaspereit vom Militär entlassen.“

Oft wurden die Kinder an Bord geboren. Das vierte Kind der Kaspereits kam an der Waggonfabrik in Danzig mit Hilfe einer Hebamme auf dem Kahn zur Welt.

Das Kinderaufziehen an Bord brachte viele Gefahren mit sich. Die größte Angst war immer, dass die Kinder ins Wasser fallen könnten. Folglich musste frau ständig ein Auge auf die Kinder werfen. „Solange unser Kahn offen war, haben wir Kinder uns bei schönem Wetter im Laderaum aufgehalten. Eine Tür führte aus der Küche in den Laderaum.“

Die Arbeit einer Hausfrau und eines Matrosen musste frau unter einen Hut bringen. Das erforderte eine exakte Planung. Hinzu kamen die beengten Wohn- und Arbeitsverhältnisse an Bord. Wo sollte die Wäsche aufgehängt, wo das Bettzeug gelüftet werden? Ständig musste aufgeräumt werden; nichts durfte herumliegen. Dazu war kein Platz. Die engen Wohnräume lagen im hinteren Teil des Schiffes. In der kleinen Küche befanden sich ein Küchenschrank, ein Tisch, zwei Stühle, eine eingebaute Bank, ein Herd, ein Ausguss und eine Pumpe. Damals wurde das Flusswasser noch zum Kochen und Trinken verwendet.

In der Stube standen ein Vertiko, ein Kleiderschrank, ein Tisch, zwei Stühle und eine Liege. Außerdem gab es einen eingebauten Schrank, in dem die Arbeitskleider untergebracht waren. Die Wände waren weiß gelackt und der Fußboden war mit Flickenteppichen ausgelegt, die jeden Tag ausgeschüttelt werden mussten, denn Staubsauger waren noch unbekannt.

Es gab nur ein Schlafzimmer, in dem die Eltern mit den Kindern schliefen. Dort standen ein Ehebett und zwei Etagenbetten. Als die Kinder groß wurden, schlief der Vater auf der Liege in der Stube und der Bruder mit dem Matrosen in einer Kajüte, die sich im vorderen Teil des Schiffes befand.

Einkaufen war für die Binnenschifferinnen problematisch und oft mit Gefahren verbunden. Nach einem zu lange ausgedehnten Landgang hatte nicht nur ein Seemann zu befürchten, dass sein Schiff schon abgelegt hatte; auch nach Einkäufen an Land konnte der Binnenschifferin so etwas passieren; wie Z. B. nach Hamstertouren in den Nachkriegsjahren. Bis zur Berlin-Blockade am 24. Juni 1948 spielten die Hamburger Binnenschiffe eine wichtige Rolle bei der Lebensmittelversorgung von Berlin. Außer Kohlen, Eisen und Kupfer wurden Getreide, Mehl, Mais, Zucker, Heringe und Dosenmilch transportiert. Die Fahrt mit dem Schiff von Hamburg nach Berlin dauerte 3 ½ Tage. Wenn die Frauen nicht beim Entladen gebraucht wurden, gingen sie Lebensmittel hamstern und organisieren. Oft lag die Anlegestelle in Berlin fernab von Geschäften in Industriegebieten, so dass die Frauen einen sehr langen und beschwerlichen Weg zurückzulegen hatten. Und so konnte es passieren, wenn die Frauen schwer beladen mit Einkäufen zurück zum Schiff kamen, dieses nicht mehr da war, denn die Anlegezeit kostete Geld, so dass Warten teuer war. Heute „fahren“ Autos mit an Bord.