Werner-Siemens-Straße
Billbrook (1924): Werner von Siemens (13.12.1816 Lenthe – 6.12.1892 Berlin), Gründer der Firma Siemens & Halske, Erfinder, Industrieller.
Siehe auch: Helmholtzstraße
Werner Siemens war der Sohn von Eleonore Henriette Siemens, geborene Deichmann und des Gutspächters Christian Ferdinand Siemens. Er hatte noch 13 Geschwister.
Die angespannte wirtschaftliche Situation der Familie machte es notwendig, dass Werner Siemens in jungen Jahren von der Großmutter und dem Vater unterrichtet wurde, dann: „besuchte [er] ein Jahr lang von 1828 bis 1829 die Bürgerschule in Schönberg und bekam drei Jahre Unterricht von einem Hauslehrer. Schließlich besuchte er für drei Jahre von 1832 bis 1834 das Katharineum zu Lübeck. Dort war er besonders in Mathematik herausragend (…). Er verließ das Gymnasium 1834 aber vorzeitig ohne formalen Abschluss.“ 1)
Weil die wirtschaftliche Lage der Familie weiterhin instabil war, war an ein Universitätsstudium nicht zu denken. Deshalb: „bewarb sich [Werner Siemens] bei der preuß. Armee, um über den Militärdienst Zugang zu einer ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung zu erlangen. Nach der Aufnahme in das Magdeburger Artilleriekorps wurde er 1835 an die Berliner Artillerie- und Ingenieurschule abkommandiert, wo er eine dreijährige Ausbildung absolvierte. Nach dem Tod der Eltern [die Mutter starb 1839, der Vater 1840, R. B.] übernahm S. die Erziehung und Ausbildung seiner minderjährigen Geschwister. Er setzte sich intensiv mit technischen Fragen auseinander und erhielt 1842 sein erstes preuß. Patent für ein Verfahren zur galvanoplastischen Vergoldung, das er mit Hilfe seines Bruders William 1843 in England erfolgreich vermarktete.“ 2)
Weiter heißt es in der Neuen Deutschen Biografie über Siemens weitere berufliche Laufbahn: „Überzeugt vom technischen und wirtschaftlichen Potential der elektrischen Telegraphie konzentrierte sich S. auf die Verbesserung des Wheatstoneschen Zeigertelegraphen. 1847 konstruierte er ein allen bisher gebräuchlichen Apparaten überlegenes Modell. Mit dieser Erfindung war der Grundstein für die ‚Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske‘ (S & H) gelegt, die S. im Okt. 1847 mit dem Universitätsmechaniker Johann Georg Halske (1814–90) in Berlin gründete. Dieser brachte seine praktische Erfahrung in der Leitung und Organisation eines Handwerksbetriebs, S. seine Patente (Verfahren, Gold behufs d. Vergoldung auf nassem Weg vermittelst d. galvan. Stromes aufzulösen, preuß. Patent 1842; Eine neue Art elektr. Telegraphen u. damit verbundene Vorrichtung z. Drucken d. Depeschen, preuß. Patent 1847) in die Firma ein. Das Startkapital stammte von Werners Vetter, dem Justizrat Johann Georg Siemens (1805–79). In kurzer Zeit entwickelte sich S & H von einer kleinen feinmechanischen Werkstätte für Eisenbahn-Läutewerke, Wassermesser, Guttapercha-Drahtisolierungen und v. a. für Telegraphen zu einem international führenden Elektrounternehmen. Den ersten, mit hohem Prestigewert verbundenen staatlichen Großauftrag erhielt S & H 1848 für den Bau einer Telegraphenlinie zwischen Berlin und Frankfurt/Main. Da die Zusammenarbeit mit der preuß. Telegraphenverwaltung 1851 endete, geriet das junge Unternehmen in eine Krise, die es durch die konsequente Erschließung ausländischer Märkte überwand. S & H erhielt 1851 den Auftrag zur Errichtung des russ. Telegraphennetzes, das unter der Leitung von S.s jüngerem Bruder Carl von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer gebaut wurde. Daneben entwickelte sich das Engagement in England zur zweiten wichtigen Stütze. Hier gelang S.s Bruder William mit der Herstellung und Verlegung telegraphischer Seekabel der Durchbruch.“ 3)
Inzwischen hatte Werner Siemens geheiratet. 1852, im Alter von 36 Jahren und wirtschaftlich in der Lage dazu, was ihm wichtig war, hatte er seine Nichte Mathilde Drumann (1824-1865) geehelicht. Mit ihr bekam er fünf Kinder, ein Kind starb früh. Über seine Ehe schreibt Siemens in seinen Lebenserinnerungen: „leider dauerte dieser Sonnenschein in meinem Leben nicht lange. Schon nach ihrem zweiten Wochenbette fing Mathilde an zu kränkeln. Es entwickelten sich in ihr die Keime der schrecklichen Krankheit [Lungenkrankheit], an der ihre Schwester gestorben war, und die sie wahrscheinlich während der langen, aufopfernden Krankenpflege in sich aufgenommen hatte. Ein Aufenthalt von anderthalb Jahren in Reichenhall, Meran und anderen Bädern schien sie zwar wiederhergestellt zu haben, doch war das nicht von Dauer. Nach dreizehnjähriger Ehe, in der sie mir zwei Söhne und zwei Töchter geschenkt hat, starb sie nach langen und schweren Leiden.“ 4)
In Siemens Lebenserinnerungen, die er im hohen Alter verfasste, widmete er auch seiner zweiten Ehefrau und den Kindern nur wenige Zeilen. In lebhafter Erinnerung blieben ihm mehr die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, seine Erfindungen und die beruflichen Reisen in ferne Länder, wo er geschäftlich Fuß fasste. Eine Reise führte ihn nach Kedabeg im Kaukasus, um dort eine Kupfermine zu erwerben. Über die dortigen Wohnverhältnisse der Arbeiter, die in unterirdischen Wohnungen lebten, schreibt er: „Man rühmt die Kühle der unterirdischen Behausungen im Sommer und ihre Wärme im Winter (…)“ 5), und fährt in kolonialer und patriarchaler Sichtweise fort, indem er lobt: „(…) es hat der Hüttendirektion zu Kedabeg viel Mühe gekostet, die asiatischen Arbeiter an Steinhäuser zu gewöhnen. Als dies schließlich mit Hilfe der Frauen gelang, war damit denn auch die schwierige Arbeiterfrage gelöst. Da nämlich die Leute dort nur sehr geringe Lebensbedürfnisse haben, so liegt kein Grund für sie vor, viel zu arbeiten. Haben sie sich so viel Geld verdient, um ihren Lebensunterhalt für etliche Wochen gesichert zu haben, so hören sie auf zu arbeiten und ruhen. Es gab dagegen nur das eine Mittel, den Leuten Bedürfnisse anzugewöhnen, deren Befriedigung bloß durch dauernde Arbeitsleistung zu ermöglichen war. Die Handhabe dazu bildete der dem weiblichen Geschlechte angeborene Sinn für angenehmes Familienleben und seine leicht zu erweckende Eitelkeit und Putzsucht. Als einige einfache Arbeiterhäuser gebaut und es gelungen war, einige Arbeiterpaare darin einzuquartieren, fanden die Frauen bald Gefallen an der größeren Bequemlichkeit und Annehmlichkeit der Wohnungen. Auch den Männern behagte es, daß sie nicht mehr fortwährend Vorkehrungen für die Regensicherheit ihrer Dächer zu treffen brauchten. Es wurde nun weiter dafür gesorgt, daß die Frauen sich allerlei kleine Einrichtungen beschaffen konnten, die das Leben im Hause gemütlicher und sie selbst für ihre Männer anziehender machten. Sie hatten bald Geschmack an Teppichen und Spiegeln gefunden, verbesserten ihre Toilette, kurz sie bekamen Bedürfnisse, für deren Befriedigung nun die Männer sorgen mußten, die sich selbst ganz wohl dabei befanden. Das erregte den Neid der noch in ihren Höhlen wohnenden Frauen, und es dauerte gar nicht lange, so trat ein allgemeiner Zudrang zu den Arbeiterwohnungen ein, der allerdings dazu nötigte, für alle ständigen Arbeiter Häuser zu bauen. Ich kann nur dringend raten, bei unseren jetzigen kolonialen Bestrebungen in gleicher Richtung vorzugehen. Der bedürfnislose Mensch ist jeder Kulturentwicklung feindlich. Erst wenn Bedürfnisse in ihm erweckt sind und er an Arbeit für ihre Befriedigung gewöhnt ist, bildet er ein dankbares Objekt für soziale und religiöse Kulturbestrebungen. Mit letzteren zu beginnen wird immer nur Scheinresultate geben. Als ich drei Jahre später Kedabeg wieder besuchte, fand ich aus der Troglodytenniederlassung bereits eine ganz ansehnliche Ortschaft europäischen Aussehens entstanden.“ 6)
Seine zweite Ehe ging Werner Siemens 1869, drei Jahre nach dem Tod seiner ersten Ehefrau, ein. Er war damals 53 Jahre alt, sie 29 Jahre alt und eine entfernte Nichte von ihm. Sie hieß Antonie Siemens (1840–1900) aus Hohenheim bei Stuttgart. Die Hochzeit mit seiner zweiten Frau war Siemens in seinen Lebenserinnerungen einige Zeilen wert.
Über seine Kinder schreibt er im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland und Frankreich um Jahr 1870. „Im 30. Juni 1870, als die telegraphische Nachricht in Charlottenburg eintraf, Kaiser Napoleon habe die deutsche Grenze bei Saarbrücken überschritten und der folgenschwere Krieg zwischen Deutschland und Frankreich sei damit eröffnet, schenkte meine Frau mir ein Töchterchen, dem zwei Jahre später noch ein Sohn folgte. Der Tochter gab ich den Namen Hertha infolge eines Gelübdes, sie so zu nennen, wenn das deutsche Kriegsschiff dieses Namens, auf das die französische Flotte in allen Meeren Jagd machte, sich nicht fangen lassen würde. Meine vier älteren Kinder waren zur Zeit der Kriegserklärung Frankreichs im Bade Helgoland und mußten mit der ganzen Badegesellschaft eiligst flüchten, um nicht durch die Blockade an der Rückkehr gehindert zu werden. Als ein Beweis der tiefen, mutigen Bewegung, die das ganze deutsche Volk ergriffen hatte, kann eine Depesche meines ältesten, damals sechzehn Jahre alten Sohnes Arnold aus Cuxhaven gelten, des Inhaltes ‚ich muß mit‘. Das ging zum Glück nicht, da vor vollendetem siebzehnten Jahre niemand ins preußische Heer aufgenommen wird.“ 7)
Über Werner Siemens weitere Forschungen und seinen wirtschaftlichen Erfolg heißt es in der Neuen Deutschen Biographie: „„Parallel zur unternehmerischen Tätigkeit widmete sich S. intensiv physikalischer Forschung. 1866 entdeckte er aufbauend auf den Arbeiten Michael Faradays (1791–1867) das dynamoelektrische Prinzip und schuf so die entscheidende Voraussetzung zur Ausnutzung der Elektrizität für Antriebs- und Beleuchtungszwecke. Von den Arbeiten Sören Hjorths (1801–70), der 1854 ein dän. Patent auf eine Dynamomaschine erhalten hatte, wußte S. vermutlich nichts. S. erkannte, daß die Dynamomaschine zur Elektrifizierung u. a. des Transport- und des Beleuchtungswesens führen würde. Die Starkstromtechnik entwickelte sich rasch und S. erschloß neue Anwendungsgebiete, so eine elektrische Eisenbahn (Berliner Gewerbeausstellung, 1879), eine Straßenbeleuchtung mit Bogenlampen (Berliner Ks.gal., 1879), einen Fahrstuhl (Mannheim, 1880), eine Straßenbahn (Berlin-Lichterfelde, 1881) oder einen Oberleitungsomnibus (Berlin, 1882). Der Name ‚Siemens‘ entwickelte sich zu einem zentralen Markennamen für die ‚Elektrotechnik‘, ein Begriff, der 1879 von S. geprägt wurde.“ 8)
Siemens innerlicher Antrieb, ein Weltunternehmen zu gründen, fasste er selbst einmal wie folgt zusammen: „So habe ich für die Gründung eines Weltgeschäftes à la Fugger von Jugend an geschwärmt, welches nicht nur mir, sondern auch meinen Nachkommen Macht und Ansehen in der Welt gäbe und die Mittel, auch meine Geschwister und nähere Angehörige in höhere Lebensregionen zu erheben […] Ich sehe im Geschäft erst in zweiter Linie ein Geldeswert-Objekt, es ist für mich mehr ein Reich, welches ich gegründet habe, und welches ich meinen Nachkommen ungeschmälert überlassen möchte, um in ihm weiter zu schaffen.“ Sein unternehmerisches Handeln gründete sich also in der von ihm „empfundene[n] Verpflichtung, für seine nächsten Angehörigen – zunächst für seine Geschwister und später für seine Kinder – sorgen zu müssen. Aus diesem Selbstverständnis werden sein stark familien- und personenbezogener Unternehmensstil sowie sein Bemühen, die Familienmitglieder in ein gemeinsames Unternehmen einzubinden, verständlich.“9) Auch wenn es manchmal unter den Geschwistern zu Spannungen kam.
Wilfried Feldenkirchen schreibt in seiner Einleitung zu den Lebenserinnerungen von Werner von Siemens über dessen Führungsstil: „Der Führungsstil von Werner von Siemens ist in der Literatur gelegentlich als ‚liberaler Patriarchalismus‘ bezeichnet worden; treffender wäre der Ausdruck ‚fürsorgerischer Patriarchalismus‘ – denn seine fürsorgerische Grundhaltung verband sich mit unternehmenspolitischen Erwägungen. Die hierarchische Firmenstruktur durfte nicht angetastet werden, und unbedingte Loyalität sowie strikte Einhaltung des Arbeitsfriedens bildeten die Voraussetzungen für ein – wie Werner von Siemens es formulierte – freudiges, selbsttätiges Zusammenwirken aller Mitarbeiter zur Förderung ihrer Interessen. Seine unternehmerische Haltung war von der Überzeugung geprägt, daß die sozialen Probleme auf der Basis von Zugeständnissen gelöst werden müßten, da alle in einem Unternehmen tätigen Personen voneinander lebten. Die Interessen der Mitarbeiter mit den Zielen des Unternehmens zu verbinden – das war die Maxime, der Werner von Siemens auch bei seinen zahlreichen sozialpolitischen Initiativen folgte. 10)
Seinen leitenden Mitarbeitern gab Siemens erfolgsabhängige Tantiemen, die anderen Mitarbeitenden erhielten Prämien, also Erfolgsbeteiligungen. „1872 gründete Siemens die Pensions-, Witwen- und Waisenkasse, Eine weitere sozialpolitische Maßnahme war die 1873 erfolgte Einführung einer täglichen Arbeitszeit von neun Stunden, was bei der damaligen Sechstagewoche einer Wochenarbeitszeit von 54 Stunden entsprach. Üblich waren zu der Zeit noch 72 Wochenstunden.“ 11)
Auch politisch vertrat Siemens eine bestimmte Meinung und Haltung. Er unterstützte die bürgerliche Revolution von 1848, war Mitglied des liberalen Deutschen Nationalvereins und 1861 Mitbegründer der deutschen Fortschrittspartei (DFP), wurde 1863 in das Preußische Abgeordnetenhaus gewählt, dem er bis 1866 angehörte.
Siemens übergab im Alter seinen Betrieb an seine Söhne. Seine drei Töchter Anna, Hertha und Käthe Siemens heirateten und engagierten sich auf dem Gebiet der Wohltätigkeit.
Anna Eleonore Sophie Zanders, geb. Siemens (19.12.1858 Berlin – 27.7.1939 Bergisch Gladbach) war Werner Siemens Tochter aus erster Ehe. Ihre Mutter starb, als sie sechs Jahre alt war.
Über ihre Kindheit heißt es auf der Website der Werner Siemens Stiftung: „Werner Siemens und seine erste Frau Mathilde leben Familien- und Gemeinsinn aufs Vorbildlichste vor. Sie sind äusserst gastfreundlich und beherbergen auf dem Charlottenburger Anwesen mit Parkanlage teils wochenlang die Familien ihrer Geschwister und Freunde. So haben sowohl Anna als auch später Hertha von klein auf regen Kontakt mit ihren Tanten, Onkeln, Cousinen und Cousins. ‚Die Kinderchen gedeihen so recht», schildert Werner 1861 seiner Schwägerin in London. «Namentlich Willi und Anna blühen wie die jungen Rosen (…). Die ganze Vetternschaft war fast den ganzen Tag zusammen und bildete eine recht muntere, flüchtige, kleine Truppe‘.
Während Werners langen Geschäftsreisen kümmert sich Mutter Mathilde um Anna und ihre Geschwister. Regelmässig schickt sie ihrem Mann Briefe und Fotografien der ‚Herzblättchen, unsere(r) Schätze‘“.12)
Anna Siemens hatte 1887 den Papierfabrikanten Richard Zanders geheiratet „und brachte eine stattliche Mitgift mit in die Ehe. Hiervon kaufte das Ehepaar Zanders u. a. das Anwesen von Schloss Lerbach und ließ dort bis 1898 (…) ein Herrenhaus im englischen Landhausstil erbauen. Ihre Ehe mit Richard Zanders blieb kinderlos.“ 13)
In Wikipedia heißt es weiter: „Zusammen mit ihrem Mann begann sie 1897 mit dem Bau der Gartensiedlung Gronauerwald.“ 14) in Bergisch Gladbach, die für die Angestellten und Arbeiter der Zanderschen Papierfabrik gebaut wurde. Bis 1937 wurden 520 Einfamilienhäuser errichtet, in denen sowohl die Arbeiter- als auch die Direktorenfamilien sich niederlassen konnten.
„1901 stiftete sie ebenfalls mit ihrem Mann den Hildebrandt-Brunnen, der ursprünglich auf dem Marktplatz stand (…). Nach dem Tod von Richard Zanders im Jahr 1906 sorgte sie dafür, dass ein Wassernetz in die Gartensiedlung Gronauerwald gelegt wurde. Als deutlich wurde, dass die den Käufern auferlegten Bau- und Nutzungsbeschränkungen keine Sicherheit gegen spekulativen Weiterverkauf der Häuser boten, veranlasste Anna Zanders 1913 die Umwandlung des Unternehmens nach den Grundsätzen der Deutschen Gartenstadtgesellschaft in die Gemeinnützige Gartensiedlungsgesellschaft Gronauer Wald mbH. Diese Neuorganisation sollte eine allmähliche Verteuerung der Grundstücks- und Gebäudepreise verhindern. Beim 50-jährigen Stadtjubiläum im Jahr 1906 schenkte sie der Stadt Bergisch Gladbach den Marmorbrunnen im Flur des Rathauses sowie die Fenster des Sitzungssaales und die Einrichtung des Bürgermeisterzimmers. Gemeinsam mit ihrem Schwager Hans Zanders schenkte sie der Stadt die auf ihre Kosten errichtete und am 3. August 1914 eröffnete Badeanstalt (Hallenbad).“ 15)
Auch ihre jüngere Schwester Käthe Siemens, (23.9.1861 Berlin – 16.6.1949 Potsdam) betätigte sich als Stifterin. 1884 hatte die damals 23-Jährige den damals 38jährigen Pastor Karl Pietschker (1846-1906) geheiratet, der Pastor der Gemeinde Bornstedt war. Auch sie brachte eine große Mitgift mit in die Ehe. Außerdem schenkte ihr Vater ihr eine Villa auf dem Potsdamer Mühlenberg, wohin das Ehepaar Pietschker zog. Sicherlich konnte es sich auch Hauspersonal leisten, denn Käthe Pietschker, die Mutter von sechs Kindern wurde, gestaltete ihr Leben, „wie sie es als ‚höhere Tochter‘“ gewohnt war. Ihr Jour fixe, ihre Lesungen, Vorträge und Hauskonzerte waren bei vielen Potsdamern beliebt“. 16)
Käthe Pietschker wurde 1906 im Alter von 45 Jahren Witwe. Drei Jahre später ließ sie „für ihren ältesten Sohn (…) die Villa Peitschker in der damaligen Kapellenbergstraße 12 (heute Puschkinallee 12 in Potsdam) errichten. Dort zogen 1912 ihre Tochter Charlotte (1885–1970) und ihr Schwiegersohn Ludwig von Winterfeld, später Vorstandsmitglied bei Siemens-Schuckert und Siemens & Halske, ein.“ 17)
Wie auch ihre ältere Schwester und viele aus solchen Gesellschaftskreisen kommenden Frauen engagierte sich Käthe Pietschker auf sozialem Gebiet, so im Kaiser-Friedrich Kinderheim, indem sie dort ab 1888 als Vorstandsmitglied wirkte und von 1910 bis 1936 erste Vorsitzende der Stiftung war. „Für die Gemeinde Bornstedt gründete sie 1907 eine Volksbücherei.
Nachdem am 15. November 1911 ihr ältester Sohn Werner Alfred tödlich mit einem selbst entwickelten Flugzeug verunglückt war, stiftete sie der Stadt Potsdam das Werner-Alfred-Bad. Das ‚Reinigungs- und Volksbad‘“ wurde am 14. Dezember 1913 eröffnet. Ihren Sohn hatte es sehr empört, dass die Stadt keine anständige Badeanstalt hatte.“ 18)
Nachdem dann auch noch ihr jüngster Sohn Arnold als Soldat 1914 im Ersten Weltkrieg getötet worden war, „richtete sie ein Genesungsheim für siebzig Kriegsverletzte ein. Während das Haus der ‚Loge Teutonia‘ ihr zur Verfügung gestellt wurde, übernahm sie Ausstattung, wirtschaftliche Leitung und die Pflege der Soldaten.“ 19)
Der Landesfrauenrat Brandenburg hat Käthe Pietschker in sein Projekt „FrauenOrte Brandenburg“ aufgenommen und eine Gedenktafel für sie in Potsdam aufgestellt. Unter „FrauenOrte Brandenburg“ ist über Käthe Pietschker zu lesen: „Vernetzt, aktiv, engagiert. Der Terminkalender der großbürgerlichen Ehefrau und Mutter war gut gefüllt. Sie engagierte sich ehrenamtlich, gründete eine Bücherei, stiftete ein Schwimmbad und organisierte kulturelle Veranstaltungen im eigenen Haus. (…)
Als Pfarrersfrau kümmerte sich Käthe Pietschker um die standesgemäße Führung des Haushalts und um soziale Belange. In der Villa Siemens in der heutigen Gregor-Mendel-Straße 21/22 in Potsdam organsierte sie Lesungen, Vorträge und Hauskonzerte. Sie gründete eine Bücherei für die Gemeinde und unterstützte über viele Jahre hinweg das Kaiser-Friedrich-Kinderheim in Bornstedt – eine Krippe mit Kindergarten für Kinder arbeitender Mütter. Hier war sie ehrenamtlich im Vorstand tätig und engagierte sich auch finanziell.“20)
Käthe Pietschkers soziales Engagement nach dem Tode ihrer beiden Söhne bezeichnen die „FrauenOrte Brandenburg“ als „Engagement als Trauerbewältigung“ 21)
Hertha Siemens (1870 – 1939). Sie war die Halbschwester von Anna und Käthe Siemens: „und erlebt eine weitaus harmonischere Kindheit. Sie lernt neben ihrem Geburtsort Berlin Charlottenburg auch das schwäbische Hohenheim, die Heimat ihrer Mutter, kennen. In den Sommerferien bei ihren Grosseltern auf Schloss Hohenheim begegnet sie Hochschuldirektoren, Agrarwissenschaftlern, Botanikern, Chemieprofessoren und dem späteren Nobelpreisträger Wilhelm Conrad Röntgen – sowie deren Kindern. Da Werner Siemens in Charlottenburg ebenfalls einen Freundeskreis aus Wissenschaftlern pflegt, bekommt die heranwachsende Hertha so manches aus der Welt der Forschung mit. Sie interessiert sich für Physik, Mathematik und für das Malen.“ 22)
Damals waren die älteren Kinder schon aus dem Haus, Werner Siemens als Unternehmer etabliert und auch schon in einen älteren Alter, als seine Tochter Hertha im Teenageralter war. So hatte er die Zeit, sich seiner Tochter oft zu widmen. Gemeinsam experimentierten sie im Privatlaboratorium in der Charlottenburger Villa und betrieben astronomische Studien. 23) Auch nahm Werner Siemens seine Tochter und seine zweite Ehefrau 1890 mit auf eine Reise in den Kaukasus, wo er mit seinem Bruder ein Kupferbergwerk besaß.. „‚Papa hat ja immer die Idee, als könnte man ein junges Mädchen auf solche Reisen nicht mitnehmen. Ich warte in Geduld, was über mich verhängt wird‘ , lässt Hertha Anna wissen. Die Geduld lohnt sich. Die abenteuerliche Reise der Kleinfamilie wird zu einem unvergesslichen Erlebnis. ‚Wenn's eine Seelenwanderung giebt, so bin ich gewiss einmal so etwas Halb oder Ganzwildes gewesen das zu Pferd durchs Leben gesaust ist; wenn es so recht toll hergeht dann fühle ich mich stets heimatlich wohl und berührt‘6 schreibt Hertha aus Baku.“ 24)
Da Frauen damals weder ein Universitätsstudium noch eine Kunstakademie besuchen durften, war Hertha auf die Unterstützung ihres Vaters angewiesen. Sie bekam wegen ihrer naturwissenschaftlichen Begabung eine Ausnahmegenehmigung für ein Studium bei dem Berliner Chemiker Emil Fischer. Dabei lernte sie auch dessen Assistenten Carl Dietrich Harries kennen, den sie 1899 heiratete. Zuerst zog das Paar nach Kiel, dann nach Berlin, 1900 bekam Hertha ein Kind, das jedoch noch am Tag der Geburt starb. Weitere Kinder wurden nicht geboren.
Auch Hertha Harries engagierte sich auf sozialem Gebiet. Sie sorgte für den Bau von „Kinderheimen, Fürsorgestiftungen und Erholungsstätten und nahm sich vor allem der Förderung und Ausbildung mittelloser Jugendlicher an. 1909 gründete sie die Hertha-von-Siemens-Stiftung, die Firmenangehörigen den Aufenthalt in einer Erholungsstätte gegen ein geringes Entgelt ermöglichen sollte. Zu diesem Zweck stiftete sie das Ferienhaus ihres Vaters, (…) in Bad Harzburg, das 1910 mit einem Neubau als erstes Erholungsheim der Firma Siemens eröffnet wurde. 1916 war sie Mitbegründerin der ‘Vereinigung für Wohlfahrtsbestrebungen‘ die sich unter anderem mit der Verwaltung der Siemens-Heime sowie mit der Sozialberatung von Arbeiterinnen befasste.“ 25)
„Ihren Kunstverstand nutzt sie, um Werke noch nicht arrivierter Künstlerinnen und Künstler zu kaufen, 1905 zum Beispiel 'Herbststimmung' des Malers Vincent van Gogh, dessen Kunst damals stark umstritten ist.
Der Erste Weltkrieg führt in Deutschland zu einer Hyperinflation, von der auch die Siemens-Nachkommen betroffen sind. Im Dezember 1918 übernimmt Hertha die delikate Aufgabe, ihrer Schwester Anna die schwierige wirtschaftliche Lage der Siemens-Werke und der Familienfinanzen vor Augen zu führen.
Die Erfahrung von Inflation und Währungsreform, aber auch die Enteignung und Vertreibung der Cousinen Charlotte und Marie aus dem kommunistischen Russland veranlassen Hertha und Anna, sich Gedanken über die Absicherung ihres Vermögens zu machen. Gemeinsam – beide sind mittlerweile Witwen – beschliessen sie 1926, ihre ‚Siemens & Halske‘-Aktien an die Mira Treuhandgesellschaft AG in Schaffhausen in der Schweiz zu verkaufen. Den Kaufpreis lassen sie sich in Jahresraten auszahlen, das Restguthaben verzinst die Mira. So kommen Anna und Hertha zu einem verlässlichen Einkommen.
Fünf Jahre später, 1931, überführen sie ihr Vermögen bei der Mira in Höhe von gut 1,4 Millionen Schweizer Franken in die von ihren Cousinen Marie und Charlotte 1923 gegründete Werner-Stiftung, die zugleich die Pflichten der Mira übernimmt. Die beiden halten ausserdem testamentarisch fest, dass ihr weiteres Vermögen nach ihrem Tod ebenfalls der Werner-Stiftung zukommt, um es auf diese Weise langfristig für die Nachkommen von Werner und Carl von Siemens zu sichern. In dieser Zeit beschliessen die Geschwister auch die Umbenennung der Werner-Stiftung in Werner Siemens-Stiftung.“ 26)