Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Wölberstieg

Hamburg-Altstadt (1991): Hans-Otto Wölber (22.12.1913 Hamburg -10.8.1989 Hamburg), Hauptpastor von St. Nikolai, Bischof der Hamburgischen Landeskirche, Bischof für den Sprengel Hamburg.


„Hans-Otto Wölber wurde als Sohn eines Schiffsingenieurs geboren und wuchs in der Hansestadt Hamburg auf. 1933 machte er an der Oberrealschule Uhlenhorst das Abitur und studierte bis 1938 Theologie in Bethel, Erlangen und Berlin. [In Bethel war er im Wintersemester 1935/36 Führer der Studentenschaft]. Im Jahre 1940 promovierte er zum Lic. theol. in Hamburg.“ 1)

Ein Jahr später heiratete Wölber 1941 Elisabeth Hark (13.11.1913 – 10.5.2000). Das Paar bekam drei Kinder.

Während des Zweiten Welkriegs war Wölber von 1940 und 1945 als Soldat in der Wehrmacht, kam kurzzeitig in Italien in Kriegsgefangenschaft.

Während des Krieges wurde Wölber am 3. Mai 1942 in St. Jacobi ordiniert, war dann Hilfsprediger in Hamburg, erhielt am 1. April 1943 den Titel „Pastor“. Am 1. November 1945 Berufung und am 2. Dezember 1945 Einführung zum Jugendpastor in Hamburg. Zehn Jahre später: 27.April 1956 Wahl, 24. Mai 1956 Berufung und am 27 Mai 1956 Einführung als Hauptpastor in Hamburg (St. Nicolai). Drei Jahre später wurde Wölber zum 1. November 1959 Senior (Vertreter des Bischofs) in Hamburg. Fünf Jahre später dann: 27. Februar 1964/5. April 1964 Einführung als Bischof in Hamburg. Ein Jahr später erhielt er die Ehrenpromotion (Dr. theol. H.c., Erlangen). Wieder fünf Jahre später wurde Wölber im Mai 1969 zum Leitenden Bischof der Vereinigten Evangelisch-lutherischen Kirche Deutschland (VELKD) ernannt und hatte dieses Amt bis 1975 inne. 2) 1977 wurde Wölber als Bischof für den Sprengel Hamburg bestätigt. Zwischen 1967 und 1970 „gehörte er dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an, von 1969 bis 1975 war er Leitender Bischof der VELKD [vereinigten Evangelische-lutherischen Kirche in Deutschland] und Vorsitzender der lutherischen Bischofskonferenz; am 1. Mai 1983 wurde er als Hamburger Bischof emeritiert.“ 3)

Zu seinem Tode schrieb das Wochenmagazin „Der Spiegel“ am 14.8.1989: „1964 noch als Vertreter einer reformfreudigen jungen Generation zum Bischof gewählt, geriet der konservative Theologe bald selbst in Konflikt mit der kritischen Jugend. Linke Pastoren, die im Talar vor Kernkraftwerken demonstrierten, warnte Wölber vor der ‚Politisierung der Kirche‘ und empfahl ihnen, ‚sich mehr um die Seelsorge ihrer Gemeinden‘ zu kümmern. Die Wahl zum Leitenden Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (1969) stellte Wölber an die Spitze einer Kirche, deren Repräsentant er schon nicht mehr war. Kirchlichen Denkschriften zu sozialen Fragen sowie spektakulären Kirchentagen begegnete der wortgewaltige Prediger mit Skepsis, ‚aber als Bischof‘, glaubte der Kirchenmann, ‚kann ich den Krempel doch nicht hinschmeißen‘.“ 4)

Rainer Hering schreibt über Hans-Otto Wölbers Wirken: Er: „begründete als Jugendpastor, Publizist und Dozent die Anfänge kirchlicher Jugendarbeit in Hamburg nach dem Zweiten Weltkrieg, als Bischof konzentrierte er sich – auch durch eine ausgedehnte Pressearbeit – auf die ‚Verteidigung‘ der Volkskirche gegen die Welle der Entkirchlichung. Als temperamentvoller, gegenwartsbezogener Prediger fesselte er durch seine farbigen Bilder. Der konservative Theologe stellte gegen politisches Engagement der Kirche deren Aufgabe in der Seelsorge heraus und betonte die Bedeutung der Gemeinde.“ 5)

Umstrittene „Judenmission“. Ein Briefwechsel aus dem Jahr 1964 zwischen dem Hamburger Innensenator Helmut Schmidt und dem Bischof Hans-Otto Wölber
Als der damalige sozialdemokratische Hamburger Innensenator Helmut Schmidt 1964 als Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Hamburg erfuhr, dass die evangelische Landeskirche „Judenmission“ („Bekehrung“ zum Christentum) betreibt, informierte er sich darüber bei Bischof Hans-Otto Wölber, denn solche „Judenmission“, die ihre historischen Wurzeln im 18. Jahrhundert hat, wurde gerade auch auf Grund der Erfahrungen mit dem Holocaust sehr kritisch betrachtet.

Schmidt vertrat eine klare Position, nämlich die strikte Ablehnung jeglicher „Judenmission“. Solch eine Haltung vertraten damals in den 1960er-Jahren noch nicht viele Menschen. Erst Jahrzehnte später wurde diese Position mehrheitlich vertreten. Wölber befürwortete die „Judenmission“, Schmidt hingegen forderte Toleranz in religiösen und weltanschaulichen Fragen, und zwar aus Respekt vor den Glaubensüberzeugungen Anderer. Dabei wies Schmidt besonders auch auf die Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus hin. Hans-Otto Wölber ließ sich davon nicht überzeugen und behielt seine Auffassung. 6)

„Drei Jahrzehnte später, 1995, publizierte die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Hamburg eine ‚Absage an die Judenmission‘ und löste damit eine heftige Diskussion, vor allem in kirchlichen Kreisen, aus. Hintergrund war die verstärkte Einwanderung von Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, an denen es Bekehrungsversuche von Evangelikalen gab. Helmut Schmidt entwickelte seine Haltung zur Mission weiter und lehnte in einem Vortrag in der Augustana-Hochschule der Bayerischen Landeskirche in Neuendettelsau im Dezember 1997 jegliche Mission ab: ‚Es dient dem Frieden zwischen den Religionen, zwischen den Religionsgemeinschaften, von Kirchen überhaupt nicht, wenn die eine der anderen die Gläubigen abzuwerben versucht – so gut auch immer die Absicht sein mag.‘ In seiner im Jahr 2008 publizierten ‚Bilanz‘ Außer Dienst stellt Helmut Schmidt fest, dass er selbst Gläubige zeitlebens immer respektiert habe, „gleich welcher Religion sie anhängen.‘ Religiöse Toleranz sei unerlässlich: ‚Jeder Mensch muß jedem anderen Menschen seinen Glauben und seine Religion lassen. Er muß ihm auch seinen Unglauben lassen. Die Menschheit hat religiöse Toleranz nötig, deshalb hat jeder einzelne religiöse Toleranz nötig. […] Deshalb habe ich die christliche Mission stets als Verstoß gegen die Menschlichkeit empfunden.‘“ 7)

Bischof Hans-Otto Wölber und die Friedensbewegung in den 1980er-Jahren
Mit Wölbers Einstellung und sein Handeln gegenüber kritischen Theologinnen und Theologen, die sich in der Friedensbewegung der 1980er-Jahre engagierten, hat sich Stephan Linck beschäftigt. Er schreibt u. a.: „Bischof Wölber bat damals den Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, Christian Lochte, um Informationen über geplante Proteste zum Kirchentag. Das Dossier, das (…) hierauf aus Informationen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Landesämter Hamburg und Schleswig -Holstein zusammengestellt wurde, enthielt Informationen über zahlreiche Prominente, z. B. Prof. Dr. Dorothee Sölle, ‚Mitglied im orthodox-kommunistisch beeinflussten Antiimperialistischen Solidaritätskomitee für Afrika, Asien und Lateinamerika‘ und die Namen von 30 Theologen der Nordelbischen Kirche, die in der Friedensbewegung aktiv waren. Aus dem Dossier war ersichtlich, dass V-Leute des Verfassungsschutzes bei Vorbereitungstreffen kirchlicher Friedensgruppen in der Evangelischen Studentengemeinde Hamburg beteiligt waren.
Die Pläne der Friedensgruppen umfassten angemeldete Demonstrationen und das Absingen von Protestchorälen.

Ein kritisches Hinterfragen des dargebotenen Materials fand bei Wölber nicht statt. Am 10. Juni 1981 übersandte er Teile des Berichts, die Mitarbeiter und Pastoren in Nordelbien betrafen, an den Vorsitzenden der Kirchenleitung, Bischof Stoll. ‚Danach wird deutlich‘ so Wölber, ‚dass die seither auch bei uns viel Unruhe schaffenden Aktionen detailliert zur Kenntnis des Staatsschutzes kommen, dies einschließlich der Namen unserer Mitarbeiter. Was mich im Ganzen aber am meisten bestürzt, ist der Umstand, wie stark unsere Szene mit dem gesamten linken Spektrum in der Bundesrepublik in der einen oder anderen Weise verstrickt ist. Ganz am Rande erscheint hier auch die 'legale' Sympathisantenschaft der RAF. Man könnte aus den Unterlagen auch völlig eindeutig den harten Kern derjenigen zusammenstellen, die ihre kirchliche Position und vermutlich auch kirchliche Mittel als 'Amtsträger' verwenden, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Man wird wohl einmal über die ganze Sache sehr gründlich zu Rate gehen müssen.‘ Eine Reaktion Bischof Stolls ließ sich nicht feststellen. Es lässt sich aber keine weitere Verwendung der Informationen – weder öffentlich noch intern– feststellen bzw. belegen.“8)