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Wolsteinkamp

Groß Flottbek (1958): Johannes Gottlieb Wolstein (14.3.1738 Flinsberg/Schlesien – 2.7.1820 Altona), Tierarzt, Lehrer an der Landwirtschaftlichen Schule von Staudinger in Klein Flottbek.


„Johann Gottlieb Wolstein gilt als Pionier der Wissenschaftlichen Tierheilkunde“ 1), schreibt Hans-Werner Engels.

Johannes Gottlieb Wolstein war der Sohn von Elisabeth Wolstein, geborene Schwendler und des Handelsmanns und Ortsrichters Gottlob Wolstein.

Über Wolsteins beruflichen Werdegang heißt es in der Allgemeinen deutschen Biographie: „Nachdem er seit 1753 in Wigandsthal und Görlitz die niedere Chirurgie erlernt hatte, kam er 1760 als Begleiter eines schwer verwundeten Officiers von Görlitz nach Wien. Hier widmete er sich dann 9 Jahre lang dem wissenschaftlichen Studium der Chirurgie, Geburtshülfe und Medicin, (…) bildete sich praktisch in verschiedenen Spitälern aus, und da er besonderen Eifer entwickelte, wurde er auf(…) auf Staatskosten nach Paris resp. nach Alfort geschickt, um dort unter Bourgelat und Chabert Thierarzneikunde zu studiren. Hier hielt er sich zwei Jahre lang auf, bildete sich dann seit 1772 noch unter dem berühmten Roßarzt de la Fosse weiter aus, trieb nebenher noch Studien zur menschlichen Heilkunde, besuchte darauf England, Holland, Hannover, Dänemark, Preußen, um das Gestütswesen eingehender zu studiren, erlangte 1775 in Jena die med. Doctorwürde und kehrte endlich nach 6jähriger Abwesenheit wieder nach Wien zurück. Auf Befehl des Kaisers entwarf er einen Plan zu einer Thierarzneischule, die 1777 als „Thierspital“ ins Leben gerufen und seiner Leitung unterstellt wurde.“ 2)

Im selben Jahr 1777 kam Wolsteins Sohn Lentulus auf die Welt. Wahrscheinlich wurde dieser „unehelich“ geboren, denn erst 1789, im Jahr der Französischen Revolution, heiratete der damals 51Jährige die damals ca. 32-jährige liberal eingestellte Erzieherin Justine Catharina Eleonore Helmrich (1757 ? – 1840) aus Celle.

„Die Thierarzneyschule wurde unter seiner Leitung zu einer weltweit führenden Ausbildungsstätte und war Vorbild für die tierärztl. Schulen in Budapest und Brüssel, an deren Aufbau W. ebenfalls mitwirkte. Darüber hinaus richtete er eine Fachbibl. v. a. mit hippolog. Werken aus England und Frankreich ein. Er machte sich aber auch um die Ausbildung von Schmieden und Pferdeärzten für die Armee verdient.“ 3)

1794 wurde Wolstein verhaftet und damit seines Amtes enthoben. Grund der Verhaftung war Wolsteins politische Gesinnung. Der Freimaurer gehörte „seit 1793 einem Kreis von Parteigängern der Französischen Revolution“ 4) an. Verurteilt wurde er zu zwei Jahren Festungshaft, kam aber nach fünf Monaten wieder frei und wurde des Landes verwiesen. Er zog mit seiner Familie nach Altona und praktizierte hier als Tierarzt, aber auch als Arzt der Humanmedizin. „Ab 1797 [gab er] zusätzlich unentgeltlichen Unterricht an der von Lucas Andreas Staudinger [siehe: Staudingerstraße] begründeten Landwirtschaftsschule in Flottbek. Seit 1799 war er Mitglied der Patriotische Gesellschaft, wurde in mehrere Akademien und Fachgesellschaften gewählt und 1813 mit dem Dannebrogorden geehrt.“ 5)

„Er befasste sich theoret. und prakt. mit den Krankheiten der Haustiere sowie ab 1778 verstärkt mit Tierseuchen. Auch wenn er als charakterl. schwierig beschrieben wurde, war er fachl. unbestritten. Seine Werke über Seuchenbekämpfung waren international anerkannt und wurden in zahlreiche Sprachen übers. (z. B. „Anmerkungen über die Viehseuchen in Oesterreich“, 1781, 3. Aufl. 1782; „Annotazioni sopra l’epidemie del bestiame“, 1782). Der Vertrieb seiner Bücher dürfte ihm auch ein nicht unwesentl. Vermögen eingebracht haben.“ 6)

Erst im Januar 1919 wurden auch Frauen zum Studium der Tiermedizin in Wien zugelassen.