Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Bonhoefferstraße

Billstedt (1962): Dietrich Bonhoeffer (4.2.1906 Breslau - 9.4.1945 Flossenbürg), Theologe, Widerstand gegen den Nationalsozialismus


Siehe auch: Dohnányiweg

Dietrich Bonhoeffer wurde nach seinem Theologiestudium und der Habilitation Studentenpfarrer in Berlin. Schon 1933 war er als Gegner der Nationalsozialisten bekannt. In den Jahren 1935 bis 1937 stand er an der Spitze des Predigerseminars der sogenannten Bekennenden Kirche und war damit der herausragende Theologe dieser kirchlichen Oppositionsbewegung. Im Jahre 1937 verbot der zuständige Reichskirchenminister Hans Kerrl die Fortsetzung der Seminare. Ein Jahr später weihte Hans von Dohnányi (siehe auch: Dohnányiweg) auch seinen Schwager Bonhoeffer in die Planungen zu einem Staatsstreich gegen die Nationalsozialisten ein. Nach dem Beginn des II. Weltkriegs wurde Bonhoeffer 1940 zum Militärdienst eingezogen. Seine Verwendung: das Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht. In dieser Funktion war es ihm möglich Auslandsreisen zu unternehmen, um heimlich Verbindungen zu alliierten Regierungen aufzunehmen. Doch im April 1943 wurde der Widerstandskämpfer enttarnt und verhaftet. Obwohl es kein Gerichtsverfahren gab, hielt das NS-Regime ihn zwei Jahre in Berlin Tegel gefangen. In dieser Zeit entstanden Bonhoeffers wichtigsten theologischen Schriften. Kurz vor Kriegsende, im Februar 1945, wurde Bonhoeffer ins Konzentrationslager Flossenbürg verlegt. Hier wurde er am 9. April 1945 nach einem SS-Standgerichtsverfahren hingerichtet.

Zwei Jahre vor seiner Hinrichtung hatte er die achtzehn Jahre jüngere Maria Friederike von Wedemeyer (23.4.1924 Pätzig - 16.11.1977 Boston) kennen und lieben gelernt. „Was ich nicht mehr für möglich hielt, ist geschehen, ja, es ist mir zugefallen. Ich darf noch einmal lieben und geliebt werden ...“ Sie war die Tochter des Großgrundbesitzers Hans von Wedemeyer und seiner Ehefrau Ruth, geborene von Kleist.

Der ehemalige Chefredakteur von „Kultur“ des Süddeutschen Rundfunks, Hans Jürgen Schultz, schreibt über Maria von Wedemeyers Elternhaus: „Maria wuchs in der geordneten Welt des konservativen norddeutschen Landadels auf. Der Vater, Hans von Wedemayer (…) war noch ganz Vertreter der deutschnationalen Aristokratie. Er war Patriot, und deswegen gegen Hitler. (…) Er war ein selbstbewusster Patriarch in Haus und Hof. Zugleich aber war er ein Mensch, der gelegentlich den starren gesellschaftlichen Rahmen sprengte, den er andrerseits konsequent aufrecht zu erhalten versuchte. (…). Dieser Vater hat diese Tochter geprägt; sie hat sich und er hat sie als ‚sein‘ Kind empfunden. Die Verbindung von Lebensdrang und Verletzlichkeit, von Standesbewusstsein und Unbekümmertheit hat er ihr vermacht. Er war der entscheidende Wegbereiter in ihr eigenes Leben, weit über seinen Tod vor Stalingrad im Jahre 1942 hinaus.
Und zu eben dieser Zeit träumt Maria von Wedemayer, einer Tagebuchnotiz zufolge, von ihrem ‚Prinzen‘, der kommen wird.“ 1)
Maria Friedrike von Wedemeyer und Dietrich Bonhoeffer hatten sich bei Maria Friederikes Großmutter Ruth von Kleist-Retzow kennengelernt, die sich in der Bekennenden Kirche und im Widerstand gegen den Nationalsozialismus engagierte. Beim ersten Kennenlernen der beiden war Maria von Wedemeyer 12 Jahre alt gewesen. Damals gab Dietrich Bonhoeffer ihren älteren Brüdern Konfirmandenunterricht. „Erst sechs Jahre später treffen sie sich wieder. Bonhoeffer ist beeindruckt von der jungen Frau. Für ihn verkörpert Maria v. W. Eigenschaften, die er bei Marias Großmutter Ruth von Kleist-Retzow und ihren Verwandten kennen und schätzen gelernt hat: wache Klugheit, Frische, Noblesse und eine Haltung, die neben den Gaben auch die Lasten des Lebens überzeugend bewältigt.
Nachdem Dietrich Bonhoeffer sich selbst nicht sicher ist, wie er ein weiteres Wiedersehen mit Maria von Wedemeyer herbeiführen soll, kommen ihm weitere Begegnungen im Kreis ihrer Familie zur Hilfe. Diese Begegnungen münden schließlich darin, dass sich Maria v. W. und Dietrich Bonhoeffer auch gegen die Bedenken von Maria von Wedemeyers Mutter, die sie für eine solche Beziehung zu jung hält und vermutet, dass sie nach dem Tod ihres Bruder Maximilian und ihres Vaters Hans von Wedemeyer im Krieg, keinen neuen Vaterersatz suchen sollte, verloben.“ 2)
Hans Jürgen Schultz dazu: „Nach Vorwürfen, Auseinandersetzungen und Beschwörungen kommt es zu einem intensiven Gespräch zwischen Mutter und Tochter, einem Gespräch, ‚das Tränen gekostet hat, schwere, heiße Tränen‘ und in dem ein Jahr Trennungs- und Bedenkzeit vereinbart wird. Gleich nach diesem Kompromiss schreibt Maria einen erstaunlichen Brief, einen Scheck auf Zukunft, in dem es heißt: ‚Lieber Herr Pastor Bonhoeffer ... Obwohl ich eigentlich kein Recht habe, Ihnen auf eine Frage zu antworten, die Sie noch gar nicht an mich richteten: Ich kann Ihnen heute ein von ganzem und frohem Herzen kommendes Ja sagen.‘ Das Datum dieses Briefes gilt hernach für beide als ihr Verlobungstag. Sie kennen sich kaum. Aber Marias kühner Satz ‚Ich weiß, dass ich ihn lieben werde‘ hätte umgekehrt auch von Dietrich gesagt sein können.“1)

Die Verlobung wurde von Bonhoeffer und Maria von Wedemeyer auf den 17.1.1943 datiert „Sie wird erst nach Bonhoeffers Verhaftung [Verhaftung am 5.4.1943] veröffentlicht, um es Maria von Wedemeyer zu ermöglichen, eine Sprecherlaubnis zu erhalten und um Dietrich Bonhoeffer schreiben zu dürfen.“ 2)

„Maria und er sehen sich von nun an nur noch bei gelegentlicher Sprecherlaubnis, niemals unbeobachtet, stets in Anwesenheit einer Aufsichtsperson (…) Was sie sich zu sagen hatten, vertrauten sie ihren ‚Brautbriefen‘ an. Diese bewegende Zwiesprache (…) endet kurz vor Weihnachten 1944. Seinem letzten Brief fügt Dietrich ein Gedicht bei,(…). Die Verse sind der Verlobten sowie seiner Mutter zu deren Geburtstag am 30. Dezember 1944 zugeeignet. Die letzte Strophe lautet:
'Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.'
Danach verstummt der Austausch. (…). Auch sonstige Lebenszeichen, die Bonhoeffer seiner Braut, seinen Eltern und seinem Freund Eberhard Bethge, (…), zukommen lassen kann, werden spärlich und versiegen schließlich ganz. Man erfährt, dass Bonhoeffer nicht mehr in Berlin ist. Unsicheren Auskünften folgend, begibt Maria sich auf die Suche. Mit einem Koffer voll warmer Kleidung für Dietrich irrt sie erschöpft, aber mit starkem Willen durch Süddeutschland. Sie findet keine Spur. Auch nicht - es ist Mitte Februar - in Flossenbürg, wo Bonhoeffer wenige Wochen später erhängt wird. (…) Die Braut, die Eltern, die Freunde hören erst im Sommer von Dietrichs Tod. Sein Leichnam wurde verbrannt, zusammen mit zahllosen anderen. Ein Grab gibt es nicht.“ 1)

Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelte Maria Wedemeyer in die USA über, studierte dort Mathematik und arbeitete dann in leitender Funktion in der Computerbranche. Maria von Wedemeyer war zweimal verheiratet. „1949 heiratete sie Paul-Werner Schniewind (geb. 1923), einen Sohn des Theologen Julius Schniewind. Die Ehe, der zwei Söhne entstammten, wurde 1955 geschieden. Die 1959 mit dem amerikanischen Fabrikanten Barton Weller eingegangene Ehe scheiterte 1965.“ 3)

1967 veröffentlichte sie einen Teil ihres mit Boenhoeffer während seiner Inhaftierung geführten Briefwechsels. Die Briefe, die sie von Bonhoeffer besaß, übergab sie 1966 der Houghton Libary der Harvard Universität. Nach ihrem Tod veröffentlichte ihre Schwester Ruth-Alice von Bismarck den gesamten Briefwechsel. Seit 2009 erinnert eine Gedenktafel in Gernsbach, wo Maria von Wedemeyer beigesetzt wurde, an sie.