Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Borsigbrücke

Billbrook (1924): August Borsig (23.6.1804 Breslau – 4.7.1854 Berlin) und sein Sohn Albert Borsig (7.3.1829 Berlin – 10.4.1878 Berlin), Industrieller


Siehe auch: Borsigstraße
Siehe auch: Grusonstraße

Der Industrielle August Borsig, ein gelernter Tischler aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammend, gründete 1837 im Alter von 34 Jahren die Borsigwerke (Maschinenbau, Dampfmaschinen, Dampfloks) in Berlin.

August Borsig führte seine Firma als frühkapitalistischer Firmenpatriarch. Solche Firmenpatriarchen übernahmen eine „Vaterfunktion“ für ihre Mitarbeitenden und deren Familien. So ließ August Borsig für sie eine Kranken- und Sterbekasse sowie eine Sparkasse einrichten. Jedoch geschah dies nicht aus altruistischen Motiven, „sondern aus der Überzeugung heraus, dass, wie Borsig während der Revolution von 1848 gegenüber den Aufständischen bemerkte: ‚... jede mögliche Verbesserung nicht allein das Wohl der Arbeiter befördert, sondern auch das Fortbestehen der Anstalt sichert.‘“1) Sintje Guericke resümiert dazu in ihrer Dissertation „‘Ausgerechnet Wolkenkratzer?‘ Zum Verständnis von Moderne, Bild und Architektur am Beispiel von Borsig in Berlin-Tegel“: Borsig: „kümmerte sich um das Wohlergehen seiner Werksfamilie, die sich im Gegenzug mit Borsig identifizierte und als loyale Arbeitskraft zur Verfügung stehen sollte. (…) Die frühe Industrialisierung in Deutschland, bei der Borsig zu den Protagonisten zählt, war geprägt von revolutionären Bestrebungen, wirtschaftlichen und politischen Krisen und gesellschaftlichen Umwälzungen. Allein die zahlreiche Teilnahme der Borsigianer an den Berliner Protesten der Märzrevolution zeigte die aufgebrachte Stimmung in der Belegschaft gegenüber Politik und industriellem Establishment in den frühen Jahren der Firma. Die kulturbildenden Bemühungen dienten dazu, solch einer feindlichen Haltung zu begegnen und den Zusammenhalt zwischen Unternehmensführung und Personal zu stärken (…). “2)

„Dabei blieb Borsig ein Kind seiner Zeit: der unumstrittene Herrscher über ein frühkapitalistisches Unternehmen mit durch und durch paternalistischen Strukturen. ‚Jeder vernünftige Wunsch findet bei mir ein williges Ohr. Aber versuchen Sie nicht, mit Gewalt, mit Zwang und Terror hier zu herrschen. Hier gilt ein Wille – und das ist der meine!‘“ 3)

Über die Teilnahme von Borsig-Arbeitern an der Märzrevolution 1848 und die Reaktion sowie das weitere Vorgehen von August Borsig schreibt der Historiker Dieter Vorsteher: „fünfhundert Borsigarbeiter, von Studenten herbeigerufen, [waren] am Abend des 18. März 1848 aus der noch vor den Toren der Stadt Berlin gelegenen Fabrik heraus[gedrängt], um am Barrikadenkampf teilzunehmen. Die ‚Ordnung‘ der Fabrik war gestört, dennoch gab es keine ‚Bekanntmachung‘, die mit Entlassung bei Störung dieser Arbeitsordnung drohte. Vier Borsigarbeiter fallen im ‚Kampf um die Freihei‘. 1849, so geht aus den Rechnungsunterlagen hervor, stiftete August Borsig vier Grabmäler für die im März Gefallenen auf dem Friedhof am Friedrichshain. Das Jahr 1848 bringt neben Rezession und Arbeitslosigkeit auch einige Verbesserungen für die Borsigarbeiter: sie können aus eigenen Reihen Deputierte wählen, die zwischen den unterschiedlichen Interessen vermitteln sollen. Soziale Einrichtungen wie Kantine, Ausbildungsraum und Waschhaus werden auf dem Fabrikgelände errichtet. Die politische Mündigkeit läuft jedoch schnell ihrem Ende zu:
‚Bekanntmachung
Es haben sich in neuerer Zeit in den Werkstätten wieder verschiedene Mißbräuche eingeschlichen, die ich, nachdem sie mir bekannt geworden nicht länger dulden kann und will, da die Ordnung im Ganzen darunter leidet. Dahin gehören:
1. daß in den Werkstätten, selbst während der Arbeitszeit, Listen herumgehen, in welchen zu Unterschrift behufs der Teilnahme an Vergnügungen, Vereinen, Ausspielungen usw. aufgefordert oder öffentliche Blätter gelesen werden und darüber, statt zu arbeiten disputirt wird ...
2. Werden an verschiedenen Orten der Fabrik Mitteilungen der verschiedensten Art durch schriftliche Anschläge bekannt gemacht. Auch dies kann ohne Erlaubnis nicht gestattet werden und es muß daher Jeder, der dergleichen Mittheilungen durch geschrieben oder gedruckte Bekanntmachung beabsichtigt mir dieselben erst vorlegen und die besondere Erlaubnis dazu einholen ...
Berlin, den 1ten August 1849. A. Borsig‘.

Ein Jahr später, im März 1850, beabsichtigen die Borsigarbeiter, den 18. März in Erinnerung an die Märzgefallenen zum arbeitsfreien Tag zu erklären. Borsig verweist auf die bestehende Fabrikordnung, nach der Urlaub nur von den Werkmeistern ein-zuholen sei. Diese hatten den ausdrücklichen Befehl, keinen Urlaub zu geben. Am 18. März erscheinen 170 Arbeiter nicht zur Arbeit, sie alle werden fristlos entlassen. Am 20. März rechtfertigt Borsig sein Verhalten in einem offenen Brief an die ‚Vossische Zeitung‘ und stellt in Aussicht, daß ‚eine ziemliche Anzahl‘ wieder in die Fabrik eintreten könne.“ 4)

August Borsig heiratete 1828 im Alter von 24 Jahren die damals 22-jährige Luise Praschl (1806-1887), Tochter eines Küsters und dessen Ehefrau. Ein Jahr nach der Heirat kam das einzige Kind zur Welt, der Sohn Albert, der die Firma seines Vaters übernahm. Er heiratete 1861 im Alter von 32 Jahren die damals 20-jährige Anna Guticke (1841 - 1919), Tochter eines Fabrikbesitzers und damit standesgemäß. 5) Das Paar bekam sieben Kinder.

„1933 wurde die Fabrik an die ‚Rheinischen Metallwaren- und Maschinenfabrik A.G.‘ verkauft und die Enkel und Ur-Enkel von August Borsig schieden aus dem Unternehmen aus. Ab 1933 änderte sich der Schwerpunkt der Produktion - weg vom allgemeinen Maschinenbau hin zur Waffen- und Munitionsproduktion. 1935 firmierte das Unternehmen unter dem Namen Rheinmetall-Borsig AG und wurde 1938 in die ‚Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten ‚Hermann Göring‘ überführt. Mit Ausbruch des Krieges 1939 wurde die Waffenproduktion weiter ausgebaut. Die Belegschaftszusammensetzung änderte sich dramatisch. Immer mehr Frauen und Zwangsarbeiter arbeiteten bei Rheinmetall-Borsig; Letztere lebten unter denkbar schlechtesten Umständen in eigens für sie errichteten Lagern, die vor allem rund ums Werksgelände lagen,“ 6) ist in der Unternehmensgeschichte der Firma Borsig nachzulesen.