Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Grusonstraße

Billbrook (1924): H. A. Gruson (13.3.1821 Magdeburg-30.1.1895 Magdeburg), Industrieller, Erfinder des Grusonschen Hartgusses.


Hermann August Jacques Gruson war der Sohn des Premierleutnants Louis Abraham Gruson und der Kaufmannstochter Caroline Gruson, geborene Bodenstein. Er wurde von seiner Mutter in der Magdeburger Zitadelle (Festung, die auch als Gefängnis genutzt wurde) geboren.

„Nach Ableistung seines Militärdienstjahres bei den Magdeburger Pionieren bildete sich G. 1840-45 in Berlin bei August Borsig [siehe: Borsigbrücke, Borsigstraße] als Maschinenbauer aus. Nebenbei hörte er an der Universität Vorlesungen über Chemie, Physik, Dampfmaschinenkunde, Statik und Dynamik. Danach arbeitete er 6 Jahre als Maschinenmeister bei der Berlin–Hamburger Bahn, 3 Jahre als Oberingenieur in der damals in großer Blüte stehenden Wöhlertschen Maschinenfabrik in Berlin und ein Jahr als technischer Direktor bei der Hamburg–Magdeburger-Dampfschiffahrtsgesellschaft in Buckau.“ 1)

In dieser Zeit heiratete Gruson 1847 im Alter von 26 Jahren die damals 22jährige Emma Lemelson (1825 - 22.4.1888), die Tochter eines Papierfabrikanten in Neustrelitz und dessen Ehefrau Luise, geborene Stieler. Das Paar bekam zwei Töchter und einen Sohn, geboren 1848, 1851 und 1855.

Nun Ehemann und Vater von drei kleinen Kindern errichtete Gruson 1855: „(…) auf gepachtetem Grund und Boden eine kleine Schiffswerft mit einer Maschinenfabrik und einer Eisengießerei. Kaum gegründet, wurde das Unternehmen jedoch schon bald durch die Handelskrise der 50er Jahre stark bedroht. Mit der Lahmlegung der Elbschiffahrt mußte die Schiffswerft ruhen und bald darauf auch die auf die Werft angewiesene Maschinenfabrik. Um das Werk vor dem Zusammenbruch zu bewahren, widmete sich G. mit ganzer Kraft der Eisengießerei. Durch die Mischung verschiedener Roheisensorten gelang es ihm, ein geläutertes Gußeisen von überlegener Festigkeit zu erzeugen und es auch für solche Schiffs- und Maschinenteile nutzbar zu machen, die vorher aus Schmiedeeisen oder Stahl angefertigt worden waren. Daneben beschäftigte ihn der Gedanke, Hartguß nach englischem und amerikanischem Vorbilde, das heißt Kokillenguß mit harter Oberfläche, herzustellen. Dies gelang ihm so trefflich, daß er das anfänglich fast nur für Walzen und in beschränktem Umfange für Eisenbahnräder angewandte Verfahren auch auf andere Gegenstände ausdehnen konnte, bei denen Härte mit Festigkeit verbunden werden muß.“2)

Heinz Nix schreibt in der Neuen Deutschen Biographie über Grusons weiteren beruflichen Weg: „Ein besonders glücklicher Gedanke war die 1858 aufgenommene Fertigung von Herz- und Kreuzungsstücken aus Hartguß für Eisenbahngleise. Gerade diese Erfindung führte dem Unternehmen bedeutende Aufträge zu und rettete es finanziell.“ 3)

Grusons Entwicklungen auf dem Gebiet des Hartgusses führten ihn in den Bereich der Rüstungsindustrie. Dazu schreibt Heinz Nix euphorisch: „Grundlegend für die spätere Entwicklung des G.werkes war (…) der Schritt vom Hartgußherzstück zur Hartgußgranate, die schmiedeeiserne Panzerplatten besser durchschlug als die damals noch ungehärtete Stahlgranate und in der Folgezeit das Feld behauptete, bis es gelang, sie durch gehärtete Stahlgeschosse zu übertreffen.“ 4)

Durch diese Entwicklungen expandierte der Grusonsche Betrieb und es wurde auf einem großen Gelände an der Magdeburg–Halberstädter Bahn zwischen 1869 und 1872 eine große, auf Zuwachs angelegte Werksanlage erbaut.

Mit seinen Experimenten und Entwicklungen blieb Gruson vorerst auf dem Gebiet der Rüstungsentwicklung. So wuchs die Erkenntnis, dass der: „Hartguß besser als andere Werkstoffe auch zur Panzerung von Geschütztürmen auf dem Festlande (…) [genutzt werden konnte]. 1873 glückte es G., mit einem nach seinen Angaben konstruierten Panzerturm die Erwartungen weit zu übertreffen. Hand in Hand mit der Entwicklung der Hartgußdrehtürme ging die der sogenannten Minimalschartenlafetten, die G. gleichfalls erfunden und in den 70er Jahren zuerst hergestellt hatte. Von weiterer entscheidender Bedeutung für die Panzerbefestigung sollte die Zusammenarbeit G.s mit seinem früheren Gegner, dem Ingenieurmajor Schumann, werden, mit dem er 1882 Freundschaft schloß. Ihren gemeinsamen Bemühungen gelang es, die Schumannsche Panzerlafette als die geeignete Panzerkonstruktion für Binnenlandbefestigungen immer vollendeter zu gestalten und mit ihr 1885 bei Schießversuchen in Bukarest dem französischen Panzerturm des Majors Mougin den Rang abzulaufen. Als nächste Etappe ergab sich für das G.werk die Entwicklung von klein- und mittelkalibrigen Schnellfeuerkanonen.“ 5)

Grusons Entwicklungen konnten aber auch für den „Friedensbedarf [genutzt werden] (…). Es entstand eine ganze Reihe von Sondererzeugnissen besonderer Härte und Verschleißfestigkeit auf dem Gebiete des Maschinenbaues, so für Zerkleinerungs- und Erzaufbereitungsanlagen, Anlagen für Zement- und Schotterwerke, Salzmühlen, Walzwerke für alle Metallsorten, Pulverfabriken, Krananlagen und anderes mehr. Als wertvolle Ergänzung seiner Erzeugung nahm G. 1887 auch in einer dazu errichteten Gießerei die Herstellung von Stahlguß auf.“ 6)

1888 starb Grusons Ehefrau im Alter von 63 Jahren. Ein Jahr später heiratete der damals 68-Jährige die 32 Jahre jüngere Helene Hildebrandt (10.11.1853 Magdeburg – 4.1.1934 Berlin), die bereits mit Gruson seit Längerem liiert war. Über Helene Hildebrandt, verheiratete Gruson verfasste Gertrud Dörsing 2019 das Buch „… ach ihr solltet nur alle wissen daß wir uns schon seit vielen Jahren lieben …“: Helene Gruson – Die zweite Frau.“
Sechs Jahre nach der Hochzeit starb Gruson. Zuvor hatte er 1893 sein Werk an Krupp verkauft.
Nach dem Tod ihres Mannes wurde Helene zur Stifterin, denn sie erfüllte 1895 zusammen mit dem Sohn ihres Mannes aus erster Ehe den letzten Wunsch ihres Ehemannes und übergab dessen seltene Pflanzensammlung und seine elf Gewächshäuser der Stadt Magdeburg. Bedingung für diese Stiftung war, dass die Pflanzensammlung den Namen ihres Ehemannes tragen müsse, dass es freie Eintrittstage für jeden gibt und die bis dato beschäftigten Gärtnerlehrlinge bis zur Beendigung ihrer Lehrzeit übernommen werden.
Helene Gruson und der Sohn spendeten der Stadt Magdeburg außerdem 100.000 Mark zur Errichtung von Gewächshäusern.

Gruson hatte die größte Kakteensammlung Europas. Sie galt Ende des 19. Jahrhunderts als eine der bedeutendsten der Welt. „Der im Jahr 1886 wissenschaftlich beschriebene Schwiegermutterstuhl wurde ihm zu Ehren Echinocactus grusonii benannt.“ 7)

Zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes heiratete Helene Gruson den Kommerzienrat Ernst Meyer in Hannover. 1906 ging sie ihre dritte Ehe ein und ehelichte den Generalmajor Erhard Hentschel in Pulsnitz. 8)