Aldenrathsweg
Barmbek-Nord (1922): Heinrich Jacob Aldenrath (17.2.1775 Lübeck – 25.2.1844 Hamburg), Miniaturenmaler und Lithograph
Lebens- und Arbeitsgefährte von Friedrich Carl Gröger.
Siehe auch: Grögersweg. Beide Straßen wurden im selben Jahr benannt und liegen dicht beieinander.
Heinrich Jacob Aldenrath, Sohn eines Golddrahtfabrikanten, lernte bei dem Landschaftsmaler Johann Jacob Tischbein und bei dem Maler Friedrich Carl Gröger (14.10.1766 Plön – 8.11.1838 Hamburg), der sich auf das Portraitfach spezialisiert hatte, wie Gisela Jaacks in ihrem Portrait über Heinrich Jacob Aldenrath schreibt. Zwischen Aldenrath und Gröger entwickelte sich eine intensive Freundschaft. Die beiden blieben, wie es in der Allgemeinen Deutschen Biographie heißt:„(…) in treuester Herzens- und Kunstfreundschaft lebenslang verbunden (…). Mit Aldenrath zog G. im J. 1789 nach Berlin, wo er längere Zeit die Kunstakademie besuchte, sodann nach Hamburg, wo man seine Werke kennen und schätzen lernte, hierauf (1798) nach Dresden, wo er wieder einzig den Studien, vorzüglich der Oelmalerei, lebte. Nachdem beide Freunde abermals Lübeck und Hamburg besucht, später in Paris die damals dort aufgehäuften Kunstschätze Italiens studirt, auch einige Jahre in Kiel und Kopenhagen ihrem Berufe gelebt hatten, ließen sie sich endlich in Hamburg häuslich nieder, wo ihrer Kunst vielfache Beschäftigung und warme Anerkennung, wie ihren ehrenwerthen, liebenswürdigen Persönlichkeiten allgemeine Hochachtung und Verehrung zu Theil wurde. Beide unvermählt bleibende Männer lebten in gemeinsamer Haushaltung einträchtig bei einander, menschliche wie künstlerische Interessen und Geschicke, Freud und Leid, treulich theilend.“ 1)
Aldenrath hatte sich auf die Miniaturmalerei festgelegt. „Bildnisminiaturen waren in den Jahrzehnten um 1800 eine besonders beliebte Gattung. Im Gegensatz zu dem repräsentativen Ölbild im großen Format dienten sie mehr dem privaten Gebrauch, konnten in kleine Etuis eingebettet oder als Medaillon gefasst mit sich getragen werden und riefen die abwesenden geliebten Personen dem Besitzer jederzeit in die Erinnerung zurück. Eine Hochblüte erlebte die Portraitminiatur gerade in diesen Jahren, als die in die Kriege der napoleonischen Zeit einberufenen jungen Männer das Abbild ihrer Bräute mit ins Feld nahmen und vice versa die zurückgebliebenen Frauen von ihren Lieben ein Konterfei als –vielleicht letzte – Erinnerung behalten wollten,“ 2) schreibt Gisela Jaacks.
Die beiden Freunde eröffneten in den 1790er-Jahren in Lübeck einen Atelierbetrieb. 1816 zogen die beiden Freunde mit ihrem Geschäft nach Hamburg. Als Gröger verstorben war, schrieb Aldenrath in seiner Todesanzeige im Hamburger Corespondenten: „Sein Verlust ist mir unersetzlich.“ 3) „Testamentarisch hatte Friedrich Carl Gröger seinen 63-jährigen Freund und Lebensgefährten Heinrich Jacob Aldenrath zu seinem Universalerben und Testamentsvollstrecker bestimmt (…),“ 4) erklärt Raimund Wolfert in seinem Aufsatz "Friedrich Carl Gröger, Heinrich Jacob Aldenrath und ihre Pflegetochter Lina. Zeugnis einer frühen Regenbogenfamilie."
Nach dem Tod Grögers 1836 ging Aldenrath, da die Geschäfte zurückgegangen waren, wieder auf Wanderschaft ins südliche Schleswig-Holstein, blieb aber in Hamburg wohnen. „Als Aldenrath knapp sieben Jahre später, am 25. Februar 1844, starb, ließ er sich neben Gröger bestatten. Die gemeinsame Grabstätte ist heute aber leider nicht mehr erhalten. (…) Auf den ehemaligen Begräbnisplätzen liegt heute der Park Planten un Blomen (…),“ 5) so Raimund Wolfert.
Aldenrath und Gröger lebten – wie Raimund Wolfert schreibt - in einer frühen „Regenbogenfamilie“, wie man heute Familien bezeichnet, die aus gleichgeschlechtlichen Partnern/innen und deren Kindern bestehen. Wolfert schreibt: „Die beiden Männer nahmen 1802 in Lübeck ein Mädchen zu sich und zogen es fortan groß. (…). Caroline Charlotte Gröger (1800–1852), genannt Lina, war die unehelich geborene Tochter eines jüngeren Bruders ihres Pflegevaters Friedrich Carl, der zeitweise als Konditor in Hamburg lebte, und wuchs fortan in Lübeck, Kiel, Kopenhagen und Hamburg heran. Über die näheren Lebensumstände der jungen Lina [gest. 1852] ist heute nichts bekannt. So ist auch nicht belegt, ob sie ihre Pflegeväter ‚Onkel‘ nannte. Dass die drei aber in trauter Gemeinschaft lebten, legt ein Selbstbildnis Friedrich Carl Grögers nahe, das um 1804 entstand. Es zeigt den Maler zusammen mit seinem Freund Heinrich Jacob Aldenrath und der kleinen Lina hinter einer Staffelei. (…).“ 6) Nach Grögers Tod erhielt Lina „ein Legat von 6.000 Courantmark. Auf heutige Verhältnisse umgerechnet dürfte der Betrag etwa 80.000 Euro entsprochen haben. (…).“ 7)
Über die Beziehung der beiden Männer heißt es bei Wolfert: „Aus heutiger Sicht ist es schwierig bis unmöglich zu entscheiden, ob Friedrich Carl Gröger und Heinrich Jacob Aldenrath ‚nur‘ eine besonders enge Freundschaft oder eine Liebesbeziehung verband. Aber ist diese Frage wirklich so entscheidend, und wo verläuft die Trennlinie zwischen dem einen und dem anderen? Die beiden Männer teilten knapp 50 Jahre ihres Lebens miteinander und zogen gemeinsam ein Kind groß. Sie bildeten für alle sichtbar mehr als nur eine Arbeitsgemeinschaft, und selbst nach dem Tod waren sie wieder vereint. Soweit bekannt, waren sie in ihrem persönlichen Umfeld keinen Anfeindungen ausgesetzt, sondern wurden von ihren Mitmenschen geschätzt und geachtet. Dies stützt bis zu einem gewissen Grad die These des Duisburger Germanisten Paul Derks, nach der das Jahrhundert zwischen 1750 und 1850 eine Zeit der ‚ungestörten homosexuellen Identitätsfindung‘ im Zeichen aufklärerischer Toleranz und intensiver psychischer Introspektion war (…).“ 8)