Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Buceriusstraße

Altstadt (2006): Dr. Gerd Bucerius (19.5.1906 - 29.9.1995), Verleger, Politiker, Ehrenbürger von Hamburg, Mitbegründer der Wochenzeitschrift „Die Zeit“


Diese Straße war vor ihrer Benennung eine Teilfläche der Curienstraße.

Theo Sommer schrieb in einem Portrait über Gerd Bucerius‘ Einstellung zum NS-Regime: „Nach der Sprachregelung des braunen Regimes galt Bucerius als ‚jüdisch versippt‘. Die besonders verwerfliche ‚Mischehe‘ mit einer Jüdin [Heirat 1932 mit Detta (Gretel) Goldschmidt (1910–1970)], versperrte ihm den Weg in den Staatsdienst. So trat er 1933 in die Altonaer Kanzlei [Bucerius war Jurist] seines Vaters ein (der wegen seiner nicht lupenrein arischen Abstammung ebenfalls Unannehmlichkeiten hatte und keine Referendare mehr ausbilden durfte). Unverdrossen komplettierte er seine Promotion zum Dr. jur. und unerschrocken verteidigte er Juden, was ihm 1937 Angriffe in Julius Streichers Hetzblatt Der Stürmer eintrug. Daneben vertrat er bekannte Hamburger Unternehmen in Wirtschaftssachen. Er verdiente gut. Er reiste, privat und geschäftlich, ins Ausland: in die Normandie, nach Klosters zum Skilaufen, nach Österreich und Italien, England und sogar Amerika, immer wieder in die Niederlande. Aber nach der ‚Reichskristallnacht‘ zogen sich die Wolken zusehends dunkler über dem Paar zusammen. Bucerius brachte seine junge Frau nach England in Sicherheit, wo sie sich als Dienstmädchen und Kellnerin verdingte. Dann kam der Krieg. Zwei Monate lang war Bucerius Soldat, dann wurde er – wohl als ‚wehrunwürdig‘ – entlassen. Als stellvertretender Betriebsleiter der Diago-Werke dienstverpflichtet, die Sperrholzplatten, Luftschutztüren und Holzbaracken herstellten, schlug er sich durch. ‚Wir waren nicht mit der Fahne durchs Land gezogen, sondern haben uns ganz schön gebückt, um durch das Gewitter zu kommen‘, sagte er viele Jahre später in der Fernsehsendung Das ist Ihr Leben. ‚Ich war einer, der sich bückte und drückte, aber nicht nachgab.‘ Er gab nicht nach. Als in der Endzeit des NS-Regimes jüdische KZ-Insassinnen aus Auschwitz nach Neuengamme verlegt und den Diago-Werken auch Zwangsarbeiterinnen zugewiesen wurden, beschwerte er sich brieflich über deren brutale Behandlung – der Brief endet ohne ‚deutschen Gruß‘ oder ‚Heil Hitler‘ mit ‚gez. Dr. Bucerius«.‘

Einschub: [Bucerius „war von 1943 bis 1945 stellvertretender Geschäftsführer der Sperrholzfabrik Diago-Werke, auf deren Gelände sich das Außenlager Tiefstack des KZ Neuengamme befand.“ (Alyn Beßmann, Hanno Billerbeck, Detlef Garbe, Lisa Herbst, Katharina Hertz-Eichenrode: Eine Stadt und ihr KZ. Häftlinge des KZ Neuengamme im Hamburger Kriegsalltag 1943-1945. Hamburg 2019, S. 38.)

Zitat aus dem oben von Theo Sommer erwähnten Beschwerdebrief von Gerd Bucerius an den Kommandanten des KZ Neuengamme über den Lagerleiter des Außenlagers Tiefstack, 26. März 1945: „Es erscheint uns auch nicht unbedenklich, dass HSchF. [Hauptscharführer] [Friedrich-Wilhelm] Kliem die seinem Lager angehörigen Frauen derart schlägt, dass das Geschrei dieser Frauen von den ebenfalls in unserem Werk beschäftigten Italienern und von anderen Gefolgschaftsmitgliedern angehört werden kann.“ (Quelle des Briefes: The National Archives London, WO 235/149. Zitiert nach: Alyn Beßmann, a. O., S. 38.] (…)

Bucerius hasste die Nazis. ‚Grund dazu hatte er ja‘, schreibt sein Biograf. ‚Das Regime hatte ihm die Karriere versperrt, die Trennung von seiner Frau erzwungen, deren Familie in den Tod getrieben, ihn selbst und auch seinen Vater immer wieder bedroht.‘ Ihm war alles recht, was das Ende beschleunigte – sogar die verheerenden britischen Bombenangriffe auf die Hansestadt. Er löste gehörigen Wirbel aus, als er in den achtziger Jahren offenherzig bekannte: ‚Ich stand an den drei Angriffstagen auf dem Dach meines Häuschens in der Hamburger Vorstadt. Oben flogen die englischen Bomber. Endlich, rief ich immer wieder, endlich!…Endlich kamen sie, die Engländer!… Um wen habe ich während des Angriffs gebangt? Um die Piloten. Sie waren ja tapfer und taten das, was ich von ihnen erhoffte. Ich habe mein Land immer geliebt. Und jetzt musste ich fast den Untergang seiner schönsten Stadt wünschen. Wie ein Monster! Nichts, was ich seitdem sage und tue, kann noch normal sein. Ein schwieriges Vaterland.‘ So war er. Manche verlangten, ihm die Ehrenbürgerwürde wieder zu entziehen. Aber er blieb unbeugsam. (…) Zur Seite stand ihm in den schweren Jahren Gertrud Bucerius, genannt ‚Ebelin‘, die er 1946 geheiratet hatte. (Die Ehe mit seiner in London lebenden ersten Frau Gretel, die einen neuen Lebenspartner hatte, war das Jahr zuvor in aller Freundschaft geschieden worden.) Er hatte sie während des Krieges in Paris kennen gelernt; seit 1944 lebten sie zusammen. Für ‚Buc‘, wie ihn alle Welt bald nannte, war sie Stab und Stütze. Sie hielt ihn moralisch aufrecht – und die Redaktion bei Laune. Noch in den sechziger Jahren holten die Redakteure ihre Weihnachtsgratifikationen bei ihr ab; zwischen brennenden Adventskerzen drückte sie ihnen die Zuwendung bar in einem Umschlag in die Hand. Auch erfand sie wohl die üppigen Gesellschaften, zu denen ihr Mann in hanseatischem Understatement ‚auf ein Butterbrot und ein Glas Wein‘ einzuladen pflegte. (…) Ein Jahr nach seinem Tod, 1996, vollzog seine Geschäftsführerin, Vertraute, Lebensgefährtin und Testamentsvollstreckerin Hilde von Lang die Transaktion. Seine Frau Ebelin lebte schon lange zurückgezogen im Tessin.“ 1)

1971 gründete Gerd Bucerius die gemeinnützige „ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius“ benannt nach dem Stifter, dem Titel der von ihm mitgegründeten Wochenzeitung Die Zeit und dem Spitznamen Ebelin seiner zweiten Frau Gertrud Ebel, geborene Müller. Nach dem Tod des Stifters und seiner Ehefrau ging das gesamte Privatvermögen des Ehepaares in die Stiftung ein.

Ebelin Bucerius, geb. Anna Gertrud Müller, geschiedene Ebel (1.10.1911 Mannheim – 9.7.1997 Brione/Schweiz) war Geschäftsführerin der Wochenzeitung DIE ZEIT und Stifterin
In ihrer Trauerrede im Juli 1997 würdigte die Mitherausgeberin der „ZEIT“, Marion Gräfin Dönhoff (1909-2002) (siehe: Marion-Gräfin-Dönhoff-Fußgängerbrücke), den Werdegang der Gattin von Gerd Bucerius folgendermaßen: „Nun werden wir Ebelin Bucerius neben Gerd Bucerius – dem bisherigen Verleger der ZEIT – begraben. Wir werden sie in Reinbek auf dem Weg zur letzten Ruhe begleiten. Sie ist in der vergangenen Woche in der Schweiz an Herzversagen gestorben.

Ebelins Leben zerfällt in zwei ganz unterschiedliche Perioden. Wer sie gegen Ende des Krieges zum ersten Mal traf, lernte eine couragierte, gescheite, amüsante junge Frau kennen. Typisch für diese Phase: Sie lebte damals, noch unverheiratet, mit Bucerius zusammen, der ständig in Gefahr schwebte, weil er als Rechtsanwalt Juden verteidigte und Oppositionelle. Wahrscheinlich war dies auch der Grund, warum der örtliche Parteifunktionär dafür sorgte, daß er einen Gestellungsbefehl bekam. Als der Briefträger ihn brachte, hat Ebelin ihn blitzschnell an sich genommen, ihn - ohne Bucerius etwas davon zu sagen - zerrissen und der Wasserspülung überantwortet. Glücklicherweise hatte die Auflösung der bürokratischen Ordnung zu jener Zeit bereits begonnen, so daß dieser Vorgang unbemerkt blieb.

Als die beiden nach Gründung der Bundesrepublik ihren Schwerpunkt nach Bonn verlegten, weil Bucerius inzwischen Abgeordneter der CDU geworden war, wurde ihr dortiges Haus zu einem besonders beliebten Treffpunkt für Minister, Industrielle, Journalisten. Und zwar aus zwei Gründen: einmal wegen der hohen Intelligenz und der politischen Einfälle von Bucerius, zum anderen wegen Ebelins entwaffnender Direktheit, gepaart mit einer gewissen Naivität und ihrem Sinn für Witz. Als die ZEIT dann wichtiger wurde als die politische Laufbahn, wurde Hamburg wieder zum Mittelpunkt. Damals formierten sich Industrie und Banken neu. Ebelin war Geschäftsführerin geworden, und mit nicht zu überbietendem Eifer knüpfte sie die Beziehungen zu jenen Institutionen.

Stiller verlief ihr Leben während der letzten zwanzig Jahre, das durch ständig wechselnde Krankheiten belastet wurde. Das Hamburger Klima trieb sie in die Schweiz, wo sie in einem schönen, von Richard Neutra erbauten Haus in einer herrlichen Landschaft lebte – aber Krankheit und Einsamkeit ließen keine Freude an diesem Dasein aufkommen.

Nun findet sie die Ruhe und den Frieden, die sie sich gewünscht hat“ (Zitat: Marion Gräfin Dönhoff zum Tode von Ebelin Bucerius. Couragiert und tatkräftig. Von Marion Gräfin Dönhoff. 18. Juli 1997. Quelle: (c) DIE ZEIT 1997, online: www.zeit.de/1997/30/ebelin.txt.19970718.xml, abgerufen 8.2.2016).

In der Biografie des Verlegers mit dem Titel „Liberal und unabhängig. Gerd Bucerius und seine Zeit“ warf der Soziologe, Politiker und Publizist Ralf Dahrendorf Streiflichter auf die „Bonner Republik“ und die „Hamburger Verlegerszene“ der bundesdeutschen Nachkriegsära. Zu den Lebensgefährtinnen von Gerd Bucerius teilte er mit: „Am 11. Oktober 1932 heiratete Gerd Bucerius Detta (Gretel) Goldschmidt (1910-1970), eine Jüdin. Diese emigrierte im Dezember 1938 nach England. Am 19. Dezember 1945 wurde die Ehe geschieden. Am 12. April 1947 heiratete er Gertrud Ebel (1911-1997), genannt Ebelin, geb. Müller, später gesch. Ebel, ihr früherer Gatte war der Kölner Friseur Heinrich Ebel“. Die beiden, Gertrud und Gerd, lernten sich 1944 im besetzten Frankreich kennen. (Dahrendorf 2000: 50 sowie „Lebenslauf Gerd Bucerius“ 2006, S. 20).

Ebelin, als Rufname der weiblichen Form, gebildet aus ihrem früheren Ehenamen „Ebel“ (genannt auch Evelyn) bzw. Gertrud, ließ sich von Bucerius zeitlebens nicht scheiden. Täglich habe er mit ihr telefonisch in Kontakt gestanden: „die tiefe Bindung, die in den Jahren 1944/45 und bis zum Anfang der 50er Jahre zwischen beiden geknüpft worden war, erwies sich als ungebrochen und unzerbrechlich, was immer sonst im Leben der beiden geschah. (...) Ebelin war Bucerius’ Frau und Ansprechpartnerin, der er seine Schwächen anvertraute, ohne doch mit ihr leben zu können; Hilde von Lang war seine Lebensgefährtin“ (Dahrendorf 2000, S. 275).
Eine persönliche Einschätzung des Archivars der ZEIT-Stiftung, Axel Schuster, rückte die Bedeutung der Persönlichkeit Ebelin Bucerius (E.B.) so ins Bild: "1951 wird E.B. zur Geschäftsführerin im Zeit-Verlag berufen, 1962 darin bestätigt. Ihr Hauptverdienst liegt in der Akquise der Anzeigenkunden für die ZEIT (und den Stern), anfangs mit Gerd Bucerius zusammen, später allein über Jahre fortgeführt. Die 50er Jahre waren durchgängig finanziell schwierig für die ZEIT, sie überlebte durch die Einnahmen aus dem Stern und durch die unermüdliche organisatorische Arbeit zweier Beteiligter, Ebelin Bucerius und Gerd Bucerius. Die beiden führten zwei Haushalte: einen in Bonn während der Bundestagsabgeordnetenzeit (1949-1962), einen in Hamburg in den 50er Jahren im Mittelweg, in den 60er Jahren in der Warburgstraße. Dann war G.B. noch fünf Jahre Bundesbeauftragter für Berlin. Wie war das alles zu schaffen? Ich denke, durch Ebelin." (E-Mail von Axel Schuster an die Autorin dieser KurzBio v. 10.7.2015).
Ebelin ist mit Gerd Bucerius (1906-1995) auf dem Friedhof Reinbek bestattet.

Diese Kurzbio wurde von Dr. Cornelia Göksu zusammengestellt, autorisiert von der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, Februar 2016

Quellen:
– Marion Gräfin Dönhoff zum Tode von Ebelin Bucerius. Couragiert und tatkräftig. Von Marion Gräfin Dönhoff. 18. Juli 1997 Quelle: (c) DIE ZEIT 1997, online: www.zeit.de/1997/30/ebelin.txt.19970718.xml, abgerufen 82.2016
– Ralf Dahrendorf (1929-2009): Liberal und unabhängig. Gerd Bucerius und seine Zeit. C.H. Beck, München 2000; zitiert als Dahrendorf 2000
– ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius (Hg.): Gerd Bucerius zum 100. Geburtstag. Im Blick anderer. Hamburg 2006

Gerd Bucerius hatte eine langjährige Lebensgefährtin: Hilde von Lang, geb. Daniels (12.10.1925 Hamburg - 3.4.2011 Hamburg),Journalistin, ZEIT-Verlegerin, Aufsichtsrätin.

Ihr Jurastudium brach sie nach dem fünften Semester ab, weil sie ein Kind bekam. Mit 42 stieg sie auf zur Mitgestalterin des Erfolges der Wochenzeitung „DIE ZEIT“. Mit 62 wurde sie Verlegerin: Hilde von Lang war von 1969 bis 1999 eine der wenigen Frauen mit Einfluss in Spitzenpositionen der Wirtschaft.

Ein Interviewporträt schilderte 1987 ihren Werdegang so: „Hilde von Lang ist eine Frau im zweiten Leben. Im ersten wurde sie Hausfrau, es dauerte 42 Jahre, endete mit Scheidung.“ Ihr Leben Nr. 2 startete sie mit Spanischkursen; fünf Jahre lang schrieb sie Adels-Klatschreportagen für die „Neue Post“ des Heinrich-Bauer-Verlags: „Als sie ihre ersten Artikel ablieferte, sagte der damalige Chefredakteur. „Viel mehr Adjektive benutzen, viel emotionaler schreiben!“ (Mopo 1987, S.18).).

In seinem Nachruf vom 8. April 2011 resümierte Altbundeskanzler Helmut Schmidt: „Erst in der Mitte ihres Lebens stieß Hilde von Lang 1969 zur ZEIT. Etwas präziser gesagt: Nachdem sie bis dahin Journalistin gewesen war, trat sie gegen ein sehr geringes Gehalt in das Verlagsgeschäft ein. In der damaligen Männergesellschaft der ZEIT muss sie eine Ausnahmeerscheinung gewesen sein.

Aber ihr gelang alsbald der Aufbau eines formidablen Stellenanzeigen-Geschäftes, das sich vor allem durch eine Fülle von akademischen Annoncen auszeichnete. Sie erkämpfte sich ihr eigenes Recht in der Kundenwerbung, in der Kundenpflege, und sie erwies sich als eine erfolgreiche Kauffrau.

Sie wurde Prokuristin, Generalbevollmächtigte und schließlich von 1985 bis 1999 Geschäftsführerin und Verlegerin. Im Laufe dieser drei Jahrzehnte hat sich unter ihrer umsichtigen Leitung die Auflage der ZEIT von einigen 300.000 auf über eine halbe Million vermehrt. (...) Vier Jahre lang (ab 1985) haben Hilde von Lang und ich als gleichberechtigte Geschäftsführer den Verlag geleitet“ (Schmidt: 2011).

Über ihre Begegnung mit Gerd Bucerius schrieb der Soziologe, Politiker und Publizist Ralph Dahrendorf (1929-2009) in seiner Biografie über Gerd Bucerius und seine Zeit: Im Juli 1968, nach „heißen Drinks“ auf einer Promiparty mit Präsentation des ersten und einzigen Films „Mattanza“ seiner Frau Ebelin auf der Insel Sylt litt Bucerius „an einer verschleppten Bronchitis, und seine Ratgeber – an denen er keinen Mangel hatte – empfahlen ihm eine Kur im sonnensicheren Süden. Die Wahl fiel auf Gran Canaria, und um sicherzugehen, dass dort das richtige Plätzchen gefunden würde, fuhr die ortskundige Frau eines «Stern»-Redakteurs, Hilde von Lang, als Vorauskommando auf die Insel. Wenn nötig, so lauteten ihre Instruktionen, sollte sie die Gäste eines Hotels “auskaufen“; es war nicht nötig. Das Ehepaar Bucerius erschien in einer Privatmaschine, die Ebelins zahlreiche Koffer kaum halten konnte. Dennoch hatte Frau Bucerius nach vier Tagen genug von dem damals noch einsamen Flecken und reiste ab. Bucerius blieb; er und Hilde von Lang kamen sich bald nahe. Sie, die Tochter der angesehenen Hamburger Kaufmannsfamilie Daniels, ist nicht nur eine blendende

Erscheinung, sondern auch das, was man früher eine „patente Frau“ nannte. Intelligent, vielseitig interessiert, ist sie zugleich lebenstüchtig und steht mit beiden Füßen fest auf dem Boden. Was Brot kostet, wie man mit der U-Bahn fährt und andere Realien des Lebens erfuhr Bucerius zum ersten Mal durch Hilde von Lang. Sie wurde seine ganz und gar unentbehrliche Partnerin für das verbleibende Vierteljahrhundert seines Leben“ (Dahrendorf, S.185f.).

Als frisch gebackene Verlegerin erinnerte sich Hildegard von Lang 1987 an ihre härteste Früh-Zeit bei Gerd Bucerius: „Ich habe ihn gefragt, ob ich bei ihm nicht irgendetwas Redaktionelles machen kann. Nein, das wollte er nicht. (...) Bucerius wollte im Blatt einen Teil mit Stellenanzeigen aufbauen. Ich bekam die undankbare Aufgabe, gegen Honorar einen Stellenteil zu konzipieren und auf Reisen zu gehen. In die großen Firmen und zu sagen: ‚Bitte geben Sie uns Stellenanzeigen, wir haben zwar noch keine, aber wir werden welche haben’. Das war sehr schwierig. Ich musste an den Sekretärinnen vorbeikommen, was nicht immer einfach ist“ (Mopo 1987, S. 17). „Sie reiste herum, übernachtete in billigen, kleinen Hotels. ‚Ich habe mir damals meist eine Tafel Schokolade gekauft und mich ins Bett gelegt, weil ich nicht allein essen gehen wollte.’ Heute, sagt sie, kann sie sich das nicht mehr vorstellen; aber die Härte der Chefin stammt auch aus dieser Zeit. Bucerius hat sie gefördert, aber nicht verhätschelt. Dann aber wusste er, dass sie unentbehrlich für ihn geworden war, und das nicht nur als Verlagsleiterin, sondern als Gesprächsfreundin, ja als verlässliche Partnerin in allen Dingen. Beide fuhren nicht nur gemeinsam in die Ferien, sondern lebten auch am Leinpfad zusammen. Sie sprachen über vieles, wobei die Tätigkeiten des Tages sich immer wieder vordrängten“ (Dahrendorf, S. 275).

Nicht nur Helmut Schmidt beschäftigte sich rückblickend mit der schwierigen Durchsetzungsrolle von Hilde von Lang. Auch Bucerius-Biograf Ralf Dahrendorf schrieb darüber: „Hilde von Lang hatte es lange Zeit nicht leicht, sich in einer Welt von Klatsch und Männerchauvinismus durchzusetzen. In einem ‚Report’ über ‚Sex und Karriere’ in dem illustrierten Magazin ‚Tempo’ bemühte sich die Autorin vergebens, Hilde von Lang die ‚Sex-und-Karriere-Nummer’ anzudichten, berichtete jedoch korrekt, dass Bucerius ihr den Anzeigenteil der „ZEIT“ zugedacht hatte. Sie arbeitete überaus fleißig. Er schätzt ihre Nähe. Bald gilt sie als seine ‚Begleiterin'“ (Dahrendorf, S. 275). Sie selbst urteilte: „Bucerius hat mich sehr gefördert. Wie er auch Gräfin Dönhoff, von Anfang an, eine Chance gegeben hat. Aber je höher Sie kommen, desto schwieriger wird es mit Männern. Da müssen Sie immer einen Tick mehr können. Sachlich und vom Einsatz (Mopo 1987, S. 17).

1977 setzte sie Gerd Bucerlus als Geschäftsführerin ein. Ab 1989 war sie allein zeichnungsberechtigt. Bis zu ihrem Tod fungierte Hilde von Lang als Mitglied im Aufsichtsrat. Von 1977 bis 1989 war sie zudem Beisitzerin im Vorstand des Zeitungsverlegerverbandes Hamburg und bis 1999 Stellvertretende Vorsitzende der Landesorganisation. Daneben vertrat sie den Zeitungsverlegerverband als Delegierte beim Bundesverband deutscher Zeitschriftenverleger BDZV. Von 1997 bis 1999 gehörte sie dem Kuratorium der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius an.

Nach dem Tod von Gerd Bucerius verkaufte Hilde von Lang 1995 als dessen Testamentsvollstreckerin den ZEIT-Verlag an die Verlagsgruppe Holtzbrinck. Der Verkauf war schon zu Bucerius' Lebzeiten vorbereitet und notariell verfügt worden.

Nach langer, schwerer Krankheit starb Hilde von Lang 2011 im Alter von 85 Jahren. „Prinzipalin“, Preussische Haltung“, aber auch „Hamburger Deern“, so beschrieben die Gäste der Trauerfeier Hilde von Lang, darunter Wilhelm Wieben oder Giovanni di Lorenzo. „Herausgeber Helmut Schmidt ließ ausrichten, er bedauere es unendlich, wegen eines anderen Termins nicht kommen zu können.

Für die Familie sprach ihr Neffe, der Mediziner Dr. Thies Daniels: ‚Liebe Hilde, Du warst nicht die liebende Sonne, aber mein Orientierungs-Stern, dessen Anerkennung ich mir wünschte’. Von seinen ersten Erinnerungen als Zehnjähriger im gemeinsamen Urlaub auf Sylt bis zu seinem letzten Anruf an ihrem Sterbetag berichtete er in seiner Trauerrede. Im Tod habe sie ihn an die Nofretete erinnert. Er beschrieb, wie sie bis zuletzt Haltung, Würde und auch ein wacher Geist auszeichneten: ‚Anders als die meisten Älteren, warst Du am Hier und Jetzt interessiert’. Auch zuletzt habe noch ein aufgeschlagenes Spiegel-Magazin auf ihrem Tisch gelegen. Dr. Theo Sommer, Journalist und einstiger Zeit-Herausgeber, erinnerte an seine Kollegin und ihre Leistung: ‚Wir sind ein Vierteljahrhundert ein gutes Gespann gewesen’.“ (vgl. Bergedorfer Zeitung online v. 14.4.2011).

Sie ist neben Gerd Bucerius (verstorben 1995) und dessen Gattin Ebelin (eigentlich Gertrud, geschiedene Ebel, die sich von Bucerius zeitlebens nicht scheiden ließ und täglich mit ihm in Kontakt stand; gestorben 1997), auf dem Friedhof Reinbek begraben.

Dr. Cornelia Göksu