Cranachplatz
Groß Flottbek (1916): Lucas Cranach d. A. (4.10.1472 Kronach -16.10.1553 Weimar); Maler, Zeichner, Holzschnitzer, Kupferstecher
Siehe auch: Luthergrund
Siehe auch: Cranachstraße
Um 1512/13 heiratete der damals 40-jährige Cranach Barbara Brengbier (gest. 1541). Das Paar bekam fünf (andere Quellen nennen sechs) Kinder. Gemeinsam mit seiner Frau war er 1525 Trauzeuge bei der Hochzeit von Luther (siehe: Luthergrund, Lutherhöhe und Martin-Luther-Straße) mit Katharina von Bora und Taufpate von Luthers ältestem Sohn. Als Witwer lebte Lucas Cranach bei seiner Tochter Barbara Cranach.
In Wikipedia steht zu Lucas Cranach u. a.: „Der Chronist Matthias Gunderam berichtete 1556, dass Cranach am 4. Oktober 1472 in Kronach geboren sei und bei seinem Vater, dem wohlhabenden Kronacher Bürger Hans Maler, die erste künstlerische Ausbildung erhalten habe, dessen Ehefrau Barbara war eine geborene Hübner. Urkundliche Belege zur Herkunft Cranachs und zu seinem Geburtsdatum gibt es nicht. Ausgehend von Gerichtsakten aus dem Jahr 1495, in denen es um das schlechte Betragen der Malerkinder geht, wird das Geburtsjahr 1472 von der jüngeren Forschung bezweifelt und nur noch vage auf ‚um 1475‘ datiert. Cranach hatte mindestens sechs Schwestern und zwei Brüder. Ihre Mutter Barbara verstarb um das Jahr 1491. Nach der ersten künstlerischen Ausbildung dürfte Lucas als Geselle auf Wanderschaft gegangen sein. 1502 kam er nach Wien und blieb dort bis 1504. (…). In Wien knüpfte er erste Kontakte zu führenden Humanisten. Während seines Wiener Aufenthalts begann Cranach, seine Bilder mit Lucas Cranach (‚Lucas [aus] Kronach‘) zu signieren.“1)
„1505 erhielt Cranach die begehrte Anstellung als Hofmaler von Friedrich dem Weisen und diente auch dessen Nachfolgern bis zu seinem Tod 1553. Im Auftrag der sächsischen Kurfürsten schuf er Portraits der fürstlichen Familie, Holzschnitte von Jagden und Turniere, entwarf Hofgewänder und dekorierte die Räume der sächsischen Schlösser.
Um 1511 verlegte er seine Malwerkstatt in ein Haus am Wittenberger Marktplatz und arbeitete seit dieser Zeit vermehrt auch für andere europäische Fürsten. Seine Altarbilder, Portraits und Holzschnitte erfreuten sich großer Beliebtheit. Besonders gut verkauften sich seine Aktgemälde, in welchen er Adam und Eva, Lucretia oder die Venus darstellte.“ 2)
In Wikipedia heißt es weiter zu Lucas Cranach: „Um 1512/13 heiratete Cranach Barbara Brengbier († 1541), eine Tochter von Jobst Brengbier, dem Bürgermeister von Gotha Sein ältester Sohn Hans wird geboren und 1515 Lucas, bis 1520 folgen drei Töchter.“ 1) Die drei Töchter sind: „Barbara († 1601), seit 1543 verheiratet mit dem sächsischen Kanzler Christian Brück. (…). Ursula (Lebensdaten unbekannt), erste Heirat am 3. Mai 1537 (Ehemann unbekannt), zweite Heirat 1544 mit dem Gothaer Bürgermeister Georg Dasch. Anna (* unbekannt; † 30. Juni 1577[), verheiratet mit dem Wittenberger Apotheker und Bürgermeister Caspar Pfreund.“ 1)
Und weiter heißt es über Cranachs beruflichen Lebensweg: „Als guter Geschäftsmann suchte Cranach früh nach anderen Einnahmequellen. 1520 erhielt er das Apothekerprivileg in Wittenberg. Er betrieb zeitweise den städtischen Ratskeller, eine Druckerstube, betätigte sich als Verleger, Weinhändler und Vermieter. So gehörte er zu den reichsten und wichtigsten Bürgern Wittenbergs. Er wurde mehrfach zum Kämmerer und mehrfach zum Bürgermeister der Stadt gewählt.
Trotz der großen Anzahl weltlicher Bilder, ist Lucas Cranach heute in erster Linie als Maler der Reformation bekannt. Er portraitierte viele der Wittenberger Reformatoren, illustrierte deren Schriften und ließ 1522 in seiner Druckerei das sognannte Septembertestament drucken. Auch die 1534 gedruckte Gesamtdeutsche Bibel wurde mit Holzschnitten aus der Cranach-Werkstatt versehen. Der Maler trug damit wesentlich zum Erfolg der Reformation bei. (…) Als der sächsische Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige im Schmalkaldischen Krieg in Gefangenschaft geriet, folgte Cranach ihm nach Augsburg und später nach Weimar, wo er am 16. Oktober 1553 starb.“ 2)
Cranachs Frauenbildnisse
Zu Cranachs Frauenbildnissen schreibt der Kulturkritiker Georg Seeßen in seinem ZEIT-Artikel „Die Reformation der Bilder – Die Cranachs und ihre protestantische Bilderfabrik“ u. a. über das Bild „Venus mit Amor als Honigdieb“: „Zu den berühmtesten Motiven zählen sicherlich Cranachs Darstellungen von Venus mit Amor als Honigdieb. Mehr als 20 Gemälde-Fassungen sind erhalten, zwei davon hängen im Germanischen Nationalmuseum. Cranach zeigt die antike Göttin der Liebe als überschlanke, sich grazil zur Schau stellende Jungmädchen-Frau mit einem feinen, den Körper eher enthüllenden als verbergenden Schleier. Zu ihren Füßen steht ihr Sohn Amor, der beim Versuch, eine Bienenwabe zu stehlen, gestochen wurde und nun verlegen seinen Finger betrachtet. Ein Text erklärt, dass uns in gleicher Weise die kurze, vergängliche Wollust verletze: Auch sie sei mit herbem Schmerz verbunden.
Cranachs Venus-Darstellungen sind neu und ungewöhnlich. Sie orientieren sich weniger am Vorbild der Antike, sondern erwecken vielmehr das seit der Mitte des 15. Jahrhunderts vertraute Schönheitsideal zu neuem Leben. Der elegante Frauentypus traf offenbar genau den Geschmack einer Zeit, die in Vorbereitung des Manierismus mit Natur und Antike eine neue Sinnlichkeit und stilisierte Künstlichkeit anstrebte. (…)
Das Motiv des Honigdiebs (…) geht auf ein Gedicht aus den Theokrit zugeschriebenen Idyllen zurück. (…).
Die Inschrift der verschiedenen Versionen von Venus und Amor als Honigdieb ist grundsätzlich dieselbe. Über die Erzählung Theokrits hinaus wird diese von Cranach durch eine moralische Erläuterung ergänzt: ‚So wie das flüchtige Verlangen nach süßem Honig das Risiko des Bienenstichs mit sich bringt, können uns die kurzen Freuden der Liebe langanhaltend Schmerzen bereiten.:
(..) hier wird der Betrachter also (..) vor die Wahl zwischen der Versuchung flüchtiger Liebe - symbolisiert durch den Honig - und Mäßigung, bzw. moralische Reflexion deren Konsequenzen gestellt, (…).
Cranach war der erste Maler auf unserer Seite der Alpen, der die antiken Mythen mit dem weiblichen Akt besetzte. (…)
Die erotisch wirkenden Aktdarstellungen waren mit einem zentralen Gedanken der reformatorischen Gnadenlehre durchaus vereinbar: Demnach kann der Mensch – trotz der Gebote des alten Testaments – den sündhaft-verführerischen Reizen des nackten Körpers nicht widerstehen und ist Verderben und Unheil ausgeliefert; nicht allein moralische Willensstärke, sondern nur göttliche Gnade kann ihn aus diesem Dilemma erretten. Diesem protestantischen Dogma kommt eine möglichst natürlich-erotische Ausstrahlung des nackten Körpers entgegen. Der Betrachter erliegt den erotischen Reizen der bildlichen Darstellung und tappt (…) in die Falle der Moral. Der neue Mensch beginnt zu erkennen, dass er nicht einen Körper hat (der von vornherein verdammt ist), sondern ein Körper ist. (…).
Und noch etwas Heikles war um Cranachs erotische Bilder, führten sie doch zu einem bemerkenswerten Rückschlag in der Verbürgerlichungsgeschichte der Kunst. Denn während sich die reformatorischen Religionsbilder und die bürgerlichen Subjekt-Portraits gleichsam nahtlos in den kulturhistorischen Prozess eingliedern ließen, wurden die Nackt-Bilder, die keinen öffentlichen Raum zieren konnten, und die auf den Widerstand der neuen Eiferer stießen, zu einem Lieblingsobjekt der Adeligen. Sie eigneten sich durch die Kunst eine erotische Liberalität an, die sich die neuen Bürger nicht erlauben konnten, die dem neuen protestantischen Eros heftig widersprach. Was zunächst als Befreiung begonnen hatte, wurde zur Beute.“ 3)
Cranach und Antijudaismus
Sowohl Cranachs als auch Luthers Judenfeindschaft zeigt sich u. a. an dem Wittenberger Reformationsaltar der Stadtkirche in Wittenberg. Luther erteilte Lucas Cranach den Auftrag für ein Abendmahlbild. Mit diesem und anderen Bildern machte Luther: „gemeinsam mit seinem engsten Vertrauten und Freund, dem Maler Lucas Cranach dem Älteren, Bilder zu einem wirkungsvollen Instrument, das Gedankengut der Reformation zu verbreiten. Bereits in den Dreißiger Jahren erteilt Luther den Auftrag für ein Abendmahlsbild (…). Aber erst 1547, ein Jahr nach Luthers Tod, stellt die Gemeinde den von Lucas Cranach dem Jüngeren vollendeten dreiflügeligen Reformationsaltar im Altarraum der Stadtkirche [Stadt- und Pfarrkirche St. Marien zu Wittenberg] auf. (…), “ 4) so Monika Lengelse, Dozentin für Kunstgeschichte und nebenamtliches Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Sie interpretiert das Bild wie folgt: „Judas fällt auf. Er unterscheidet sich von allen anderen. Hässlich ist sein Profil, rot, ungepflegt sein Haar. So malen Künstler den Verräter im Mittelalter, wie noch kurz zuvor Hans Holbein der Ältere auf dem Hochaltar der Frankfurter Dominikanerkirche. Doch Cranach begnügt sich weder mit dieser negativen Charakterisierung noch mit der sonst üblichen, gelben Bekleidung. Als mächtige Rückenfigur, die in besonderer Weise hervorsticht, setzt er Judas in Szene. Während die Jünger einfarbige Gewänder mit ruhigem Faltenwurf tragen, bekleidet Judas auffällig ein von einem Gürtel geraffter, gebauschter, gelber Überrock. An Armen und Beinen wird darunter ein grell rot leuchtendes Unterkleid sichtbar. Zweifarben, zwiefarben, zwielichtig ist seine Erscheinung. Die Farben offenbaren sein wirkliches Wesen. Rot ist die Farbe des Verräters und rot ist die Farbe des Teufels. Gelb ist die Farbe der Galle, des Neides, besonders aber ist Gelb die Schandfarbe des Ringes, der den Juden schon seit dem 4. Laterankonzil 1215 auferlegt war zu tragen. Judas erscheint auf diesem Bild als einer von ihnen. Auffällig dreht er seinen linken Arm nach hinten. In der Hand hält er einen reich verzierten Beutel mit Geldstücken. Es sind die 30 Silberlinge, der Lohn für seinen Verrat. Doch entgegen den sonst üblichen Darstellungen versteckt Judas hier heimlich den Beutel hinter seinem Rücken wie ein gemeiner geldgieriger Dieb (…).
Noch sitzt Judas am gemeinsamen Tisch, noch füllt sein Bein die Banklücke, doch nicht mehr lange. Sein nackter Fuß ist schon zum Absprung bereit, um Jesus auszuliefern. Der Verräter hat längst die Seiten gewechselt, wie Cranach zeigt. Allein, der Maler begnügt sich nicht nur mit der Darstellung der Judasfigur aus der erzählten Passionsgeschichte. Durch Farbwahl und Komposition malt er ihn zugleich als Verworfenen, als Christusverräter, als Christusfeind. Judas, der Jude, ist ausgeschlossen von dem Geschehen, das sich wie ein Kontrapunkt auf der rechten Bildseite ereignet. (…)
In rotem Gewand, von vornehmer Gestalt, tritt ein junger Mann zu den Jüngern. Obwohl groß von Statur, fügt sich sein Kopf harmonisch in den Kreis der Versammelten. Auch auf dieser Seite des Bildes wird eine Gestalt besonders hervorgehoben. Doch im Gegensatz zu Judas wendet sie sich ganz dem Betrachtenden zu und blickt zugleich offen dem Eintretenden entgegen, empfängt dabei andächtig den dargebotenen Becher des Abendmahls. Es ist Martin Luther mit den Zügen des Junkers Jörgs, dem Lucas Cranach der Jüngere den Kelch der Sündenvergebung, den Kelch des Heils reicht. Hier nun verlässt das Bild die biblische Erzählebene. Es wird zum Erinnerungsbild an den Reformator, der den Laienkelch der Gemeinde wieder gab und die Bibel, die oberste Autorität für den christlichen Glauben, in die deutsche Sprache übersetzt hat. Deshalb sitzt neben Luther auch Hans Lufft, der Herausgeber der ersten ‚Lutherbibel‘ von 1534.
So wie für Martin Luther der Sinn der Schrift nicht in den Buchstaben steckt, sondern in ihrem Geist, als lebendiges Wort Gottes, so ist auch der Wittenberger Altar mehr als ein Gemälde. Als gemaltes Wort verkündet er im Bild des Abendmahls die befreiende, immer gegenwärtige biblische Botschaft vom gekreuzigten Christus, seinem Leiden und die Vergebung der Sünden für alle, die aus Gnade an ihn glauben. Doch im Bild von Judas, dem Verräter, dem Christusfeind, klingt eine Judenfeindschaft an, die in Schriften Martin Luthers in erschreckender Weise zum Ausdruck kommt.“ 5)