Doraustieg
Tonndorf (1996): Fritz Dorau (13.7.1911 Berlin -11.1.1988 Hamburg), ab 1948 Pastor der Kirchengemeinde Tonndorf
Dorau wurde im April 1939 in Berlin-Steglitz (Markuskirche) ordiniert, dann arbeitete er als Hilfsprediger in Berlin-Oranienburg, später als Hilfsprediger in Hohen-Neuendorf bei Berlin.
In Zweiten Weltkrieg wurde er als Soldat eingesetzt und kam in englische Kriegsgefangenschaft. Zum 1. Juli 1945 wurde er Pastor in Büchen-Pötrau. Zum 1. Mai 1947 erhielt er einen Dienstauftrag nach Hamburg (Hoheluft), zum 1. Juli 1948 eine Stelle in Hamburg (Wandsbek, Tonndorf). Im Januar 1950 wurde er Pastor in Hamburg Tonndorf. Dort blieb er bis zum Eintritt in den Ruhestand im August 1979.1)
Fritz Dorau war der erster Tonndorfer Pastor. „Er (…) hatte seine theologische Prägung durch die evangelische Jugendbewegung der Schülerbibelkreise sowie durch die Bekennende Kirche erfahren, hatte in Oranienburg als Hilfsgeistlicher begonnen, war dann im Kirchenkampf von den Nazis aus dem Amt entfernt und letztlich durch den Krieg nach Hamburg verschlagen worden. 1948 wurde ihm die neue Pfarrstelle für Tonndorf angeboten. ‘Der Ort hatte damals nichts Verlockendes:
Armes Dorf mit vielen Notunterkünften. Die einzige Straße, die ich mit Namen kannte, war die Stein-Hardenberg-Straße. Sie sah damals trostlos aus — Müllstraße mit Ley-Häusern. Aber da mir damals nichts Besseres geboten wurde, nahm ich den Ruf nach Tonndorf an, was ich aber später auch nicht bereut habe‘, heißt es in seinen persönlichen Erinnerungen.“ 2)
Und weiter erinnerte sich Fritz Dorau: „Verlockend sah dies Tonndorf damals nicht aus. Kein eigener Raum! Als einzige mögliche Predigtstätte nur der kleine Turnsaal! So erging der Ruf damals an mich, doch hier mit dem Aufbau der Gemeinde zu beginnen. Pastor Dr. Jensen und auch der damalige Propst Hansen-Petersen machten mir Mut. So kam ich am 1.7. 1948 als erster Pastor nach Tonndorf, die Währungsreform war gerade durchgeführt. Unterricht gab ich auch in den Klassenzimmern der alten Schule. Ich erinnere mich noch, wie die Konfirmandinnen, die damals fast alle noch Zöpfe trugen, neugierig nach dem neuen Pastor Ausschau hielten, der ja noch ‚ganz jung‘ sein sollte. Es waren nette Konfirmanden, mit denen ich damals anfing, die Gemeinde Tonndorf aufzubauen.
Der Kirchenraum hatte zwar eine Primitivität, wie wir sie uns heute kaum vorstellen können. Die Erwachsenen - es waren meist ältere Leute – saßen auf niedrigen Bänken ohne Leime, die Jugendlichen auf den Harren und Leitern, die am Rande des Raumes standen. Als Altar diente ein wackeliger Tisch, (Größe etwa 100 x 60 cm) daneben stand ein noch wackeligeres Harmonium. ‚Organist‘ war ein damals 12-jähriger Junge, der es aber später zu einem recht angesehenen Organisten unserer Kirche gebracht hat. Gesangbücher waren die kleinen Militärgesangbücher, in denen noch die Gebete für Adolf Hitler standen.
Eine Wohnung bzw. 1 Zimmer für den Pastor war auch nicht vorhanden. Ich wohnte damals am anderen Ende von Hamburg und brauchte mindestens 1 1/2 Stunde Fahrzeit, um in meine Gemeinde zu kommen: Aber langsam ging es bergan. Zum Erntedankfest 1948 konnten wir die dürftig wiederhergestellte Friedhofskapelle auf dem Tonndorfer Friedhof zu Gottesdiensten benutzen. Das war ein außerordentlicher Fortschritt. Der Besuch der Gottesdienste stieg schnell an, oft hatten wir schon damals 140 bis 180 Besucher. (…).
Jetzt fand der Pastor auch ein möbliertes Zimmer, wo er dann auch nach seiner Heirat drei Jahre lang wohnte. In dem Zimmer wurde gewohnt geschlafen - und wenn es sein mußte - gekocht. Bald kam dann auch ein kleines Amtszimmer hinzu. Eine eigene Küche oder WC gab es nicht. (…).
1951 wurde dann das Friedhofsverwalterhaus wiederaufgebaut, wo nun auch der Tonndorfer Pastor eine kleine Dreizimmerwohnung im Dachgeschoß erhielt. Konfirmanden- und Jugendstunden, auch die Bibelstunde sowie die Frauen- und Männerabende fanden in dem damals noch längst nicht so gut ausgestatteten Warteraum der Friedhofskapelle statt. Und oft genug begegneten den abendlichen Besuchern im Dunkeln Männer, die einen Sarg im Nebenraum abstellten. Wer damals in der Friedhofskapelle Licht anknipsen wollte, mußte in den Aufbewahrungsraum der Leichen, weil dort der einzige Schalter war. Wie oft mußte ich die jungen Mädchen ermahnen, ihre Mäntel doch nicht auf die Leichenbahren ablegen zu wollen. Es war sicher ein gespenstisches Bild, wenn zu später Stunde Frauen mit Kaffeekannen über den dunklen Friedhof huschten; denn der Kaffee für ein gemütliches Beisammen sein mußte ja erst in der Pfarrerswohnung im gegenüberliegenden Verwalterhaus gekocht werden.
Doch 1953/54 kam dann die große Wende. Tonndorf bekam eine eigene Kirche und auch ein Gemeindehaus mit Pfarrwohnung an der Stein-Hardenberg-Straße. Mit wenig Mitteln, die der Kirchengemeindeverband Wandsbek bereitstellen konnte, baute der Architekt Dipl. Ing. Richard Starck aus Jenfeld Kirche und Gemeindehaus. Der Bau der Kirche kostete damals gute 100.000 DM und hatte doch Raum für etwa 400 Besucher. Die Kirche erhielt gleich zu Beginn eine Kemper-Orgel mit 13 Registern, fünf Jahre später dann die großen Glas-Betonfenster, die den Heilsweg darstellen. (…).
Rückschauend auf die kirchliche Entwicklung kann man wohl sagen, dass sie bei der Jugend anfing. Die Jugendlichen waren die ersten, die regelmäßig in Kreisen zusammenkamen. Ihnen folgten dann die Mütter und die Großmütter, schließlich fand sich auch ein treuer Stamm von Männern, aus denen dann auch der erste Kirchenvorstand erwuchs. Im Januar 1950 war ich als 5. Pastor der Kreuzkirche mit dem Amtssitz in Tonndorf feierlich durch den damaligen Propsten Hansen-Petersen in das Amt eingeführt worden. (…). Nun war auch der Weg frei zu einer selbständigen Kirchengemeinde Tonndorf, die 1950 staats- und kirchenrechtlich bestätigt wurde.“ 3)