Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Stein-Hardenberg-Straße

Tonndorf (vor 1949): Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein (25.10.1757 Nassau – 29.6.1831 Cappenberg/Westfalen) und Karl August Fürst von Hardenberg (31.5.1750 Essenrode – 26.11.1822 Genua), Staatsmänner.


Siehe auch: Hardenbergstraße
Siehe auch: Arnimstraße

Vorher hieß die Straße Hindenburgstraße.

Die Straße wurde nach zwei Personen benannt, die nicht verwandt sind, die aber beruflich miteinander zu tun hatten. Karl August von Hardenberg war der Nachfolger von Heinrich Friedrich Karl von und zum Stein und führte die Reformen seines Vorgängers weiter.

Joachim Kühn verdeutlicht in seinem Aufsatz „Hardenberg und die Frauen“ den Unterschied zwischen den beiden Männern: „Von den beiden Staatsmännern, die nach dem Tilsiter Frieden den Neubau Preußens an führender Stelle in die Wege leiteten, hat Stein im Bewusstsein der Nation stärkere Spuren hinterlassen, als Hardenberg. Das ist nicht verwunderlich. Stein mit seiner Unbedingtheit, seiner souveränen Nichtachtung der elementarsten Vorsicht, die im Sommer 1808 infolge seines Briefes an den Fürsten Wittgenstein Europa erschütterte, seine Untergrundarbeit in Prag und Petersburg, alles das ließ ihn vor der Mitwelt und der Nachwelt als den kompromißlosen Gegner Napoleons erscheinen, während Hardenberg in seiner verbindlichen, stets alle Möglichkeiten berücksichtigenden und offenhaltenden Art, die sich sogar zu einem Bündnis mit dem Franzosenkaiser verstand, während er zugleich die engste Fühlung mit den Patrioten – zunächst um Louis Ferdinand, später um Gneisenau und Scharnhorst – pflegte, als niemals vollkommen aufrichtiger Diplomat weiterlebte; man ließ dabei außer acht, daß er auf diese Weise eine Aufgabe meisterte, der Stein nie gewachsen gewesen wäre, der Aufgabe, das geschlagene, verstümmelte, isolierte Preußen zwischen der harten, Vernichtungsabsichten nicht ausschließenden Realpolitik Napoleons und der unentschlossenen Lauheit des Kaisers Alexander hindurchzusteuern, bis die Zeit reif war, ein immer noch gewagtes, aber doch aussichtsreiches Bündnis mit Rußland zu schließen und, auf dieses gestützt, auch seinerseits den Kampf gegen Napoleon aufzunehmen.“ 1)

Zu: Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein
Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein, Freimaurer, preußischer Beamter, Minister für Wirtschaft und Finanzen in Berlin. „Er war zusammen mit Karl August von Hardenberg nach dem Frieden von Tilsit der Hauptbetreiber der Preußischen Reformen seit 1807. Wegen seiner antinapoleonischen Haltung musste er bereits 1808 ins Exil gehen; 1812 nahm ihn der russische Zar Alexander I. als Berater in seine Dienste. Während der Befreiungskriege [siehe zum Thema Befreiungskriege unter: Schillstraße, R. B.] verwaltete Stein als Leiter der Zentralverwaltungsbehörde die von Napoleon zurückeroberten Gebiete in Deutschland und Frankreich.“ 2)

In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über Heinrich Friedrich Karl vom und zum Steins Herkunft und berufliche Anfänge: „S. wuchs in Nassau auf, wo seine Mutter (M Henriette Caroline (1721–83), Tochter d. Philipp Reinhard Frhr. Langwerth v. Simmern (1673–1729), Baden-Durlach. Oberstall- u. Oberjägermeister, u. d. Christine Reichsfreiin v. Gemmingen-Hornberg (1686–1748) [sie hatte 10 Kinder und war verheiratet mit Carl Philipp (1708–88) vom und zum Stein, Kammerherr, Rr.rat d. Reichsrr.schaft, Kt. Mittelrhein, R. B.] den Familiensitz zu einem Treffpunkt der geistigen Elite gemacht hatte, mit der die Geschwister somit früh in Kontakt kamen. Nachdem er durch einen Fideikommiß zum präsumtiven Erben des Hauses bestimmt worden war, ging S. im Alter von 15 Jahren an die Univ. Göttingen, (…). Nach der ‚Kavaliersreise‘ mit längeren Aufenthalten in Wetzlar, Regensburg und Wien trat er 1780 in preuß. Dienste und wurde der Bergwerksverwaltung zugeordnet, (…). Nach einer intensiven Ausbildung, die zahlreiche geognostische Reisen einschloß, bemühte sich S. seit 1784 als Leiter der westfäl. Bergbauverwaltung um Modernisierungen im Montangewerbe und dessen stärkere staatliche Kontrolle.“3)

Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein machte berufliche Karriere in der Verwaltungsebene. So wurde er zum Beispiel Kammerpräsident von Kleve und Minden und schließlich 1804 Minister für Wirtschaft und Finanzen, wurde aber im Januar 1807 vom König Friedrich Wilhelm III. entlassen. Bereits wenige Monate später wurde er wieder als Minister eingesetzt und sorgte: „für den raschen Erlaß eines Edikts zur ‚Bauernbefreiung‘ und für den Erlaß einer Städteordnung sowie weiterer Verwaltungsreformen. Insgesamt blieben diese Maßnahmen allerdings ein Torso und konnten situationsbedingt nicht zu einem ‚Gesamtpaket‘ weiterentwickelt werden. Durch Kontributionsverhandlungen mit der franz. Besatzungsmacht stark belastet, arbeitete S. vergeblich auf den Entschluß zum militärischen Widerstand gegen Napoléon hin, geriet innenpolitisch mehr und mehr unter Druck und reichte im Nov. 1808 sein Entlassungsgesuch ein. Wegen vermeintlicher Anzettelung antifranz. Aufstände von Napoléon geächtet, fand S. in Böhmen Exil, wo er seine Verbindungen zum europ. Widerstand gegen den ‚Kaiser der Franzosen‘ aufrechterhielt (…). Zar Alexander I. holte ihn im Frühsommer 1812 als Berater in dt. Angelegenheiten nach Rußland, wo S. mit Ernst Moritz Arndt (1769–1860) [siehe: Arndtweg] publizistisch-subversive Aktivitäten entwickelte, bevor er nach der Entscheidung des Zaren, den Krieg auch über die russ. Grenzen hinaus fortzusetzen, mit der Verwaltung der eroberten dt. Territorien betraut wurde. Nach Abschluß der Dreierkoalition zwischen Rußland, Preußen und Österreich zum Leiter einer Zentralverwaltungskommission bestellt, war S. für die Logistik des Kriegs und die Verwaltung der aus dem franz. Staatsverband gelösten Territorien (und später auch der besetzten franz. Provinzen) von zentraler Bedeutung.“ 3)

Doch dann wendete sich wieder das Blatt. „Wegen seines schlechten Verhältnisses zu Hzg. Friedrich August von Nassau und dessen Nachfolger Wilhelm zog sich S. nach dem [Wiener] Kongreß zunehmend von seinem Gut in Nassau zurück, das er gleichwohl ausbaute und zum Empfang von Gästen nutzte, und verlagerte seinen Lebensmittelpunkt nach Westfalen, wo er die zu einer Standesherrschaft aufgewerteten Herrschaften Cappenberg und Scheda erwarb. Hier prägte er die ersten drei Westfäl. Provinziallandtage in offizieller Funktion als Marschall (seit 1826). (…).“3)

Steins Schwestern
Da wäre Marianne vom und zum Stein zu nennen (1753 im Steinschen Schloss in Nassau – 7.11.1831 Homberg (Efze)), Stiftsdame seit 1783 im 1759 gegründeten evangelischen Stift Wallenstein, „einer Versorgungseinrichtung für gräfliche und adlige Frauen ‚beider Konfessionen‘ (lutherisch und reformiert) in Homburg (Efze). „Sie war von Oktober 1796 Dechantion und vom 7. August 1823 bis zu ihrem Tode Äbtissin des Stifts. Ihr Bruder, der Staatsmann und Reformer Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein, war in der Zeit von 1801 bis 1804 Stiftsdirektor. (…). Im Auftrag ihres Bruders verwaltete sie den Besitz der Familie.

1809 war sie an den Vorbereitungen des Dörnberg-Aufstandes gegen Jérome Bonapart beteiligt. Zur Vorbereitung trafen sich die Verschwörer konspirativ im Stift Wallenstein im Homberger Stadtteil ‚Freiheit‘. Die Stiftsdame Karoline von Baumbach soll die rot-weiße Fahne der Verschwörer gestickt haben, die Marianne vom Stein und ihre Co-Äbtissin Charlotte von Gilsa dem Dörnberg'schen Corps, einigen tausend schlecht bewaffneten Bauern und einem kleinen Kern erfahrener Soldaten, auf dem Marktplatz von Homberg vor ihrem Abmarsch nach Kassel feierlich übergaben.

Nach dem schnellen Ende des Aufstandes floh Dörnberg nach Böhmen. Marianne vom Stein, Karoline von Baumbach und andere Stiftsdamen wurden verhaftet. Marianne vom Stein wurde nach Paris gebracht, wohl auch wegen ihrer Verwandtschaft mit dem bekannt Napoleon-feindlichen Bruder, und erst im Frühjahr 1810 wieder entlassen. Das Stift wurde königlich-westphälischer Verwaltung unterstellt und sein Vermögen beschlagnahmt.“ 4)

Eine weitere Schwester von Karl vom und zum Stein hieß Johanna Luise von Werthern, geb. Freiin vom und zum Stein (28.2.1752 Nassau – 8.3.1811 Dresden

In ihrem Wikipedia-Eintrag heißt es über sie: „In ihrer Jugend wurde sie von Karl August von Hardenberg sehr verehrt, der ihr aber seine Liebe nie gestanden haben soll. (…) Schließlich heiratete sie am 12. Juli 1773 in Nassau den 13 Jahre älteren Grafen Jacob Friedemann von Werthern, was von ihren Eltern und der Öffentlichkeit als eine ‚gute Partie‘ angesehen wurde. Luise folgte ihrem Ehemann auf sein Schloss Neuheilingen in Thüringen.“5)

Das Paar bekam 1774 eine Tochter, die bei der Großmutter in Nassau blieb, als Johanna Luise von Werthern ihrem Mann nach Madrid an den spanischen Hof folgte. Dort wurde 1775 die zweite Tochter geboren, die aber nur wenige Monate alt wurde.

Zurückgekehrt nach Deutschland Ende der 1770er -Jahre wurde Johanna Luise von Werthern von dem Weimarer Herzog Karl August begehrt. Doch sie, obwohl ihm auch zugeneigt, blieb bei ihrem Ehemann, trotz unglücklichen Ehelebens.

Nachdem 1783 Graf von Werthern Chef der Stiftsregierung Naumburg-Zeitz geworden war, zog das Paar nach Zeitz, wo Johanna Luise von Werthern sich maßgeblich an den Plänen zum Ausbau des dortigen Schlosses und des Parks mitwirkte.

Nach dem Tod des Gatten im Jahr 1806 lebte sie in Dresden und starb dort 1611 an Auszehrung und Lungensucht.

Steins Ehefrau
Als Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein 1793 im Alter von 36 Jahren Präsident der Kammer des Herzogtums Kleve wurde und in das Herzogsschloss in Kleve einzog, heiratete er „in Heide die vierzehn Jahre jüngere Gräfin Wilhelmine von Wallmoden. (22.6.1772 Wien – 15.9.1819). Sie war Tochter Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborns, eines hannoverschen Generals, der einer Liebesaffäre des englischen Königs Georg II. entstammte. Mit ihr hatte Stein drei Töchter, von denen Henriette (* 1796) und Therese (* 1803) das Kindesalter überlebten.“ 6)

Über Steins Eheleben ist zu lesen:
„Für viele Frauen besaß der dynamische Staatsmann eine faszinierende Ausstrahlung, doch die Beziehung zur Ehefrau war alles andere als leidenschaftlich. (…)

Das zeitweilige Nomadenleben des Freiherrn, besonders in der Zeit des Dienstes am Zarenhof, entfremdete das Ehepaar voneinander. Dennoch blieben Vertrauen und Achtung auf beiden Seiten erhalten. Wilhelmine erfüllte ihre Pflichten als Mutter und Ehefrau, (…). Die Trauer um den Tod der Ehefrau [sie starb an der Krankheit Ruhr, R. B.], die nach dem Wiener Kongress in Frankfurt am Main ihren ersten Wohnsitz behielt, war echt und tief. (…).“ 7)

Stein urteilte über seine Gattin: „Seelenadel, Demuth, Reinheit, hohes Gefühl für Wahrheit und Recht, Treue als Mutter und Gattin, Klarheit des Geistes, Richtigkeit des Urtheils – sie sprachen sich durch ihr ganzes, vielgeprüftes Leben aus und verbreiteten Segen auf alle ihre Verhältnisse und Umgebungen. Nie gab sie auch das leiseste Gehör den Verführungen der Eitelkeit und Gefallsucht, sondern war immer die fromme, zarte, treue Tochter, Schwester und Gattin, in gleicher Reinheit und Anspruchslosigkeit; die Richtung ihres ganzen Wesens ging auf Häuslichkeit, Familienleben, Geselligkeit, Ruhe; sie zu genießen, ward ihr aber nicht beschieden.“ 8) Sie starb bereits im Alter von 47 Jahren.

Steins Einstellung zur Gleichstellung der Juden
Dem preußischen Judenedikt von 1812, nach dem in Preußen ansässige Einwohner jüdischen Glaubens auf Antrag preußische Staatsbürger wurden, ging ein von Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein und Staatsminister Friedrich Leopold von Schrötter verfasster Entwurf voraus. Dieser Entwurf: „stellte ein Erziehungsgesetz dar, nach dem ein kleiner Kreis wohlhabender Juden in späteren Generationen auf dem Wege der beruflichen Umschulung alle staatsbürgerlichen Rechte erhalten könnte. Zunächst aber sollten sie vom Handel, dem Wirtschaftszweig, in dem sie besonders stark vertreten waren, ausgeschaltet werden. Stein und Schrötter konnten sich zu konkreten Maßnahmen nicht entschließen, da sie von Misstrauen und Antipathie bestimmt waren.“ 9)

Der Historiker Felix Sassmannshausen schreibt in seinem für das Land Berlin verfassten Dossier zu Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin: „Stein war ausgesprochener Gegner der jüdischen Emanzipation, die er selber im Zuge der Städteordnung von 1808 auf den Weg gebracht hatte. Er formulierte Ideen über die mögliche Ausweisung von Juden und Jüdinnen an die Nordküste Afrikas und bediente sich antijüdischer Klischee. Der Antisemit Ernst Moritz Arndt [siehe: Arndtstraße] war begeistert von Stein und verehrte ihn.“ Sassmannshausen gibt als Handlungsempfehlung für den Umgang mit diesem Straßennamen: „Weitere Recherche, Kontextualisierung“. (Felix Sassmannshausen: Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin. Erstellt im Autrag des Ansprechpartners des Landes Berlin zu Antisemitismus. Stand: Oktober 2021. Hrsg. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung (LADS), Berlin 2021, S. 42, unter: www.welt.de/bin/Dossier_bn-235636290.pdf

Karl August von Hardenberg
Karl August von Hardenberg war der Nachfolger von Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein. „Hardenberg trat 1792 in den preußischen Staatsdienst ein. (…) 1810 [wurde er] von König Friedrich Wilhelm III. zum Staatskanzler ernannt und setzte die unter seinem Amtsvorgänger Karl Friedrich vom Stein begonnenen Preußischen Reformen fort. Er vermittelte 1813 den Vertrag von Kalisch zur Befreiung von der napoleonischen Fremdherrschaft und setzte 1815 auf dem Wiener Kongress die Gleichberechtigung Preußens unter den europäischen Großmächten durch.“ 10)

In ihren Beziehungen zu Frauen unterschieden sich Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein und Karl August von Hardenberg sehr. „Während Stein ein skandalloses privates Leben führte (…), war Hardenberg (…) außerehelichen Affären nicht abgeneigt.“ 11)

In Wikipedia wird der Lebensweg von Karl August von Hardenberg u. a. wie folgt dargestellt: „Karl August (…) wurde 1750 als ältestes Kind von acht Kindern des Obersten Christian Ludwig von Hardenberg und seiner Ehefrau Anna Sophia Ehrengart (geborene von Bülow (…) geboren. Bei der Geburt des Kindes war das Lebensalter seiner Mutter 19 Jahre und das seines Vaters 49 Jahre. Dieser Aspekt beeinflusste ihn sein Leben lang. (…). Karl August genoss (..) eine für einen jungen Adligen ungewöhnlich fortschrittliche und aufgeklärte Erziehung. Sein Traum war der Staatsdienst. Er entschloss sich also, Jura zu studieren, und schrieb sich mit 16 Jahren zum Wintersemester 1766/1767 in der Universität Göttingen ein und blieb vier Semester in Göttingen. (…).

Schon im Januar 1771, ein halbes Jahr nach Amtsantritt, wurde er in die Finanzverwaltung des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg versetzt. Doch völlig überraschend starb im Dezember 1771 Hardenbergs Förderer Burchard Christian von Behr. Dessen Nachfolger Benedict von Bremer brachte seine eigenen Schützlinge mit. Erbost beschwerte sich Hardenberg beim Kurfürsten – der als Georg III. in Personalunion König von Großbritannien und Irland war – in London, der ihm nahelegte, eine Reise durch Europa anzutreten, um seinen Horizont zu erweitern.

Am 15. Juli 1772 trat Hardenberg zu seiner Grand Tour an (…). Am 23. November 1773 wurde er dann zum Kammerrat ernannt, und am 8. Juni 1774 heiratete er die fünfzehnjährige Christiane von Reventlow.“ 12) Dazu schreibt Joachim Kühn in seinem Aufsatz „Hardenberg und die Frauen“, dass Hardenbergs Eltern die Wahl der Braut getroffen hatten, „die von ihrem früh verstorbenen Vater bedeutende Gütter auf der Insel Laaland und in Holstein geerbt hatte. Ihre Mutter, die mit Hardenbergs Mutter als Gutsnachbarin befreundet gewesen war – auch die Hardenbergs hatten Grundbesitz in Holtsine – war geistig erkrankt und fiel infolgedessen für die Familie aus. Christiane war also sozusagen Vollwaise, weshalb sie auch zwei Vormünder hatte. Erzogen wurde sie unter den Augen ihrer Großmutter auf Sierhagen in Holstein.“ 13)

Christiane von Reventlow brachte ein großes Vermögen in ihre Ehe. Sie übertrug ihrem Gatten: „die Nutznießung ihres gesamten Vermögens, das eine Rente von 100000 Talern abwarf, sie selbst behielt sich nur 3000 Taler als Taschengeld vor. ‚Übrigens bin ich so vergnügt, so zufrieden und so verliebt wie möglich‘, schrieb damals Hardenberg, ‚und was mich am innigsten bei der Sache freut, ist, daß ich recht sehr und aufrichtig geliebt werde. Meine kleine Braut ist liebenswürdig, gut erzogen, es fehlt ihr gar nicht an Verstand, und was alles dieses noch mehr erhebt, ist eine ungekünzelte Unschuld in ihrem ganzen Betragen, die mich ganz eingenommen hat, und die ich nie, vorher gekannt habe.‘“ 14)

Christiane von Reventlow war damals 15 Jahre, von Hardenberg 24 Jahre alt. Nach der Hochzeit wurden 1775 ein Sohn und 1776 eine Tochter geboren. Und Hardenbergs Karriere schritt weiter voran. Nachdem er 1780 eine Schrift zur Reform der hannoverschen Verwaltung veröffentlicht hatte, zog er ein Jahr später „mit seiner Frau nach London, um den Kurfürsten für seine Reform einzunehmen“. 15) Hier entwickelte sich eine Affäre zwischen Christiane von Hardenberg und dem Prinzen von Wales (dem späteren George IV.) „(…). Da der Skandal öffentlich zu werden drohte, reichte Hardenberg am 28. September 1781 sein Abschiedsgesuch ein. Am 30. Mai wurde er zum herzoglich-braunschweigischen Geheimen Rat ernannt.“ 16) Hardenberg musste also wegen der Liebschaft seiner Frau zu einem anderen Mann einen Karriereknick hinnehmen. Dass auch er außereheliche Amouren pflegte, entschuldigte er mit dem Verhalten seiner Ehefrau, die häusliches Glücks nicht als erstrebenswert ansah. Dazu äußert Joachim Kühn: „Wenn auch Hardenberg (…) versichert hat, häusliches Glück sei eins der schönsten und liebsten Ideale seiner jugendlichen Hoffnungen gewesen, er habe dem Gedanken, dieses Glück an der Seite seiner Frau zu finden, erst dann entsagt und sich selbst einem rücksichtslosen Lebensgenuß hingegeben, als alle Versuche, seine Frau für jenes Glück empfänglich zu machen, sich fruchtlos gezeigt hätte, so hat er wohl der Neigung nachgegeben, die ihn sein ganzes Leben hindurch begleitete, seine eigene Rolle mit Wohlwollen zu beurteilen. Er legte sich in seinen Unterhaltungen und Vergnügungen keinen Zwang auf. Sie zahlte ihm mit gleicher Münze zurück, und so stand die Ehe bereits fünf Jahre später vor dem Zusammenbruch.“ 17)

Nachdem Hardenberg mit seiner Frau nach Deutschland zurückgekehrt war, verblieb er weiterhin in Staatsdiensten. „Hardenberg hatte anfangs Aussichten, leitender Minister im Fürstentum [Braunschweig] zu werden. (…). Er legte auch hier eine Denkschrift zur Verwaltungsmodernisierung vor. Er vertrat in einem Gutachten die Ansicht, dass die Reichsstände das Recht hätten, sich gegen den Kaiser zu stellen, sollte dieser gegen Reichsrecht verstoßen. (…). Seit 1786 war er Leiter eines neu eingerichteten weltlichen Schulkollegiums. Er orientierte sich bei der Reform des Schulwesens an Johann Heinrich Campe und Johann Heinrich Pestalozzi [siehe: Pestalozzistraße] und strebte die Trennung von Schule und Landeskirche an. Insgesamt konnte er sich indes gegen den Widerstand der Stände mit seinen Plänen nicht durchsetzen. Er selbst musste 1790 das weltliche Schuldirektorium wieder aufheben.“ 18)

Damals verliebte sich Hardenberg in Sophie von Lenthe und seine Gattin Christiane von Hardenberg in einen Herrn von Münchausen, der als Hofmarschall tätig war. Zum Skandal wurde nur das außereheliche Verhältnis Christianes. „Christianes Tochter hat zu deren Entlastung die Strenge angeführt, mit der sie Hardenbergs Mutter behandelt habe; diese habe immer nur an ihr herumerzogen und damit ihr Leben verbittert, während Hardenberg das Beispiel des muntersten Weltgenießers gegeben habe,“ schreibt Joachim Kühn. 19)

Es kam zur Scheidung. Laut Wikipedia ließ sich Christiane 1788 scheiden. Laut Joachim Kühn war es Hardenberg, der nach dem „Skandal“, den Christiane durch ihre Liebschaft mit Herrn von Münchhausen bereitet hatte, die Scheidung einreichte. Und „da Christianes Großmutter und Stiefvater über ihre Aufführung außer sich waren, so wollten sie Hardenberg Christianes Vermögen überlassen. Schon schien es, daß die beiden Gatten, vor eine derartig radikale Lösung gestellt, sich wieder nähern würden, als Frau von Lenthe [die Geliebte Hardenbergs] mit der Erklärung hervortrat, daß sie von Hardenberg ein Kind erwarte. Sie [die auch verheiratet war] gab ihren Mann und ihre Kinder preis, und dadurch sah sich Hardenberg verpflichtet, auf das Angebot der Eltern Christianes zu verzichten und deren Besitz seinem Sohn Christian [der auch der Sohn von Christiane war] zu überlassen (…).“ 20) Die beiden Kinder aus der Ehe Hardenberg mit Christiane von Reventloh blieben bei der Mutter.

Im Jahr der Scheidung heiratete Hardenberg Sophie von Lenthe, geb. Haßberg (18.6.1757 Nienburg/Weser- April 1835 Palermo). Deren Schwangerschaft stellte sich als Täuschung heraus, schreibt Joachim Kühn.

Durch die Heirat mit einer Geschiedenen, was der Hof Sophie von Lenthe spüren ließ, indem man sie in der Gesellschaft schnitt, war Hardenberg für das Fürstentum Braunschweig nicht mehr tragbar und er musste sich einen neuen Job suchen. „Hardenberg bekam das Angebot, in den preußischen Dienst zu treten, und ging als leitender Minister zum Markgrafen von Ansbach und Bayreuth (…)). Hintergrund war, dass dieser beabsichtigte, zurückzutreten und seinen Besitz an die preußische Linie der Hohenzollern zu übergeben.

Nach dem Rücktritt des Markgrafen ging Ansbach-Bayreuth als Provinz in den Besitz der preußischen Krone über. Hardenberg leitete die Eingliederung der Provinz als preußischer Minister. Er hatte durchgesetzt, dass er direkt dem König und nicht der preußischen Verwaltung unterstellt wurde. Dadurch konnte er das Gebiet als selbständige Provinz weitgehend ohne Eingriffe von außen regieren. (…)

In Ansbach-Bayreuth konnte Hardenberg seine früheren Pläne zu einer grundlegenden Verwaltungsreform umsetzen. Es wurden vier Fachministerien für Justiz, Inneres, Krieg und Finanzen eingerichtet (…),“ heißt es bei Wikipedia über Hardenberg. 21)

In dieser Zeit seiner erfolgreichen Berufstätigkeit war Hardenberg mit seiner zweiten Ehefrau nicht glücklich. 1794 verliebte er sich in Frankfurt a. M. in die dort auftretende Sängerin Charlotte Schönemann (1.4.1772–1854), verheiratete Langenthal, Tochter des Zeugmachers Johann Friedrich Schöneknecht und der Eleonore Maria Schönemann, geb. Schlichting. Hardenberg und Charlotte Schönemann wurden ein Liebespaar. Dies blieb eine Zeitlang verborgen. Doch eines Tages, als Sophie von Hardenberg ihren Mann in Frankfurt a. M. besuchen kam, entdeckte diese die „Affäre“ ihres Mannes. „Da es nun nichts mehr zu verbergen gab, gestand ihr Hardenberg, daß er ohne Charlotte nicht mehr leben könne. Er gelobte, seine Neigung zu bekämpfen, nur jetzt könne er Charlotte nicht entbehren, und so mußte Sophie versuchen, sich mit der Situation abzufinden,“ so der Autor Joachim Kühn.22)

Sophie von Hardenberg litt unter der außerehelichen Liebschaft ihres Gattens. Um sich zu beruhigen, nahm sie sich - auf Anraten einer mit ihr bekannten französischen Dame - einen Geliebten „niederen Standes“, „um Aufsehen zu vermeiden; und so kam es (…), daß Sophie die Geliebte eines Geigers wurde, (…) der [der] braunschweigischen Hofkapelle angehört hatte. (…) Als sie ihm eröffnete, wozu sie ihn ausersehen habe, fiel er, sei es aus Entzücken, sei es vor Entsetzen und jedenfalls vor Überraschung in Ohnmacht. Als sie sich Mutter werden fühlte, stahl sie sich mit ihm aus Ansbach fort und ließ sich mit ihm in Jena nieder, wo er sich als akademischer Musiklehrer durchs Leben schlug,“ so Joachim Kühn. 23) Hardenberg ließ sich scheiden.

„1798 wurde Hardenberg nach Berlin beordert, weil man ihm Verschwendung vorwarf. Seine Selbständigkeit in der Verwaltung Ansbachs wurde eingeschränkt, die Verwaltungsreformen mussten teilweise zurückgenommen und an den Stand des restlichen Preußens angepasst werden.

1803 erlangte er das Vertrauen des Königs Friedrich Wilhelm III. und wurde zum Minister für auswärtige Angelegenheiten ernannt, 1804 wurde er offiziell Außenminister. Er nutzte seinen steigenden Einfluss, um als Gegenleistung für die Neutralität Preußens Gebietsgewinne in Westfalen und Mitteldeutschland zu erzielen.“ 24)

In dieser Zeit war Charlotte Schönemann, die inzwischen von ihrem Mann, ebenfalls Schauspieler, geschieden war, an Hardenbergs Seite. Dazu Joachim Kühn: „Charlottes Bildung war gering, sie war dem Verkehr, den Hardenberg als Minister zu unterhalten hatte, nicht gewachsen, zumal sie keine offizielle Stellung beanspruchen konnte, und so sammelte sie einen Kreis um sich, der ihr angemessener war, der aber ihre Gesellschaftsfähigkeit noch stärker in Frage stellte. ‚Da aber die Leidenschaft Hardenbergs für eine Frau, deren Geist dem seinen so wenig ebenbürtig war, ihn nicht einmal vor anderen gleichzeitigen Verwirrungen der Sinnlichkeit bewahrte‘, schrieb sein erster Biograph Klose (…), ‚und diese eine immer ergiebigere Quelle mannigfachen Verdrusses für ihn wurde, so muß das weitere Benehmen des Ministers in dieser Beziehung – auch wenn das ganze Verhältnis nicht nachsichtslos beurteilt wurde – jedenfalls nur immer mehr bezeichnend für Hardenbergs Gemütsart genommen werden‘. Aber Charlotte aufzugeben, konnte er sich auch nicht entschließen, und so setzte er, ‚oft selbst mit ganz ungewohnter Strenge‘, seine Autorität dafür ein, daß sie von seiner Familie anerkannt wurde. Auf der anderen Seite verschaffte er ihr und ihrem Kreise wiederholt Vergünstigungen und ertrug Szenen, die ihm Charlotte machte, ‚gerade weil er ihr trotz allem herzlich zugetan war und blieb und großzügig die Schwierigkeiten ihrer Stellung berücksichtigte, die er durch seine unüberwindliche Schwäche für die Reize auch anderer Frauen noch vermehrte.‘“. 25)

„Da er nicht mit der Politik des Königs gegenüber Frankreich übereinstimmte, trat er 1806 auf Drängen Napoleons zurück. Dieser Vorgang machte ihn in der deutschen Freiheits- und Nationalbewegung populär.

Im April 1807 wurde Hardenberg auf Betreiben des russischen Zaren Alexander I. als leitender Minister wieder mit allen inneren und äußeren Angelegenheiten betraut. In dieser Funktion sprach er sich offen für einen gemeinsamen russisch-preußischen Kampf gegen Napoleon aus. Als Bedingung nach dem Frieden von Tilsit im Juli 1807 musste Hardenberg auf Befehl Napoleons wieder zurücktreten.“ 26)

Einen Monat zuvor, am 17. Juni 1807 hatte Hardenberg Charlotte Schönemann geheiratet.

„Die Berufung von Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein 1807 beeinflusste er von seinem Exil-Aufenthalt Riga aus entscheidend mit, ebenso dessen Entlassung 1808 durch seine Braunsberger Denkschrift vom 12. November 1808. In der Rigaer Denkschrift ‚Über die Reorganisation des Preußischen Staats‘ vom 12. September 1807, die er im Auftrag des Königs verfasste, entwickelte er Reformvorschläge, die eine Monarchie mit Freiheitsrechten und demokratischen Elementen ermöglichen sollten. Er empfahl seinem König, sich nicht auf die Legitimität seines Hauses als Gewähr für Preußens Zukunft zu verlassen, sondern im Kampf mit Napoleon – mit Vorsicht – auch auf das erwachende deutsche Nationalgefühl zu setzen (…).

Als er 1810 die Entlassung des Kabinetts von Karl vom Stein zum Altenstein erreichte, gelang es von Hardenberg, am 4. Juni mit Billigung Napoleons zum preußischen Staatskanzler ernannt zu werden. In dieser Funktion hatte Hardenberg eine bis dahin nicht erreichte Machtfülle: Neben dem Außen- und Innen- übernahm er auch das Finanzressort. Die durch Stein begonnenen und unter Altenstein ins Stocken gekommenen Preußischen Reformen setzte er fort, konnte sich aber wie Altenstein nicht gegen die restaurativen Kräfte durchsetzen. Sein Hauptziel, die Einführung einer Verfassung und die Mitbestimmung des Bürgertums, konnte er nicht erreichen.

Das Finanzedikt vom 27. Oktober 1810 war der Beginn der Hardenbergischen Reformen, 1811 folgten das Regulierungsedikt, das Gewerbesteuergesetz, das die Gewerbefreiheit festschrieb, die Bauernbefreiung und 1812 die Emanzipation der Juden. Er trat für einen liberalen Verfassungsstaat ein, (…), lehnte im Gegensatz zu Stein aber die Schaffung eines deutschen Nationalstaats ab. Eine Steuerreform und die Schaffung einer repräsentativen Vertretung plante Hardenberg ebenfalls, scheiterte damit aber am Widerstand des konservativen Adels.“ 27)

In all dieser Zeit lebte er mit seiner dritten Ehefrau Charlotte zusammen, doch 1811 verliebte sich Hardenberg in Amalie von Beguelin, geb. Cramer (7.5.1778 Glogau – 20.7.1848 Berlin), Tochter eines Hofrates. Sie wurde Mutter von 12 Kindern, von denen viele bereits im Kindesalter verstarben. Seit 1806 führte sie in Berlin einen politischen Salon, „in dem Hofkreise und die leitenden Staatsbeamten verkehrten“. 28) „Ihr Mann war Vortragender Rat im Büro des Staatskanzlers. Die Neigung [zwischen Hardenberg und Amalie von Beguelin, R. B.] begann 1811 und vertiefte sich 1812, als sie aus Paris zurückkehrte, wohin sie ihren Mann, der mit Verhandlungen zu einer günstigereren Regelung der aus dem Tilsiter Frieden erwachsenen Finanzfragen betraut worden war, begleitet hatte. Die Eindrücke, die sie gesammelt hatte, interessierten Hardenberg, da sie in der Lage gewesen war, Beobachtungen zu machen, die der auf einen sehr exklusiven Kreis beschränkten preußischen Gesandtschaft entgangen waren; im besonderen hatte sie einen lebendigen Eindruck von der Ermüdung mitgebracht, die Napoleons schrankenlose Expansionspolitik in den breiteren Schichten der französischen Bevölkerung hervorrief. Vor allem aber wurde sie ihm über die Neigung hinaus, die ihn an sie fesselte, durch die freundschaftlichen Beziehungen wertvoll, die sie von alten Zeiten her mit Gneisenau [siehe: Gneisenaustraße] unterhielt. Gneisenau hatte vor einigen Jahren den Abschied genommen, um im Einvernehmen mit England den Widerstand Preußens gegen Napoleon zu organisieren, er durchkreuzte damit die Politik Hardenbergs, der in Erwartung besserer Zeiten den Abschluß eines Bündnisses mit Napoleon für unerlässlich hielt, um das Weiterleben des preußischen Staates zu ermöglichen. Amalie gelang es, bei Gneisenau Verständnis für Hardenbergs Politik zu erwecken, ohne daß er sich selbst ihr anschloß (…),“ schreibt Joachim Kühn. 29)

In ihrem Wikipedia-Eintrag heißt es dazu: „Sie erreichte, dass der vorsichtige Hardenberg sich mit dem ungeduldig wartenden Generalfeldmarschall und Heeresreformer Gneisenau darauf einigte, mit den Freiheitskriegen gegen Napoleon Bonaparte zu beginnen. Ein umfangreicher Schriftverkehr ist erhalten und später veröffentlicht worden. Aus ihm ergibt sich, dass sie mit ‚hinreißender Beredsamkeit im edlen Zorn‘ den zögernden Staatskanzler Hardenberg bewog, seine Bedenken fallen zu lassen und sich zu tatkräftigen Widerstand gegen Frankreich zu entschließen. Auf ihr Drängen wurde Gneisenau von seinem Gut in Schlesien, auf das er sich zurückgezogen hatte, nach Berlin berufen. Amalie von Beguelin vermittelte die Verständigung beider.“ 30)

„Daß sie Hardenbergs Geliebte geworden war, sprach sich bald herum,“ schreibt Joachim Kühn. 31) Auch Charlotte von Hardenberg erfuhr davon und war eifersüchtig und machte ihrem Gatten Vorhaltungen. Amalie von Beguelins Ehemann soll dagegen die Affäre zwischen seiner Frau und Hardenberg gedeckt haben, „weil er hochverschuldet gewesen sei und durch Hardenberg an eine einträgliche Pfründe im öffentlichen Dienst kommen wollte“. 32)

In der Zeit ihrer Liebschaft mit Hardenberg gebar Amalie von Beguelin Im Oktober 1812 ihr 11. und 1815 ihr 12. Kind und Hardenberg vermittelte „als Verhandlungsführer auf preußischer Seite, zusammen mit vom Stein, der den russischen Zaren vertrat. (…) den preußisch-russischen Vertrag von Kalisch, in dem eine gemeinsame Erhebung gegen Napoleon vereinbart wurde. (…) Zusammen mit Wilhelm von Humboldt und vom Stein entwickelte er 1814 einen Entwurf für eine Bundesverfassung. Am 3. Juni desselben Jahres erhob ihn Friedrich Wilhelm III. in Paris in den Fürstenstand (…).

Auf dem Wiener Kongress gelang es ihm 1815, Preußen erheblichen Gebietszuwachs zu sichern, und er etablierte nach 1815 in den gewonnenen Gebieten eine neu organisierte Verwaltung (Provinz Sachsen). Er konnte dem König das Versprechen abringen, eine Verfassung zu erlassen; eine Verfassungskommission wurde allerdings erst 1817 einberufen.“ 33)

Amalie von Beguelin führte „bis zu dem Tod ihres Mannes 1818 (…) noch ein großes Haus. Danach zog sie sich, in sehr dürftigen finanziellen Verhältnissen, fast völlig vom gesellschaftlichen Leben zurück. Die häufigen Aufenthaltswechsel, die zeitweise Kürzung und schließlich Wegfall der Gehaltsbezüge ihres Ehemannes, der sich geweigert hatte, für die französische Besatzungsmacht zu arbeiten, die Einquartierungslasten und Kriegssteuern sowie die Reisen in das Ausland hatten das Vermögen ihres Mannes stark vermindert. Auch der Wohlstand ihres Vaters war durch die Kriegszeiten ganz vernichtet worden. Sie widmete sich der Erziehung der minderjährigen Kinder und konnte erreichen, dass durch Vermittlung von Freunden die Erziehung ihrer Söhne in der Landesschule Pforta und in der Klosterschule Roßleben durch die teilweise Freistellung der Kosten erleichtert wurde.“ 34)

Ende 1815 begann Hardenberg auch noch eine intensive Bekanntschaft mit der Sallonière Delphine de Custine, geb. de Sabran (18.3.1770 Paris – 13.7.1826 Bex/Schweiz). Diese war verheiratet mit Armand Renaud-Louis-Philippe-François de Custine und hatte einen Sohn namens Astolphe-Louis-Léonor, Marquis de Custine .

Laut ihrem Wikipedia-Eintrag hat Delphine de Custine: „Während der Französischen Revolution (…) ihren Stiefvater vor dem Revolutionstribunal [verteidigt]. Sie war mit ihrem Mann und ihrem Stiefvater im Kamelitergefängnis inhaftiert, wurde aber nach dem Fall von Maximilien Robespierre wieder freigelassen. Nach ihrer Freilassung gelingt es ihr, einen Teil des beschlagnahmten Familienbesitzes wiederzuerlangen. Ihr Mann und ihr Stiefvater wurden beide (…) guillotiniert (…).

Im Jahr 1803 kaufte Delphine de Custine (…) das Chateau de Fervaques. Sie begann zu malen, und ihre Arbeit wurde von Elisabeth Vigée-Lebrun begrüßt. Sie leitet auch Literatur- und Kunstmessen in Fervaques. (…)

Bekannt für ihre Schönheit und Intelligenz, beschreibt Laure Junot d‘Abrantès sie wie folgt: ‚eine dieser schönen Kreaturen, die Gott der Welt in einem Moment der Großzügigkeit schenkt‘". 35)

Im Herbst 1815 war Delphine de Custine nach Frankfurt am Main gekommen, um ihren Sohn „zu pflegen, der Talleyrand auf den Wiener Kongreß begleitet hatte. Der Wirbel der Festlichkeiten und Geschäfte hatte ihn überanstrengt (…). Sie mietete (..) eine Wohnung im sogenannten Mohrengarten, einem Anwesen an der Gallusstraße, das der Familie Holzhausen gehörte und einer ganzen Kolonie von Prominenten (…) Quartier gewährte.“ 36) Hier beim Tee bei Frau Holzhausen trafen sich Wilhelm von Humboldt, Heinrich von Bülow und andere und darunter dann schließlich auch Hardenberg. Auch nachdem Hardenberg nicht mehr in Frankfurt weilte, brach: „die Verbindung zwischen [Hardenberg und Delphine de Custine] (…) nicht ab; Delphine begann mit ihm zu korrespondieren, und Hardenberg antwortete ihr mit einer Zärtlichkeit, die vermuten lassen könnte, daß er ihr in Basel [wo sie sich schon einmal begegnet waren] besonders nahegestanden hatte. Das wäre indessen eine Fehldeutung: Wenn er an Damen schrieb, geriet seine Feder leicht in Überschwenglichkeit,“ erklärt Joachim Kühn. 37)

1816 lernte der 65-jährige Hardenberg dann die 24-jährige Friederike Hähnel (18.1.1792 Neubrandenburg – 22.12.1872 Rom) bei einer Sitzung im „magnetischen Salon“ [Mesmerismus] des Doktor Wolfart kennen. Sie soll als Dolmetscherin magnetischer Heilkraft gedient haben und „von ‚imposanter Gestalt und frischer Üppigkeit des Leibes‘ [gewesen sein]. Es ist die letzte große Liebe eines Politikers und Fürsten, in dessen Leben mehrere Ehefrauen und zahlreiche Mätressen bestimmende Rollen gespielt haben,“ 38) so Wilhelm von Sternburg in der Frankfurter Rundschau.

Und Michael Opitz äußert in seinem Beitrag für den Deutschlandfunk: „Als Hardenberg den Mesmerismus und Friederike Hähnel kennenlernte, befand er sich in einer Krise. Seine Reformpläne waren ins Stocken geraten und er hätte für die weitere Durchsetzung seiner politisch-gesellschaftlichen Ideen jener Kräfte bedurft, auf die die Magnetiseure bei ihrer Heilmethode zurückgriffen. Als Hardenbergs Kräfte zum Erliegen kamen, er im öffentlichen Raum immer weniger bewegen konnte, suchte er nach Belebendem. Im Privaten war es Friederike Hähnel, die dafür sorgte, dass wieder ins Fließen kam oder im Fluss blieb, was zu versiegen drohte.

‚Für den Staatskanzler waren die Jahre, in denen er Friederike Hähnel zur Seite hatte, von dem ständig wachsenden Verlust an Macht und Einfluss geprägt. Der fast taube alte Mann, der sich zum Rücktritt von seinem Spitzenposten auch nicht entschließen konnte, als er Wilhelm von Humboldt und andere Verbündete seiner Regierungsmannschaft verloren hatte, hoffte noch immer, sein großes Werk, die Reformen, mit einer Verfassung für den nun wieder mächtiger gewordenen Staat abschließen zu können.‘ [Zitat von Günter de Bruyn aus dessen Buch: Die Somnambule oder Des Staatskanzlers Tod.].“ 39)

Wilhelm von Sternberg beschreibt Friederike Hähnel: „Die mecklenburgische Uhrmachertochter nimmt an der vom damals überaus modischen Mesmerismus geprägten Sitzung als Somnambule (Schlafwandlerin) teil und fasziniert den leicht entflammbaren Hardenberg. In seinen letzten sechs Lebensjahren wird sie seine Geliebte, reist mit ihm, wenn die Staatsgeschäfte den Kanzler zu den großen Konferenzen und Kongressen nach Karlsbad oder Verona rufen, oder der alternde Fürst einen Kurort aufsucht.

Die Gesellschaft und seine politischen Gegner begleiten diese Liebesgeschichte mit Hohn, Spott und Intrigen, seine dritte Ehefrau verlässt den gemeinsamen Wohnsitz Schloss Neuhardenberg. Um die skandalöse Liaison mit einem Anstandsschleier zu bedecken, verheiratet Hardenberg seine Geliebte mit einem belang- und mittellosen Herrn von Kimsky.“40) Das war 1821.

Auch Joachim Kühn geht in seinem Aufsatz über Hardenberg und die Frauen auf Friederike Hähnel ein und schreibt u. a. über sie: „Da ihre Mutter (…) ein Institut für höhere Töchter leitete, erhielt sie in diesem Institut die Erziehung, die den Mädchen der führenden Schichten zuteil wurde. (…). [Hardenberg lud sie ein, als Gesellschafterin der Fürstin [gemeint ist seine Frau Charlotte] in sein Palais am Dönhoffplatz überzusiedeln. Welchen Rang er ihr dort einräumte, kennzeichnet die Tatsache, daß sie an den Staatsdiners teilnehmen durfte, die er von Zeit zu Zeit zu geben gewohnt war. (…) Im Sommer 1817 nahm er Friederike nach Karlsbad mit, im Spätherbst 1818 nach Aachen, wo das Ende der Besetzung Frankreichs durch die Allierten beschlossen wurde; und da die Krämpfe, die sie von Zeit zu Zeit heimsuchten, nicht nachließen, so schickte er sie im Sommer 1820 nach Putbus, wo sich der Fürst und die Fürstin von Putbus Hardenberg zuliebe um sie kümmerten; (…) Ihr Aufenthalt zog sich infolge eines Falles, den sie in ihrem Zimmer tat, bis Ende Oktober hin, und so ließ sie sich von einem Jugendfreund den Hof machen, der durch das Rügener Badeleben angelockt worden war. Er hieß von Kimsky und war, (…) ein Industrieritter, der durch die preziösen Formen auffiel, die er sich angelegen sein ließ. (…)

Der Fürstin [gemeint ist Charlotte Hardenberg] kann das zwischen Friederike und Kimsky aufkeimende Verhältnis nur recht gewesen sein; ihr ständiges Zusammensein mit Hardenberg hielt sie in dauernder Aufregung, wenn sie auch darauf baute, daß sich die neue Favoritin ebenso verbrauchen werde wie Amalie von Beguelin, von der sich Hardenberg seit geraumer Zeit zurückgezogen hatte.“ 41)

Hardenberg, der 1819 noch eine „landständische Verfassung für Preußen“ 42) verfasst hatte, „die allerdings nicht umgesetzt wurde“ 43) und dessen Einfluss „nach den Karlsbader Beschlüssen 1819“ 44) schwand, versuchte nach der Verheiratung Friederike Hähnels mit Herrn von Kimsky wieder mit seiner dritten Ehefrau Charlotte zusammenzukommen, doch diese wollte nicht mehr. Sie setzte eine Erklärung auf, „in der sie sich weigerte, mit Frau von Kimsky unter einem Dach zu wohnen, weil sie einsehe, daß ein solches Verhältnis nur zu ihrem und ihres Mannes Unglück ausschlagen könne; sie erbiete sich daher freiwillig, in eine stillschweigende Trennung ihrer Ehe einzuwilligen. Hardenberg überraschte diese Wendung: ‚Ich hätte freilich wohl nicht erwarten sollen, (…) daß eine Frau, mit der ich siebenundzwanzig Jahre gelebt habe, und die mich die längste Zeit dieser Epoche glücklich machte, meine Aufforderung zur Rückkehr und völligen Aussöhnung ganz verwerfen und die zweite Alternative einer Trennung vorziehen könnte.‘ (…). Da eine Rückkehr der Fürstin nach [Schloss] Glienicke oder Potsdam unter den eingetretenen Umständen nicht mehr möglich war, entschloß sich diese, nach Dresden überzusiedeln, und von dort mußte sie sich nach LIegnitz zurückziehen, weil die ihr vom König ausgesetzte Pension nur auf preußischem Boden verzehrt werden durfte. Sie ist erst viele Jahre später, am 24. April 1854, in Liegnitz gestorben.“ So Joachim Kühn. 45) Da war Hardenberg bereits seit 32 Jahren tot. Er erkrankte 1822 und starb kurz darauf. Für Friederike Kimsky hatte er eine jährliche Rente von 886 Talern veranlasst, „die ihr ermöglichte, sich in opulenten Verhältnissen nach Neubrandenburg zurückzuziehen, dort ein stattliches Haus zu kaufen (…). Hier verlebte sie mit Kimsky einige unerquickliche Jahre, denn sie interessierte sich nicht mehr für ihn als er für sie (…). Er siedelte also nach Berlin über, und dort erlag er (…) einem Schlaganfall. Friederike reiste in Begleitung eines Chevalier O. nach Italien, lebte längere Zeit in Neapel, ging von dort nach Rom, wurde dem Papst vorgestellt, trat im Oktober 1837 zur katholischen Kirche über, kehrte noch einmal nach Neubrandenburg zurück, um ihr dortiges Eigentum zu veräußern, und ließ sich dann endgültig in Rom nieder, wo sie in den ersten Kreisen verkehrte“ 46) und sehr wohltätig gewesen sein soll.