Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Drosselbartweg

Billstedt (1952), Märchenmotiv


Siehe auch: Grimmstraße

Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtete 2012 über das Märchen König Drosselbart in seinem Artikel „Grimms Märchen neu gelesen: ‚König Drosselbart‘ ist lebensklug und für Frauen ärgerlich zugleich“: „Der Entwicklungsstand der schönen Königstochter wirkt sehr heutig: Da sie noch nicht bindungsbereit ist, beurteilt sie alle Freier nur nach ihrem Äußeren, findet Schönheitsfehler, mäkelt und spottet ohne Erbarmen. Die Lektion, die der privilegierten Hochmütigen erteilt wird, ist gesellschaftlich gesehen nicht verkehrt: Sie lernt als Bettlersfrau gründlich am eigenen Leib das Leben ihrer Untertanen kennen, mit allen Mühen der körperlichen Arbeit. Und sie begreift, wie weh Beschämung tut.

Aus Sicht einer Frau ist die Geschichte allerdings höchst ärgerlich. Oder wäre ein Grimm-Märchen vorstellbar, in dem eine junge Frau ihren Mann derart demütigen und seinen ‚stolzen Sinn beugen‘ darf, wie König Drosselbart es tut? Wohl kaum, denn in den Märchen werden junge Frauen regelmäßig als unreife Kinder gezeigt, die noch erzogen werden müssen. Drosselbart ist von daher der ideale Schwiegersohn, der den Eltern die Zurichtungslast abnimmt, an der sie selbst versagten: Der König hatte seine Tochter in ohnmächtiger Wut dem erstbesten Bettler an den Hals und aus dem Palast geworfen.

Würde man die Geschlechterverhältnisse umkehren, es würde keine Läuterung, keine Reue dabei herauskommen, sondern garantiert neue Strafe. Sie sagt zu ihm: ‚Mach nur gleich ein Feuer an und stell Wasser auf, dass du mir mein Essen kochst; ich bin ganz müde.‘ Der Mann als Dienstmagd, weil sie mal müde ist? Wie bitte, ist der Hochmut der Königstochter noch nicht kuriert?

Schon als (weibliches) Kind spürt man, dass da im Rollenverhältnis etwas ganz und gar nicht anstrebenswert ist zwischen Mann und Frau. Selbst wenn die Eltern oder das Umfeld es hier und da anders vorgelebt haben sollten: Die Angst vor der uralten Macht der Rollenzuweisung solcher oder anderer Literatur bleibt. (…)“ 1)

Heinz Röllecke interpretiert das Märchen u. a. wie folgt: In „König Drosselbart“: „wird die aktive Freierwahl der Heldin aufs übelste bestraft: The Taming oft he Shrew (Der Widerspenstigen Zähmung) wird hier auf eine doch recht bedenkliche, ja brutale Weise durchgespielt. Beleidigungen und öffentliche Demütigungen alptraumhafter Art brechen den Widerstand der Freierspröden, bis sie am Ende ihr Märchenglück demütig und unterwürfig aus der Hand oder durch die Hand ihres zuvor verhassten Drosselbart-Königs-Mannes annimmt. (…) Es fällt auf (…), dass hier die maßlosen und nach unserem Gerechtigkeitsempfinden bösen, ja abscheulichen Figuren nicht bestraft, sondern belohnt werden: Drosselbart (…) [wird] nach all [seinen] Untaten mit einem schönen und edlen Partner begabt.“ 2)