Edvard-Munch-Straße
Billstedt (1971): Edvard Munch (12.12.1863 Loten, Hedmark, Norwegen – 23.1.1944 Oslo), Maler, Graphiker
Siehe auch: Max-Klinger-Straße

In Wikipedia ist nachzulesen: Edvard Munch „war ein norwegischer Maler und Grafiker des Symbolismus. (…) Munch gilt als Bahnbrecher für die expressionistische Richtung in der Malerei der Moderne“, 1) heißt es in Wikipedia. Und weiter steht dort über Munchs Herkunft: „Sein Vater Christian Munch war ein tief religiöser Militärarzt mit bescheidenem Einkommen. (…) Munchs Vater Christian heiratete mit 44 Jahren die zwanzig Jahre jüngere Kaufmannstochter Laura Catherine Bjølstad. Die junge Ehefrau gebar ihren Sohn Edvard mit 27 Jahren und starb mit 33 Jahren an Tuberkulose, als Edvard fünf Jahre alt war. Edvard selbst war von schwacher Gesundheit, aber nicht er, sondern seine ältere Schwester Sophie war das nächste Opfer der Schwindsucht. Seine jüngere Schwester Laura war wegen ‚Melancholie‘ (nach heutiger Klassifikation am ehesten Depression) in ärztlicher Behandlung. Postum stellten Mediziner auch bezüglich Edvard Munch die Hypothese einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (emotional instabile Persönlichkeitsstörung) auf, zum Teil in Verbindung mit einer bipolaren Störung (manisch-depressive Erkrankung). Von den fünf Geschwistern heiratete nur sein Bruder Andreas, starb aber schon wenige Monate nach der Hochzeit. Das Elternhaus war kulturell anregend – es sind jedoch die Eindrücke von Krankheit, Tod und Trauer, zu denen Munch in seiner Kunst hauptsächlich zurückkehrt.“ 1)
Der Tod der Mutter 1868, der Schwester 1877 und des Vaters 1885 erschütterten Munch sehr. Das zeigt sich auch in seinen Bildern, so in dem Bild „Abendstunde mit der Schwester des Künstlers“ (1888). Die Kunsthistorikerin Sigrun Paas schreibt dazu: „Munchs Schwester Laura sitzt, nachdenklich vor sich hinstarrend auf einer Wiese nahe eines Hauses. Im Hintergrund ziehen ein Mann und eine Frau einen Kahn aufs Land. Die Wiese, vom Abendlicht verfärbt, wirft einen violetten Schein in Lauras Gesicht, der im komplementären Kontrast mit der Farbe ihres steilen Strohhutes die Züge ihres geistigen Entrücktseins verstärkt. (…) Laura ist nicht nur die symbolische Inkarnation von Munchs eigener Schwermut, sie ist saturnisches Element, eine moderne Version der traditionellen weiblichen Melancholiedarstellungen. (…) In der ländlichen Umgebung, die keine städtische Zerstreuung kennt, ist die Abendstunde die Zeit für Träume und Grübeleien, für Erinnerungen. Lauras Gesicht, das sich in die Farbskala des sterbenden Tages einfügt, ist in eine Ferne gerichtet, die wir nicht sehen. Sie sitzt an einem Ufer und blickt über eine Wasserfläche – sitzt sie am Styx und sieht das Jenseits? Der Kahn, der im Hintergrund aus dem Wasser gezogen wird, scheint dies zu bestätigen. Munch lebte mit den Toten, mit seiner frühverstorbenen Mutter, seiner Schwester, seinen Großeltern und später mit seinem Vater in einem inneren, nie abreißenden Kontakt. Seine emotionale Verwurzelung in der Familie war derart stark, daß er von der Kristiana-Bohème, in der er in jener Zeit verkehrte, deswegen verspottet wurde. Lauras psychisches Aufgehen in der Abendstimmung setzt sie ins existentielle Einvernehmen mit der Natur, ihre Konzentration auf ihre inneren Gesichte deutet bereits das zentrale Thema Munchs späterer Kunst an: Leben und Tod als Einheit in der Frau.“ 2)
Nachdem die Mutter gestorben war, zog deren Schwester Karen Bjolstadt in das Haus ein, um sich um die Kinder zu kümmern. Sie war selbst Künstlerin und brachte Edvard die Welt der Kunst nahe.
„1885 erlebte Edvard Munch seine erste große Liebe mit Milly Thaulow (1860-1937). Die Liebesbeziehung dauerte nur einige Monate, aber Munch ging diese Frau auch lange nachdem es vorbei war nicht mehr aus dem Kopf. Thaulow erwiderte seine Gefühle nicht und heiratete einen anderen Mann. Munch war umso enttäuschter, als sie sich viel später scheiden ließ und wieder heiratete, ohne Interesse an ihm zu zeigen. Diese Enttäuschung würde seine Beziehung zu Frauen für den Rest seines Lebens beeinflussen. Thaulow wurde später bekannt als eine der Ersten, die in Norwegen Zeitungsartikel über Essen und Mode schrieb. In Munchs Gemälde Tanz des Lebens, an dem er in den Jahren 1899-1900 arbeitete, stellt er Thaulow und sich selbst als Hauptmotiv in einem Eifersuchtsdrama dar,“ 3) heißt es in dem Aufsatz „Edvard Munch und die Frauen. Frauen waren ein wichtiger Teil von Munchs Kunst und Leben“.

1898 traf er zum ersten Mal Tulla Larssen (1869-1942) und es entwickelte sich zwischen den beiden eine aufreibende unglückliche Liebesbeziehung. Als er diese 1902 beenden wollte, kam es zu einem heftigen Streit, in dessen Folge verletzte sich Munch selbst durch einen Pistolenschuss, der ihn in die Hand traf.
Munch hatte Alkoholprobleme und konnte die gescheiterte Liebesbeziehung zu Tulla nicht verwinden. Er litt derart unter Eifersucht, Hass und Enttäuschung, dass sich diese Empfindungen zu einer Psychose steigerten. Munch sah sich als Opfer: „‘Du musst es verstehen‘, schrieb Munch einmal an Tulla Larsen, ‚dass ich eine Sonderstellung hier auf Erden habe.‘ Diese Sonderstellung, so fährt er fort, beruhe auf ‚einem Leben voller Krankheit, unglückseligen Verhältnissen und meiner Stellung als Maler‘. Diese eigentümliche Mischung aus Pathos und Wehleidigkeit führte Munch dazu, Tulla die alleinige Schuld am Scheitern ihrer Beziehung zu geben.“ 4)

„Typisch für Munchs Beziehungen zu Frauen waren kurze, spontane Ersttreffen, gefolgt von einer lebenslangen Faszination, mehr oder weniger von beiden Seiten. Bestes Beispiel dafür ist Ingse Vibe (1886-1945), die erst 16 Jahre alt war, als sie Munch zum ersten Mal traf. Angeblich geschah es als sie sich 1903 über den Holzzaun seines Hauses in Åsgardstrand beugte. Daraus entstand eine jahrzehntelange Freundschaft, die durch erhaltene Briefe und Postkarten dokumentiert ist. Munch fertigte auch einige Zeichnungen und Bilder von Vibe an. (…) Von 1916 bis zu seinem Tod 1944 lebte und arbeitete Munch in Ekely, einer ehemaligen Gärtnerei in Oslo. Obwohl zahlreiche Frauen sein Haus und Atelier in Ekely besuchten, um sich von ihm porträtieren zu lassen, sind viele dieser Kunstwerke weniger bekannt.
Eines von Munchs Lieblingsmodellen war Birgit Prestøe, die die Rollen des Künstlers und des Aktmodells umkehrte. Sie beschrieb Munch so: ‚Ich dachte, er wäre entzückend anzusehen, so schön wie ein junger Apoll, weise wie ein alternder Zeus‘“ Sie stand für mehrere von Munchs Gemälden Modell und wurde später berühmt, als sie wiederholt in der Öffentlichkeit über ihre Erfahrungen als Modell sprach, einen Beruf, der zu dieser Zeit nicht besonders angesehen war. Munch malte Birgit Prestøe 1924 und im darauffolgenden Jahr.

Edvard Munch war sein ganzes Leben lang hin- und hergerissen zwischen seiner Leidenschaft für Frauen und seiner Angst vor Ablehnung. Er hielt die Ehe für unvereinbar mit seinen künstlerischen Ambitionen und blieb unverheiratet, bis er 1944 im Alter von 80 Jahren verstarb.“ 5)
Mit seinen Bildern „Die Mörderin“ (1906) und „Marats Tod I“ (1907) gab er seinen Gefühlen Ausdruck. Er schildert den „Kampf zwischen Mann und Frau, den man Lieben nennen kann“. Gleichzeitig sah sich „Munch als das Opfer, das für die Sünden der anderen zu büßen hat.“ 6)
Munchs Verhältnis zu Frauen blieb sehr gespalten. Er empfand die Liebe zwischen Mann und Frau als einen ewigen Krieg und muss Angst vor den Frauen gehabt haben, denn hinter Schönheit, die er als Maske empfand, sah er nur Grausamkeit und Gefahr. „‘Wie oft hab ich es nicht erfahren müssen‘, schrieb der Maler entsprechend, ‚mir begegnete eine schöne Frau, und ich ahnte, dass die Seele hinter der herrlichen Erscheinung groß und schön sein müsse! Aber es war wie im Märchen: Sobald sie den Mund öffnete, wälzten sich Kröten, Schlangen und giftiges Getier zwischen ihren anbetungswürdigen Lippen hervor.‘ Als Mann konnten die Frauen ihn nicht glücklich machen, den Maler aber inspirierten sie sehr wohl. Munch malte sie so, wie er sie sah: als Vampire und Femmes fatales, als Hexen mit feuerrotem Haar und stechend grünen Augen oder als Schönheit, die sich abwendet – und dem Mann doch nicht aus dem Kopf geht. (…),“ schreibt Adrienne Braun am 7.7.2013 in der Stuttgarter Zeitung in ihrem Artikel „Die Weiber sind alle Vampire“ über eine Munch-Ausstellung in der Stuttgarter Staatsgalerie. 7)
Sebastian Frenzel versucht Munchs Einstellung zu Frauen zu erklären. So schreibt Frenzel am 12.6.2011 in seinem in Die Zeit online erschienenen Artikel „Die Madonna und der Sex. In London wird eine einst skandalöse Grafik von Edvard Munch versteigert“: „Das Ende des 19. Jahrhunderts war auch deshalb eine kulturell äußerst produktive Zeit, weil sich damals die Frauen erstmals in Massen organisierten. Die Männer bekamen es mit der Angst zu tun. Strindberg, Ibsen, Shaw oder Huymans entwerfen Protagonistinnen (oft sind sie Prostituierte), die wie sie gegen die bürgerliche Moral aufbegehren – aber so ganz geheuer ist ihnen die Sache nicht. Oscar Wilde spitzt das ambivalente Verhältnis der Künstler zum gar nicht mehr schwachen Geschlecht dramatisch zu: Seine Salomé ist zugleich Sinnbild sexueller Befreiung und Femme fatale.
Wie Wilde hatte auch der norwegische Künstler Edvard Munch ein nicht eben entspanntes Verhältnis zu Frauen. Seine Mutter starb, als er fünf war, er unterhielt zahlreiche Liebschaften und besuchte regelmäßig das Freudenhaus, geheiratet hat er nie. 1895 entsteht Madonna (Liebendes Weib), eine unerhörte Darstellung der Gottesmutter, die heute zu seinen bekanntesten Arbeiten zählt. (…) Munch macht aus einer Heiligen- eine Sexikone, und er lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die sonst so keusche Madonna wirft sich hier in eine leidenschaftliche Pose, ein Arm ist lasziv hinter den Kopf gestreckt, die Augen lustvoll geschlossen, das Licht hebt ihre nackten Brüste hervor. Wo ein Heiligenschein sein sollte, sitzt eine rote Baskenmütze, wie sie die Pariser Prostituierten der Zeit trugen. Spermien schwimmen in einem roten Rahmen, und dort, wo der Bildraum an den Realraum trifft, müsste der Frauen- mit einem Männerkörper verschmelzen – vielleicht sind wir als Betrachter hier doch mehr als passive Voyeure.(…)“ 8)

Dass Sebastian Frenzel nicht unrecht hat mit seiner Erklärung des Frauenbildes von Munch zeigt auch der Ausspruch Munchs: „Ich habe in der Übergangszeit gelebt – mitten in der Frauenemanzipation. Da wurde die Frau diejenige, die verführt und verlockt und den Mann betrügt. Carmens Zeit. In dieser Übergangszeit wurde der Mann der Schwächerer.“
In der Unterrichtseinheit der Bremer Kunsthalle zu den Bildern von Munch heißt es: „Vor allem in seiner Berliner Zeit müssen Munch wohl die Diskussionen und Auffassungen der Literatenszene zugesetzt und ihn beeinflusst haben. Der Künstler verkehrte dort im Zirkel August Strindbergs und in dessen Stammlokal ‚Zum Schwarzen Ferkel‘, wo sich die Berliner Boheme traf. Sexualität und Erotik und die sich neu stellende Geschlechterproblematik durch die sich emanzipierende Frau werfen am Ende des 19. Jahrhunderts die Frage nach dem Verhältnis von Mann und Frau neu auf. In den Diskussionen dieser lebhaften Männerrunde entwickelten sich dabei abstruse Theorien. Dabei wird der Mann als Opfer von Trieb und Begierde gesehen, während die Frau als Verursacherin der Seelenqual und des Untergangs des Mannes verantwortlich gemacht wurde.“ 9)