Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Ernst-Thälmann-Platz

Eppendorf (1985): Ernst Thälmann (16.4.1886 Hamburg -18.8.1944 KZ Buchenwald), Hafenarbeiter, Bürgerschaftsabgeordneter, KPD-Vorsitzender, Gegner und Opfer des Nationalsozialismus


Siehe auch: Marie-Henning-Weg
Stolperstein vor: Tarpenbekstraße 66.

Bereits 1946 hatte die Hamburgische Bürgerschaft eine Verkehrsflächenbenennung nach dem KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann beantragt. „Da die damalige Eimsbüttler Straße in S. Pauli aus Gründen der Doppelbenennung ohnehin umbenannt werden mußte, wurde beschlossen, diese Straße nach Ernst Thälmann zu benennen.“ (Bericht des Staatesarchives von März 1987 über Umbenennungen von Straßennamen in Hamburg seit 1918. Stand: März 1987, Staatsarchiv Hamburg, S. 18.) Doch die Benennung zog sich hin. Und als dann 1956 die KPD verboten wurde und im selben Jahr der ungarische Volksaufstand, eine bürgerlich-demokratische Revolution, ausbrach, wurde noch im selben Jahr die Eimsbütteler Straße nicht nach Ernst Thälmann, sondern in Budapester Straße umbenannt.

Zu einer Benennung einer Verkehrsfläche nach Ernst Thälmann kam es dann knapp zwanzig Jahre später.

Ernst Thälmann war der Sohn von Johannes und Maria Magdalena Thälmann, geborene Kohpeiss, die 1884 geheiratet hatten. Die Familie wohnte Alterwall 68. Ihre Tochter Frieda wurde am 4. April 1887 geboren. Über Frieda ist lediglich bekannt, dass sie nicht politisch aktiv war und bis zu ihrem Tod am 8. Juli 1967 in Hamburg lebte. Laut Geburtsregister gab es wahrscheinlich weitere Geschwister, die aber bereits im Kleinkindalter verstarben. Als die Eltern 1892/93 wegen Hehlerei im Gefängnis saßen, wurden Ernst und Frieda in Pflegefamilien gegeben.

Die beiden mussten als Kinder viel im elterlichen Lebensmittelgeschäft und Fuhrbetrieb mitarbeiten, so dass wenig Zeit für die Schule blieb. Trotz guter Leistungen – er hatte die „Selekta“ erreicht – verließ Ernst im Alter von 14 Jahren die Volksschule. (Die Selekta bezeichnet eine Besonderheit des Hamburgischen Schulwesens Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Nach Beendigung der neunjährigen Volksschule konnten begabte Schüler sie besuchen und sich unter anderem für die Bewerbung auf das Lehrerseminar qualifizieren.) Somit besaß Ernst nicht die Voraussetzung, sich zum Handwerker oder gar Lehrer ausbilden zu lassen, wie er es sich erhofft hatte. Zwei Jahre lang arbeitete er weiter im Familienbetrieb. Wegen ständiger Streitereien um seine Entlohnung – sein Vater zahlte ihm für seine Arbeit nur ein Taschengeld – und um mehr persönlichen Freiraum verließ er schließlich sein Zuhause und nahm eine Reihe von Gelegenheitsarbeiten auf Hamburger Werften an. Hier zeigte sich erstmals Thälmanns Selbstbewusstsein, das er als Heizer an Bord des Dampfers „Amerika“ ebenso an den Tag legte wie auch 1910 während einer kurzen Episode als Landarbeiter in der Nähe von New York.

Nach Hamburg zurückgekehrt, fand Ernst Thälmann wieder Arbeit im Hafen. Hier war er durch seine Erfahrungen als Gelegenheitsarbeiter politisiert worden. 1903 war er in die Sozialdemokratische Partei, 1904 in die Transportarbeitergewerkschaft eingetreten, wo er noch vor dem Ersten Weltkrieg zum Vorsitzenden der Abteilung Fuhrleute aufstieg. Als er 1910 seine zukünftige Frau Rosa Koch kennenlernte, war er als Fuhrmann tätig. Rosa, geboren am 27. März 1890 in Bargfeld, war Plätterin bei der Wäscherei „Frauenlob", die auf einer von Thälmanns Touren lag. Die beiden heirateten 1915, kurz bevor Ernst Thälmann zur Artillerie eingezogen wurde. Wie viele, die vor 1914 politisch links gestanden hatten, kämpfte er während des gesamten Krieges loyal für sein Vaterland. Als die Armee im Herbst 1918 aufgelöst wurde, kehrte er nach Hamburg zurück. Auch als führender Kommunist blieb er stolz auf sein „Eisernes Kreuz“ II. Klasse, einer Auszeichnung, die im Frühjahr 1918 en masse verliehen worden war, um die Moral der bedrängten Truppen zu heben. Mindestens zweimal wurde Ernst Thälmann bei Kampfhandlungen verwundet.

Wieder in Hamburg, fand er eine gut bezahlte Stelle beim Arbeitsamt, wo er bis zum Inspektor aufstieg. Während dieser Zeit wurde sein einziges Kind, die Tochter Irma (6. November 1919) geboren. Ernst Thälmanns politische Karriere nahm nach dem Krieg einen rasanten Aufschwung. Er schloss sich der Hamburger Ortsgruppe der USPD an, die aus der SPD hervorgegangen war. Als führendes Mitglied ihres linken Flügels setzte er sich sehr für den Zusammenschluss der Partei mit der KPD ein, der schließlich im Dezember 1920 vollzogen wurde. Seit Februar 1919 war Thälmann Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft, ein Mandat, das er bis 1933 innehatte.

Ernst Thälmann wurde am 29. März 1921 fristlos gekündigt, nachdem er unerlaubt seinem Arbeitsplatz ferngeblieben war, um einem Aufruf der KPD zu den Waffen zu folgen und sich der so genannten März-Aktion anzuschließen. Dieser Aufstand war ein Versuch vor allem mitteldeutscher KPD-Anhänger und -Anhängerinnen, die bürgerliche Republik zu schwächen. Er scheiterte. Für kurze Zeit arbeitete Thälmann anschließend wieder sowohl für seinen Vater als Fuhrmann als auch auf Werften. Seit der „März-Aktion" verdiente er sein Geld jedoch in erster Linie als hauptamtlicher Mitarbeiter der KPD.

Während einer Welle rechtsradikalen Terrors wurde 1922 ein Versuch unternommen, Ernst Thälmann zu ermorden. Am 17. Juni explodierte eine Handgranate vor der Erdgeschosswohnung der Familie in der Siemssenstraße 4. Sie richtete nicht nur Sachschaden an, sondern jagte auch seiner Frau und der kleinen Tochter einen Riesenschrecken ein.

1924 wurde er in den Reichstag gewählt, wo er bis zum Ende der Weimarer Republik der Parlamentsfraktion der KPD vorstand. Diese Funktion brachte längere Aufenthalte in Berlin mit sich. Außerdem war Thälmann regelmäßiger Gast in Moskau, sowohl in seiner Rolle als führender deutscher Kommunist als auch als Mitglied des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationalen. Das Exekutivkomitee lenkte die Politik der Mitgliedsparteien, koordinierte sie nach einheitlichen Grundsätzen und verfolgte als Endziel die Weltrevolution.

Sein Auftreten als „Mann aus dem Volk" – ungelernter Transportarbeiter mit Hamburger Zungenschlag und Schiffermütze – war hilfreich für seinen Aufstieg zum Vorsitzenden einer deutschen KP Stalinscher Prägung Persönlich nahe stand er Stalin jedoch nie. Im Herbst 1925 wurde Ernst Thälmann auf Intervention Stalins Vorsitzender der KPD und mithin zu Deutschlands prominentestem Kommunisten. Durch seine Kandidatur für das Amt des Reichspräsidenten bei den Wahlen 1925 und 1932 geriet er einmal mehr ins Scheinwerferlicht innenpolitischer Aufmerksamkeit.

Sein Spitzname „Teddy" wurde nach dem so genannten Hamburger Aufstand von 1923 in der KPD verbreitet. Einem Parteimythos zufolge hatte er außergewöhnlichen Kampfgeist bewiesen – er sei ein Kämpfer, dem alle Kommunisten nacheifern sollten.

Für sein Familienleben wurden Thälmanns politische Aktivitäten mehr und mehr zur Zerreißprobe. Seine Frau blieb mit der Tochter in Hamburg, ab 1929 in der Tarpenbekstraße 66, wo die Wohnung aus Sicherheitsgründen im 2. Stock lag. Rosa und Irma lebten mit Rosas Vater in einem „typischen Arbeiterhaushalt", wie es ein höherer KPD-Funktionär ausdrückte. In Berlin trat Thälmann, was Kleidung und Sprache anging, weiterhin als Hamburger Arbeiter auf. Traf er mit Menschen zusammen, die nicht aus seinem Milieu stammten, fühlte er sich unwohl. Wahrscheinlich war sein Bedürfnis nach einem Zuhause der Auslöser für eine Liebesaffäre mit seiner Vermieterin Martha Kluczynski, einer KPD-Genossin.

In ihrer Wohnung in der Lützower Straße 9 in Charlottenburg wurde Ernst Thälmann am 3. März 1933 zusammen mit seinem engen Mitarbeiter Werner Hirsch bei einer Razzia der Schutzpolizei verhaftet. Martha Kluczynski sollte ihn nicht wiedersehen. (1975 starb sie in Ost-Berlin.) Laut Polizeiakte standen Thälmanns gepackte Taschen bereit – ein Hinweis auf die (zu) späte Entscheidung, in den Untergrund zu gehen.

Ernst Thälmann verbrachte fast zwölf Jahre in Einzelhaft in Hitlers Kerkern. In den ersten Jahren wurde er gefoltert. Später bot man an, ihn freizulassen, wenn er öffentlich dem Sowjetkommunismus abschwören würde. Auf diesen Handel ließ er sich nicht ein. Thälmann saß zuerst im Berliner Gefängnis Moabit ein, bevor er nach Hannover, später nach Bautzen verlegt wurde.

Mindestens einmal wurde ernsthaft geplant, ihn aus der Gefangenschaft zu befreien, aber im letzten Moment unterbanden die im Exil lebenden KPD-Führer diesen Versuch.

In all diesen Jahren erhielt Thälmann regelmäßig Besuch von seiner Frau. Indem sie Kontakt zu verschiedenen Kurieren hielt, agierte sie als Bindeglied zwischen ihm und der im Exil lebenden KPD-Führerschaft. Durch die Treue zu ihrem Mann ging Rosa ein hohes Risiko ein. Mindestens einmal wurde sie von der Gestapo verhaftet. Außerdem arbeitete sie eng mit Thälmanns Hamburger Rechtsanwalt zusammen, bis die Nationalsozialisten Mitte der 1930- er Jahre alle Aussichten auf einen Prozess zunichte machten.

Wie schon während des Ersten Weltkriegs erwies sich Thälmann auch im Gefängnis als eifriger Briefeschreiber. Die erhaltenen Dokumente ermöglichen Einblicke in seine Persönlichkeit. In Briefen an enge Angehörige – von Tochter und Frau bis zu Vater und Schwager – wechselte er übergangslos von Familienangelegenheiten zu politischen Themen. Eine besonders enge Beziehung entwickelte er zu seinem Vater, der 1927 in die KPD eingetreten war, nachdem die Inflation sämtliche Familienersparnisse „geschluckt" hatte. Vom Tod des Vaters am 31. Oktober 1933 erfuhr Thälmann im Gefängnis Moabit, an der Beerdigung in Hamburg am 4. November 1933 durfte er nicht teilnehmen. Seine Mutter, die ihm nicht so nahe gestanden hatte, war bereits am 9. März 1927 in Hamburg verstorben.

In der Zeitung las Ernst Thälmann gern Meldungen über Hamburg und hob hervor, er sei stolz, aus einer Stadt zu kommen, die sich als „Zentrum des Welthandels" und „Tor zur Welt" bezeichnete. In der Erinnerung verklärte er das Leben in seiner Heimatstadt und betonte, er habe sich unter den Menschen dort am wohlsten gefühlt.

Thälmanns Ermordung war dem Attentat vom 20. Juli 1944 auf Hitler geschuldet Kurz nach dem misslungenen Anschlag teilte Hitler Himmler mit, Thälmann „ist zu exekutieren". In der Nacht vom 17. auf den 18 August wurde er vom Gefängnis Bautzen ins KZ Buchenwald gebracht, wo er von der SS erschossen wurde. Im Nachkriegs-Westdeutschland gab es einige Versuche, die mutmaßlichen Mörder zu verurteilen – ohne Erfolg.

Rosa und Irma Thälmann waren 1944 im KZ Ravensbrück inhaftiert worden und wurden von der Roten Armee befreit. Nach dem Krieg lebten sie in der DDR und wirkten an der Entstehung des politisch instrumentalisierten „Mythos" Ernst Thälmann mit. Schon während des Spanischen Bürgerkriegs hatte ein Bataillon der Internationalen Brigaden seinen Namen getragen. In der Sowjetischen Besatzungszone wurde 1948 die „Pionierorganisation Ernst Thälmann" gegründet. Später trugen in der DDR und anderen sozialistischen Ländern unzählige Straßen und Plätze, Schulen und Arbeitskollektive seinen Namen, sogar Ortschaften wurden nach ihm benannt. Vor der kubanischen Südküste, in der Schweinebucht gelegen, gibt es eine „Ernst-Thälmann-Insel". Auch in Hamburg wurde 1946 für einige Jahre eine Straße nach ihm benannt. Nach der blutigen Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes zehn Jahre später, erhielt sie allerdings (1956) den bis heute gebräuchlichen Namen Budapester Straße, da man mitten im Kalten Krieg keinen Kommunisten als Namensgeber in der Öffentlichkeit aufwerten wollte.

Die Gedenkstätte Ernst Thälmann am Ernst-Thälmann-Platz (1985 so benannt) in Eppendorf hält die Erinnerung an den „Sohn seiner Klasse", so der Titel eines Defa-Films, wach. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort haben auch den Stolperstein legen lassen. Nach der „Wende" verschwand der Name Ernst Thälmanns in den „neuen Bundesländern" mehr und mehr aus der Öffentlichkeit, heutige junge Menschen wissen kaum noch etwas von ihm.

Ernst Thälmanns Frau Rosa starb am 21. September 1962 in Ost-Berlin, die Tochter Irma am 10. Dezember 2000 im wiedervereinigten Berlin, wo sie 1998 erfolglos als DKP-Kandidatin am Bundestagswahlkampf teilgenommen hatte.

Text: Norman LaPorte, University of Glamorgan, Wales, Übersetzung aus dem Englischen und Bearbeitung Sabine Brunotte, entnommen aus: www.stolpersteine-hamburg.de

Rosa Thälmann, geb. Koch (27.3.1890 Bargfeld bei Hamburg – 21.91962 Berlin/DDR)

Rosa Koch war das achte Kind eines armen Schuhmachers. Sie besuchte der Volksschule und wurde Landarbeiterin, später Wäscherin/Plätterin in der Großwäscherei „Frauenlob“. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann Ernst Thälmann kennen, der für die Wäscherei als Kutscher arbeitete und Rosa zur „Politik brachte“. 1915 heiratete das Paar. Rosa Thälmann gehörte - so wie ihr Mann auch - seit 1918 der USPD und später der KPD an. 1919 wurde die Tochter Irma geboren. Nachdem Ernst Thälmann Anfang März 1933 verhaftet worden war, besuchte Rosa Thälmann ihren Mann alle drei Wochen in Gefängnis Berlin-Moabit und übermittelte Nachrichten. Im April 1943 wurde die Tochter Irma verhaftet, im Mai Rosa Thälmann. Im September 1944 wurden Mutter und Tochter ins KZ Ravensbrück überführt.

1950 wurde Rosa Thälmann Abgeordnete der Volkskammer in der DDR und Mitglied des Präsidiums der Antifaschistischen Widerstandskämpfer.