Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Siemssenstraße

Eppendorf (1904): Georg Theodor Siemssen (15.3.1816 Hamburg – 24.11.1886 Hamburg), Kaufmann, Grundeigentümer.


Siehe auch: Hübenerkai und Hübenerstraße
Siehe auch: Edgar-Roß-Straße
Siehe auch: Nissenstraße
Siehe auch: Berenberg-Gossler-Weg
Siehe auch: Laeiszstraße
Siehe auch: Donnerstraße

In Hamburg Eppendorf wurde deshalb eine Straße nach Georg Theodor Siemssen benannt, weil er in der dortigen Tarpenbekstraße ein Landhaus besaß, in dem er seinen Lebensabend verbrachte und dort starb. In der Nähe dieser Verkehrsfläche befindet sich auch die Nissenstraße, die nach Siemssens langjährigem Teilhaber benannt ist.

Georg Theodor Siemssen
Portrait von Georg Theodor Siemssen

Georg Theodor Siemssen war der Sohn von Magdalena Elisabeth Siemssen, geborene Claessen und des Weinhändlers Jürgen Jacob Siemssen.

Als Georg Theodor Siemssen 16 Jahre alt war, begann er eine kaufmännische Lehre in der Handelsfirma Roß & Co. (ab 1833 Roß, Vidal & Co.) (siehe: Edgar-Roß-Straße), „für die er ab 1837 zwei Handelsexpeditionen nach Australien, Tasmanien sowie Ostindien leitete, und (…) von 1841 bis 1845 in Batavia, Singapur und China (Macao, Canton) für T.E. Vidal & Co. tätig [war].“ 1)

1848 machte sich Siemssen als erstes hamburgisches Handelsunternehmen in Canton/China mit der Firma „Siemssen & Co.“ selbstständig. Unterstützt wurde er dabei durch Ross, Vidal & Co.

In dieser Zeit war wenige Jahre zuvor der erste Opiumkrieg geführt worden. Hintergrund dieses Krieges war die von chinesischen Exporteuren an England gerichtete Forderung, die Lieferungen von Tee, chinesischem Porzellan und Seide mit Silber zu bezahlen, da China Silber für die Finanzierung ihrer Grenzkriege benötigte. Da England jedoch nicht über genügend Silber zum Bezahlen ihrer importierten Waren aus China hatte, kam England auf die Idee, Opium nach China zu liefern, um sich diese Ware in Silber bezahlen zu lassen. „Um den Silberabfluß und die damit einhergehende Deflation zu vermeiden, ordnete die chinesische Regierung wiederum am 3. Juni 1839 die Vernichtung der Opiumballen der British East India Company in Kanton an. Für London Grund genug, eine Flotte nach China zu entsenden. Der erste Opiumkrieg von 1840 bis 1842 führte zur Eroberung von Tinghai auf Chusan (Zhoushan), (…).

Nachdem Kanton (Guangzhou), Amoy (Xiamen), Tientsin (Tianjin), Ningpo (Ningbo), Chinkiang (Zhenjiang) und Shanghai erobert worden waren, kam es zu Verhandlungen, die in den Vertrag von Nanking (Nanjing) mündeten. Ergebnis des Wirtschaftskriegs war neben Reparationszahlungen die Öffnung von 4 Häfen für Außenhandel (Kanton, Amoy, Foochow [Fuzhou], Ningpo und Shanghai), die Abschaffung des seit 1765 bestehenden Handelsmonopols der 13 Hong und damit einhergehend das de facto Ende chinesischer Zollhoheit.“ 2)

Der erste Opiumkrieg bewirkte, dass „die territoriale, politische, finanzielle und wirtschaftliche Souveränität des Landes massiv eingeschränkt und China zu einer informellen Kolonie gemacht“ [wurde], 3) schreiben der Historiker Zhu Yiiie und die Sinologin Mechthild Leutner in ihrem Beitrag „Deutscher Kolonialismus in China. Nicht nur Kiautschou: eine (fast) vergessene Geschichte“.

Von der Zwangsöffnung der vier Häfen 1842 profitierten deutsche Handelshäuser. Deshalb kam es zu mehreren Firmengründungen, wozu auch die Firma Siemssen & Co. (Kanton, 1.10.1846) gehörte. Der Handel, hauptsächlich mit Tee und Reis, florierte.

Um noch größeren wirtschaftlichen Einfluss zu bekommen, wollte Siemssen Hamburgischer Konsul in Canton werden. Obwohl mit diesem Amt erhebliche Mehrarbeit verbunden war, was darüber hinaus auch noch ehrenamtlich geleistet werden musste, war dies Amt begehrt, denn es garantierte wirtschaftliche Vorteile. Durch solch ein Amt stieg die Firma in ihrem Ansehen, was sich wiederum wirtschaftlich durch vermehrte Aufträge auswirkte.

Siemssen konnte erreichen, dass er das Amt bekam, außerdem bewirkte er beim Hamburger Senat, dass dieser 1858 Woldemar Nissen als Siemssens Nachfolger bestätigte.

1855 ließ sich Siemssen mit seiner Firma auch in Hongkong nieder. Denn: „Nach Übernahme Hongkongs durch die Engländer 1842 nahm die Bedeutung dieses Handelsplatzes kontinuierlich zu; die britische Kronkolonie schickte sich an, das flußaufwärts und damit ungünstiger gelegene Canton mit seinem Hafen Whampoa zu überflügeln.“ 4) Die Leitung dieser Firmenniederlassung erhielt Ludwig Wiese. Ein Jahr zuvor hatte Siemssen die Leitung seines Geschäftes in Canton Woldemar Nissen übergeben. Nissen wie auch Wiese hatten das Geschäft in der Firma von Edgar Ross gelernt.

1856 folgte eine weitere Niederlassung, diesmal in Shanghai. „1860 wurde das von Georg Wilhelm Schwemann geleitete Kontor in Foochow in Siemssen & Co. eingebracht. Die Vergrößerung der Firma, die nun in Canton sowie in Hongkong, Shanghai und Foochow vertreten war, fiel zeitlich zusammen mit zunehmenden Unruhen in China, die – 1853 im Süden beginnend und sich zunehmend ausdehnend – auch Canton erreichten und zu Angriffen auf die dort ansässigen Kaufleute führten. Siemssen und Nissen gelang noch rechtzeitig die Flucht mit ihren Angestellten nach Macao auf portugiesisches Gebiet.“ 5)

Wegen der wirtschaftlichen Vorteile, die Konsuln, die gleichzeitig Kaufmänner waren, genossen, wollte Siemssen „seinem Hause die hamburgischen Konsulate in Shanghai und Foochow sichern, (…) Diese Absichten Siemssens und die (…) 1859 auslaufenden, mit Nissen und Wiese geschlossenen Gesellschafterverträge bedingten eine Neuordnung der Firmenleitung in China. Da keine Angestellten, sondern nur ein Firmeninhaber oder -teilhaber ein Konsulat übernehmen durfte, beschlossen die drei bisherigen Partner, die an Weisungen aus Hongkong gebundenen Leiter der Siemssen-Häuser in Shanghai und Foochow als weitere, zu selbständigem Handeln berechtigte Teilhaber aufzunehmen.“ 6)

Eine wichtige Aufgabe eines Konsuls war das Ein- und Ausklarieren der deutschen Schiffe. Dazu schreibt Maria Möring: „Siemssen & Co. besaßen die Agentur für nahezu alle hamburgischen Reeder, die nach dem fernen Osten fuhren. „(…) Carl Laeisz [siehe: Laeiszstraße] vertraute ihm seine ‚Pudel‘, den ersten Segler der berühmten ‚P-Liner‘, und Carl Woermann die ‚Carl‘ an. (…) für gemeinsame Rechnung mit Conrad Hinrich Donner [siehe: Donnerstraße] schickte er die ‚Johann-Christoph‘ nach San Franzisco. Von dort fuhr sie kalifornischen Weizen nach China. Ähnliche Unternehmen machte er zusammen mit Carl Laeisz, H. Mutzenbecher & Co., Joh. Berenberg, Gossler & Co. [siehe: Berenberg-Gossler-Weg] und Roß Vidal & Co. (…).

Siemssen übernahm den Wareneinkauf in Hamburg und schloß die Charterverträge; sein Haus in China veräußerte die eigehenden Partien, besorgte die Rückfahrt und beschäftigte die Schiffe zwischenzeitlich in der Küstenfahrt. Nordwärts bestand die Ladung aus Reis und Zucker, auf der Rückfahrt nach Süden vornehmlich aus Erbsen und Bohnenkuchen. Siemssen & Co. besorgten Schiffsgeschäfte ebenfalls für chinesische Kaufleute.“ 7)

1856 begann der zweite Opiumkrieg, der bis 1860 dauerte. Dazu schreiben Zhu Yiiie und Mechthild Leutner: „Mit dem Zweiten Opiumkrieg 1858/60 waren [die] halbkolonialen Strukturen [in die China durch den ersten Opiumkrieg geraten war] gestärkt und erweitert worden. Das profitabelste Handelsgut war Opium. Dass es eine Droge mit verheerenden Folgen für die Einzelnen und für das gesamte Land war, wurde verharmlost. Opium konnte nun nach den neuen Verträgen, wie auch alle anderen Waren, zu Dumping-Preisen eingeführt werden.

Das Wirtschafts- und Finanzgefüge des Landes wurde zerstört und China wurde zu zahlreichen Anleihen zwecks Zahlung der riesigen Entschädigungssummen an die imperialistischen Mächte gezwungen. Große Bevölkerungsschichten verarmten, in der Folge gab es Aufstände – gegen die ausländischen Aggressoren und ihre Vertreter und gegen die Qing-Regierung, die diese Ausbeutung und finanzielle Ausblutung des Landes nicht stoppen konnten. Preußen, ab 1871 das deutsche Kaiserreich, profitierte von den wirtschaftlichen Vorzügen des halbkolonialen Systems seit 1865, (…).“ 8)

Auch Siemssen war am Opiumhandel beteiligt. Maria Möring meint dazu entschuldigend einräumen zu müssen, dass, „Siemssen & Co. sich nie gern [damit] befaßt [hätten], obwohl es sich kaum umgehen ließ.“ 9) Die Frage, die sich hier unweigerlich stellt, warum sich dieser Handel nicht umgehen ließ, wird nicht angeschnitten. Siemssen & Co. waren auch an der Einfuhr von Pistolen und Perkussionsgewehren nach China beteiligt, woran „stellenweise sehr dick“ verdient wurde, zitiert Maria Möring Woldemar Nissen, der außerdem dazu äußerte: „nur läßt es sich nicht leugnen, daß es kein angenehmer Artikel ist, den wir jedenfalls nur hier in Honkong verkaufen können, um nicht mit den Zollbehörden in unangenehmen Konflikt zu kommen.“ 10)

Gegen Ende der 1850er Jahre kehrte Siemssen nach Hamburg zurück. 1859 heiratete der damals 42-Jährige die damals 25-jährige Maria Amalia Kramer (1833-1902). Im selben Jahr ließ Siemssen seine Hamburger Firma G. T. Siemssen im Hamburger Handelsregister eintragen.

Siemssen fungierte in Hamburg als Mitglied der Finanzdeputation und der Bürgerschaft sowie als Handelsrichter und Kirchenvorsteher zu St. Nicolai. 11)

Ende 1867 schied Siemssen aus seinen China-Firmen aus und zog sich 1869 von der Geschäftsführung in Hamburg zurück. Sein erworbenes Vermögen erlaubte es ihm, sich ehrenamtlich zu betätigen. So gehörte er „von 1871 bis 1884 der Verwaltung der Allgemeinen Versorgungsanstalt an; 1877 übernahm er den Posten des Präses.“ 12) Außerdem war er von 1862 bis 1873 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft.

Als er starb, war von den sechs Kindern, die das Ehepaar Siemssen hatte, „(…) nur die älteste Tochter, Magdalena Cornelia, verheiratet: Ihr Ehemann, Dr. jur. Carl August Schröder Junior, der spätere Bürgermeister, vertrat sie und ihre Mutter Maria Amalia Siemssen, geb. Kramer, in allen Erbschaftsfragen; gemeinsam mit Woldemar Nissen übte er die Vormundschaft über die beiden minderjährigen Töchter seines verstorbenen Schwiegervaters aus. Die wirtschaftliche Abwicklung der Hinterlassenschaft blieb in Nissens Hand. Dieser setzte das Geschäft mit der Witwe und den Erben seines verstorbenen Teilhabers fort, ‚bis die überseeischen Verbindungen der Firma eine definitive Festsetzung zulassen‘. Seit dem 23. Mai 1887 führte er das Unternehmen ‚in Gemeinschaft mit dem neueingetretenen Frederik Albert Gültzow, als alleinigen Inhabern unter unveränderter Firma fort.‘“13)