Flora-Neumann-Straße
St. Pauli, seit 2010, benannt nach Flora Neumann (23.3.1911 Hamburg – 19.9.2005 Hamburg), jüdische Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus
Diese nach Flora Neumann benannte Straße war vorher der Nordteil der Grabenstraße.
Flora Neumann hat an den Hamburger Schulen bis ins hohe Alter als Zeitzeugin Tausende von Schülerinnen und Schülern über die NS-Zeit und den Holocaust aufgeklärt; zugleich zur Erinnerung an ihren Ehemann Rudolf N. (1908-1999), Elektriker, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, sowie an ihren Sohn Bernd, der mit den Eltern Auschwitz überlebte. Die jüdische Widerstandskämpferin Flora Neumann wurde 1911 in Hamburg geboren und war Schülerin an der Israelitischen Töchterschule in der Karolinenstraße (das Hauptgebäude ist unzerstört erhalten geblieben. In einigen Klassenräumen hat die Hamburger Volkshochschule eine Gedenkstätte als Museum Dr. Albert-Jonas-Haus in der Karolinenstraße 35 eingerichtet). 1938 floh Flora Neumann mit ihrem Sohn nach Belgien und Frankreich und war im Widerstand gegen Hitler aktiv. Das Ehepaar wurde verraten und auf der Flucht getrennt. Ihren Sohn Bernhard konnten sie in einem belgischen Kloster verstecken. 1943 wurde Flora Neumann verhaftet und in das Konzentrationslager Auschwitz bei Krakau (Polen) deportiert. Sie überlebte nicht nur das KZ Auschwitz, sondern auch den Todesmarsch 1945 Richtung Westen in das KZ Ravensbrück (damaliger brandenburgischer Landkreis Templin-Uckermark). Nach der Befreiung traf sie ihren Mann, der das KZ Buchenwald überlebt hatte, in Brüssel wieder.
1951 kehrte sie gemeinsam mit ihrem Mann nach Hamburg ins Karolinenviertel zurück. Für jeden Tag, den sie im KZ hatten verbringen müssen, erhielten sie eine Entschädigung von 5 DM. Mit dem Betrag eröffneten sie in der Karolinenstraße eine Wäscherei.
Flora Neumann war ein außerordentlich aktives Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. 2005 starb Flora Neumann im Alter von 94 Jahren. Im November 2010 wurde ein Teil der bisherigen Grabenstraße im Karolinenviertel nach ihr benannt. Im Rahmen des städtebaulichen Erneuerungskonzeptes St. Pauli-Nord/Karolinenviertel ist mit dem Richtfest für das jüdische Kulturhaus Karolinenviertel in der Turnhalle der ehemaligen Israelitischen Töchterschule an der Flora-Neumann-Straße „ein weiterer Schritt gegen das Vergessen getan“. 1)
Flora Neumanns Lebenserinnerungen mit dem Titel „Erinnern, um zu überleben“ (mit einem Nachwort von ihrer Nichte Peggy Parnass. Hamburg 2006) sind ein bewegendes und seltenes autobiographisches Zeugnis jüdischen Widerstandes während der NS-Zeit sowie des Überlebens in Vernichtungslagern. Peggy Parnass beschrieb in ihrem Nachwort zu den Lebenserinnerungen Flora Neumann so: „Die kleine, große Widerstandskämpferin. Klein, kulleräugig, sinnlich, lebenslustig, liebevoll, charmant, fröhlich, warm, spontan, unendlich großzügig. Ihre KZ-Nummer: 74559. Hübsch und leserlich am linken Arm. Nicht auszuradieren. Flora, ihr Mann und ihr Sohn sind die einzigen Hamburger Juden, die als Familie überlebt haben. Die Bilder von Auschwitz haben Flora nie losgelassen. Bis zuletzt hat sie politisch Stellung bezogen, gegen Gleichgültigkeit und Ungerechtigkeit gekämpft. Wer sie kannte, liebte sie.“
Text: Cornelia Göksu