Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Amundsenstraße

Altona-Altstadt (1950): Roald Amundsen (16.7.1872 Kommune Borge/Norwegen – verschollen, vermutlich 18.6.1928 in der Arktis nahe der Bäreninsel), Polarforscher, Entdecker des Südpols, Freimaurer


Siehe auch: Nansenstraße

Vor 1950 hieß die Straße Große Mühlenstraße. In der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Altonaer Mühlenstraße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es aber nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1950 bei große Mühlenstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)

Roald Amundsen entstammte einer begüterten Familie. Nach dem Tod seines Vaters, des Schiffseigners und Kapitäns Jens Ingebrigt Amundsen (1820–1886), der später im Handelsministerium arbeitete, kümmerte sich die Mutter Gustava Amundsen, geb. Sahlquist (1837– 9.9.1893) um die Familie. Sie wollte, dass ihr Sohn Medizin studierte, doch Roald hatte schon seit seiner Kindheit den Traum, Polarforscher zu werden. Er folgte zwar dem Wunsch seiner Mutter und begann ein Medizinstudium, ging aber kaum zu den Vorlesungen. Und als seine Mutter 1893 starb, brach er das Studium ab und widmete sich ganz seinen Neigungen. Später schrieb er dazu: „Mit großer Erleichterung verließ ich kurz darauf [nach dem Tod seiner Mutter] die Universität, um mich mit ganzer Seele in den Traum meines Lebens zu stürzen.“ 1)

Roald Amundsen wurde zu einem norwegischen Nationalhelden. Spätere Biografien haben am Glanzbild des Entdeckers Korrekturen vorgenommen. „Amundsen war eine ausgeprägte Führungsfigur, aber auch ein Despot, der keine andere Meinung gelten ließ und seine Gefährten unterdrückte. Er überwarf sich im Streit um die Finanzen mit der eigenen Familie. Er hatte Angst, sich zu binden, hatte Verhältnisse mit verheirateten Frauen und zog sich zurück, wenn diese begannen, von Scheidung zu sprechen. Er hatte zwei Adoptivkinder aus Sibirien, die er wieder heimschickte, als ihm das Geld ausging. Das ‚Experiment‘ sei beendet, erklärte er.“ 2)

Zu den beiden Kindern gibt es Näheres zu berichten: Auf seiner letzten Schiffsexpedition in Richtung Nordpol (1918-1921) mit dem Dreimaster ‚Maud‘ steckt Amundsen drei lange Winter hintereinander im nordsibirischen Eis. Um zu überleben, geht die Mannschaft auf Jagd, findet im Hinterland verarmte Eingeborenensiedlungen, tauscht Felle und Schlittenhunde.
Einer der Eingeborenen schlägt sich bis zur ‚Maud‘ durch, darf an Bord arbeiten, geht dann in seine Siedlung zurück, holt seine vierjährige Tochter, um sie vorm Verhungern zu retten – und sie bleibt bei Amundsen. Kurz danach folgt ein zweites, zehnjähriges Mädchen, Tochter einer sibirischen Mutter und eines australischen Goldsuchers – auch sie bleibt an Bord, und beide werden von Amundsen adoptiert. Zunächst noch auf dem Schiff, dann auf langen und lukrativen Vortragsreisen durch Nordamerika und Europa präsentieren sich die Drei in den nächsten Jahren wie eine kleine exotische Familie. Die Mädchen lernen Norwegisch, gehen in Oslo zur Schule, haben dort Freunde. Und plötzlich entscheidet sich Amundsen, die beiden Mädchen gegen ihren Willen nach Sibirien zurückzuschicken.“ 3) Und weiter heißt es in einer anderen Veröffentlichung über die beiden Mädchen:

„Auch wenn sie aus einem Nomadenvolk Sibiriens stammen, werden sie als Amundsens Eskimomädchen weltberühmt. Amundsen heckt schon neue Pläne aus. Er will mit einem Flugzeug zum Nordpol. Doch die finanzielle Lage ist katastrophal. Obwohl sein Bruder Leon eigenes Geld nachschießt, muss Amundsen zum Konkursgericht. Ein Skandal. Es kommt zum Bruch mit dem Bruder, und damit auch zur Schicksalswende für die Mädchen, sie müssen zurück. Amundsen emotionslos: ‚Das war letztlich auch ein Experiment. Sehen Sie, die Leute oben in Nome und jenen Gegenden wollen nicht zugeben, dass Eskimos lernfähig sind. Es ist eine gängige Vorstellung, dass sie nur bis zu einem gewissen Entwicklungsstand gebracht werden können, bis dahin und nicht weiter‘.“4)

Über Amundsens Verhältnis zu Menschen und Tieren schreibt die Zeitung Die Welt: „Zu Menschen und Tieren hatte der unter den Besatzungsmitgliedern wegen seiner Unberechenbarkeit gefürchtete ‚Chef‘ durchaus ein ‚funktionales Verhältnis‘. Zur Zerstreuung nahm er Eskimofrauen an Bord auf und verspeiste auch schon mal seine Schlittenhunde.“ 5)

Und in einer Rezension über die von Tor Bomann-Larsen 2007 verfasste Amundsen Biographie unter dem Titel „Amundsen – Bezwinger beider Pole. Die Biographie“ heißt es über die Person Amundsen: „Die Welt kannte Roald Amundsen als den einsamen Helden, jene perfekte Figur für unsere Schulbücher. In dieser Biographie nun lernen wir einen Amundsen mit sehr menschlichen, allzu menschlichen Zügen kennen. Da stellt sich heraus, Amundsen war eigentlich ein autokratischer Egomane, ein gerissener Geschäftsmann und ein Meister in der Vermarktung seiner eigenen Person, und, wenn man so will, ein Hochstapler und Lebemann. Amundsen war eigentlich ständig bankrott, woraus ihn immer wieder wie im Märchen nur Sponsoren retteten.

Seine lebenslange Sucht, Rekorde zu brechen, verschlang Unsummen der norwegischen Regierung, die er immer wieder ‚veruntreute‘, um seine private One-Man-Show anzukurbeln. Wobei die Rekorde nur als finanzielle Quelle für sein ausgiebiges Jet-Set-Leben dienten, das sich ausschließlich um zwei Frauen drehte. “ 6)