Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Gänselieselweg

Billstedt, (1952). Motivgruppe: Märchengestalten


Siehe auch: Grimmstraße, Iserbrook (1930): Brüder Grimm, Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859)

Die Gänseliesel ist eine Gestalt aus dem Märchen „Die Gänsemagd“ der Gebrüder Grimm (siehe: Grimmstraße) und „stellt eine Entwicklungs- und Erziehungsgeschichte“ zum Erwachsen- und Selbstständig-Werden dar, 1) schreibt Rose Marie Feyen-Müllhausen in ihrer Dissertation „Märchen – erlebte und gelebte Erziehung“ und erklärt: Dabei „wird ein Erziehungsweg gezeigt, der den Wert der Erziehung in einer flexiblen und lebendigen Wandlung in der Anpassung an neue Gegebenheiten deutlich machen soll. (…)

Eine Kind-Prinzessin erfährt (..) den Weg der Erziehung zur Königin (…), eine Prinzessin (..), die von ihrer Mutter bisher aus aller Eigenverantwortlichkeit herausgehalten wurde. Stattdessen erhält sie in einer entscheidenden Lebenssituation von ihrer Mutter Gaben, derer sie sich aber nicht zu bedienen weiß: Sie begreift sie nämlich zunächst nur als äußere Gaben. Sie erfasst diese Gaben – die drei Blutstropfen wie auch das Pferd Falada – nicht in ihrer symbolischen Bedeutung, nämlich als Lebens entscheidende Hinweise, sondern lediglich als materielle, für sie nicht weiter verständliche Beigaben. Hätte sie diese Gaben in ihrer symbolischen Bedeutung verstanden, dann hätte sie diese mit großer Sorgfalt aufbewahrt und dementsprechend behandelt.

(…) die drei Blutstropen [lassen] sich als eine Weitergabe des Lebens von der Mutter an die Tochter verstehen. Das Pferd Falada steht in seiner symbolischen Bedeutung für das Tragen ins Leben, als lebendes Pferd, aber auch als abgeschlagener Kopf unter dem Torbogen hängend, als Hüter und Wächter.

Durch die anschließenden Erfahrungen findet für die Prinzessin ein Erziehungsprozess zu einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung statt. (…)

Die ungetreue Magd ist als eine erste Herausforderung durch das ‚andere‘ der Welt anzusehen, nämlich das Böse und Feindliche. (…)

Bruno Bettelheim bezieht den Erziehungsfaktor der drei Blutstropfen leider ausschließlich auf den biologischen Anteil des Lebens, nämlich auf die sexuelle Reifung einer jungen Frau. (…) Bettelheim ist der Ansicht, dass diese drei Blutstropfen im Märchen ‚Die Gänsemagd‘ vor allem ein Hinweis auf das Erwachsenwerden der Prinzessin sind: auf ihre werdende sexuelle Reife als Sinnbild für die Menstruation. Dies ist sicherlich ein Hinweis, aber ein eingeschränkter, der an einer erziehungsrelevanten Aussage vorbeigeht, es sei denn, der Erziehungssinn läge nur darin, das junge Mädchen auf die kommenden Veränderungen ihres Körpers vorzubereiten. Sicherlich ist es ein Hinweis, der zu beachten ist, zu der gesamten Sinngeschichte des Märchens aber schlecht passt. (…) Keine wirkliche Mutter jedenfalls könnte so einfältig sein (…) und sich in ihren Gedanken und Wünschen für ihre Tochter nur mit deren Funktionsfähigkeit als weiblich-sexuelles Wesen beschäftigen. (…)

Als der Hütejunge im weiteren Verlauf des Märchens [die Königstochter] bedrängt, er würde ihr gerne einen Teil ihrer schönen goldenen Haare ausreißen – und Haare sind Sinnbild sexueller Lebenskraft (…) – weiß sie sich zu wehren, weil sie an den Schwierigkeiten bzw. den Aufgaben schon gewachsen ist. Ihre Entwicklung und Erziehung hat inzwischen in ihr zu einer solchen Klarheit und Entschiedenheit geführt, dass sie die (sexuelle) Bedrängung des Hütejungen ablehnt und abwehrt. Nicht zuletzt lernt sie dabei, eigene Wünsche zu erkennen und danach zu handeln (…).“ 1)