Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Geibelstraße

Winterhude (1888): Emanuel Geibel (17.10.1815 Lübeck – 6.4.1884 Lübeck), Schriftsteller


Siehe auch: Bettinastieg
Siehe auch: Marianne-Wolff-Weg

In der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Friedrich-Siemer-Straße werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam. Bedingt durch den Krieg kam es aber nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bei Geibelstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg: 133-1 II, 38. Anlage 2. Große Umbenennung von 1938. Die neu vorgeschlagenen Straßennamen nach Stadtteilen geordnet unter Angabe der verwendeten Benennungsmotive)

„Ahnend sagt dir ein weibliches Gemüt, was gut und was schön sei, doch misstraue der Frau, wenn sie mit Gründen dir kommt.“ (Emanuel Geibel)

„Der Mann fragt Bücher, Freunde, Welterfahrung, Das Weib vernimmt des Herzens Offenbarung.“ (Emanuel Geibel; Gedichte. Aus: Valer und Anna)

Emanuel Geibels Mutter hieß Louise, geb. Ganslandt (1778-1841) und entstammte einer angesehenen Kaufmannsfamilie, sein Vater, Dr. Johannes Geibel (1776-1853), war Pastor in Lübeck. Louise Geibel gebar acht Kinder.

Emanuel Geibel studierte Theologie (1835-1836) und Philologie (1836-1838), brach das Studium aber bereits 1838 ab. Im selben Jahr: „vermittelte ihm Bettina von Arnim [siehe: Bettinastieg], in deren Salon der junge Mann durch seine eleganten Reden auffiel, eine Anstellung als Hauslehrer eines griechischen Fürsten in Athen.“ 1)
Über Geibels weiteren Lebensweg, nachdem er aus Griechenland zurückgekehrt war, schreibt Renate Werner: „Zu diesem Zeitpunkt - Frühjahr 1840 – war Geibel, der den Lübeckern das provokative Schauspiel eines Dandy gab, 25 Jahre alt. Um im Duktus der ‚Leute‘ zu sprechen: ein verkrachter Student mit abgebrochenem Theologie- und Philologie-Studium, mit einem erschlichenen Doktor-Titel versehen (Sein ‚Doktorat‘ hatte er sich in Jena durch Beziehungen auf sehr denkwürdige Weise verschafft – ohne Prüfung und ohne die obligatorische wissenschaftliche Abhandlung (…). Die Dissertation wurde nie eingereicht, Geibel aber führte den Titel, gelegentlich), zurück von einem Griechenlandaufenthalt, bei dem er sich ohne Engagement und Erfolg bei dem russ. Botschafter in Athen Katakazi als Hauslehrer versucht hatte. Die aristokratischen Zöglinge betrachteten Geibel offenbar als einen Domestiken, so dass dieser empört den Dienst quittierte – ohne allerdings den wahren Sachverhalt genauer zu thematisieren. (…).“ 2)

1841 starb Geibels Mutter und Geibel verfiel „in Schwermut. Er lebt erst wieder auf, als ihn ein Freund der Familie auf sein bei Kassel gelegenes Schloss Escheberg einlädt. Hier verfasst Geibel das Drama König Roderich und mit den Zeitstimmen ein Bändchen politischer Gedichte. Seine konservative Haltung sichert Geibel auch die Aufmerksamkeit höchster und allerhöchster Kreise.“ 3)

König Friedrich Wilhelm IV. wurde auf ihn aufmerksam und so kam Geibel: „1843 – (…), wie es in der Hallischen Literaturzeitung nicht eben freundlich hiess, (…) ‚unter die preussischen Staatsschulden‘; der preußische König Friedrich Wilhelm IV. hatte ihm, nominell ohne Gegenleistung (de facto aber sehr wohl mit – in der Erwartung staatskonformer Panegyrik) eine Pension auf Lebenszeit in der Höhe von 300 Talern ausgesetzt, ein solider, wenn auch bescheidener existentieller Grundstock. Erleichtert schrieb Geibel seinem Gönner, dem Freiherrn Karl von Malsburg auf Escheberg: ‚So bin ich denn nun in den Stand gesetzt, ganz Poet zu sein (…).“ 4)

Geibel wurde ab den 1840er Jahren zu „einem der meist gelesenen Lyriker seiner Zeit. Seine Gedichtbände verkauften sich in enorm hohen Auflagenzahlen, seine Lieder wurden vielfach vertont und werden bis heute gesungen (…).“ 5) Jeder und Jedem ist z. B. das Lied „Der Mai ist gekommen“ bekannt.

Geibels politische Einstellung zeigte sich auch in seiner Literatur. „In den 1840er Jahren politisierten sich Literatur und Kritik. Es zählt vor allem die Gesinnung der Verfasser. Dichtung wird zum Instrument des politischen Machtkampfs. Die Autorinnen und Autoren sehen sich gezwungen, Partei zu nehmen und auch Geibel bezieht klar Position. In seiner Dichtung bringt er eine konservative, die alten Machtverhältnisse bejahrende Haltung zum Ausdruck.“ 6)

„1852 bot König Maximilian II. Geibel an, für immer nach München zu ziehen, und an den gelehrt-künstlerischen Symposien am Hofe teilzunehmen. Verbunden war damit eine nominelle Professur für Ästhetik und Literaturgeschichte, die Geibel ganz ausdrücklich erbeten hatte. Seine Berufung war Teil der Kulturpolitik Maximilians, der nach den Erfahrungen der 48er Revolution einen strikt reaktionären legitimistischen und antiliberalen Kurs steuert, die Stellung der Monarchie neu zu festigen suchte und danach strebte, München zu einem Weimar des 19. Jahrhunderts zu machen..“ 7)

Im selben Jahr, als Geibel die Stelle in München annahm, heiratete er, nun 37 Jahre alt, die 20 Jahre jüngere Amanda (Ada) Trummer (15.8.1834 Lübeck -21.11.1855), in die er sich ein Jahr zuvor verliebt hatte. Ein Jahr nach der Hochzeit wurde das einzige Kind, die Tochter Ada (1853-1906) geboren. 1855 starb Geibels Frau nach langer schwerer Krankheit. Die Tochter Ada wurde im Haushalt von Geibels Schwägerin Elise Reuter in Lübeck untergebracht.

1868 strich Ludwig II. von Bayern Geibels Bezüge, wegen dessen preußisch freundlicher Gesinnung und Geibel kehrte nach Lübeck zurück. Er erhielt fortan eine preußische Ehren-Pension in Höhe von 1000 Talern und wurde Ehrenbürger von Lübeck.

Weil Geibel sich für ein deutsches Reich unter Preußens Führung stark machte, wurde er zu einem wichtigen Vertreter einer deutschen Nationalliteratur. Geibel „besang die Herrschaft eines ‚starken Mannes‘“.8)
Helmut Scheuer schreibt über Geibels politische Literatur: „Geibel ist kein politischer Gelegenheitsdichter, sondern hat sich früh für eine klare, politische Stellungnahme entschieden, die sich ganz auf Preußen und damit auch auf eine aggressive preußisch-nationale Agitation ausrichtet.“ 9)

Die Einzigartigkeit der Deutschen, die Geibel besingt, kommt besonders in seinem Gedicht „Deutschlands Beruf“ von 1861 zum Ausdruck:
„Macht und Freiheit, Recht und Sitte,
Klarer Geist und scharfer Hieb
Zügeln dann aus starker Mitte
Jeder Selbstsucht wilden Trieb,
Und es mag am deutschen Wesen
Einmal noch die Welt genesen.“ (Werke IV; S. 215)

Helmut Scheuer resümiert über Geibels politische Lyrik: „Mit ihr [wurde] eine Stimmung in Deutschland unterstützt (…), die Preußen für sein Vormachtstreben und für den damit verbundenen Krieg nutzen konnte. Indem Emanuel Geibel sein lyrisches Talent einer aggressiv-nationalen Politik zur Verfügung gestellt hat, hat er offensichtlich verdrängt, dass die von ihm so hochgeschätzte Klassik aus den ‚Bedingungen einer Kulturnation‘ erwachsen ist, bei der die Humanität und die friedliche Völkergemeinschaft im Vordergrund stehen sollten. Wenn Thomas Mann in seiner Pariser Rechenschaft 1926 die ‚Antithese von Humanität und Nationalismus‘ als ‚größtes historisches Thema` der modernen Zeit benannt hat, dann ist mit dieser bitteren Feststellung auch ein Urteil über Geibels Lyrik gefällt worden.“ 10)