Bettinastieg
Osdorf, seit 1953, benannt nach Elisabeth Catharina Bettina ( e ) von Arnim (4.4.1785 Frankfurt/M. – 20.1.1859 Berlin), Schriftstellerin
Siehe auch: Fanny-Lewald-Ring, Geschwister-Mendelssohn-Stieg, Rahel-Varnhagen-Weg, Schlegelsweg, Schumannstraße
Siehe auch: Arnimstraße, Osdorf, seit 1941: Achim von Arnim (1781 Berlin – 1831 Wiepersdorf), Dichter
Siehe auch: Brentanostraße, Osdorf, seit 1941: Clemens Brentano (1778 Ehrenbreitstein/Koblenz – 1842 Aschaffenburg), Dichter, Bruder von Bettina von Arnim
Siehe auch: Beethovenallee, Lokstedt, seit vor 1934 und Beethovenstraße, Barmbek-Süd seit 1863. Ludwig von Beethoven (1770-1827), Komponist
Siehe auch: Goetheallee, Altona-Altstadt, seit 1928: Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), Dichter. 1782 geadelt, seitdem „von“ G
Siehe auch: Tiecksweg, Eilbek, seit 1904: Ludwig Tieck (1773-1853), Dichter, Dramaturg
Siehe auch: Grimmstraße, Iserbrook (1930): Brüder Grimm, Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859)
Bettina wurde als siebtes Kind des Großkaufmanns Pietro Antonio und der Maximiliane La Roche, Enkelin von Sophie von La Roche und Schwester von Clemens Brentano (siehe: Brentanostraße), geboren. Nach dem Tod der Mutter 1793 wurde sie mit ihren Schwestern bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr in einem Klosterinternat in Fritzlar erzogen, dann bei ihrer Großmutter Sophie La Roche in Offenbach. Später lebte sie bei ihrer Schwester Gunda in Marburg, wo sie auch Karoline von Günderrode (1780-1806) kennenlernte und sich mit ihr befreundete. Es soll sich zwischen ihnen um eine enge, erotisch geprägte Frreundschaft gehandelt haben. 1806 brach Karoline von Günderrode die Beziehung zu Bettina ab und nahm sich wegen Liebeskummer das Leben. 34 Jahre später, 1840, gab Bettina von Arnim ihren Briefwechsel mit der Freundin heraus und zeigte darin eine romamtische Seelenfreundschaft zweier genialer Frauen.
Bettina galt in ihrer Kindheit als „äußerst lebhaftes, den Konventionen trotzendes Mädchen, das bildungshungrig versuchte, die ihm gesetzten Schranken zu umgehen. Sie studierte Musik, komponierte, arbeitete im Garten, interessierte sich für Naturbeobachtungen und setzte durch, hebräisch lernen zu dürfen.“ 1)
1806 befreundete sich Bettina mit Goethes Mutter. Aus deren Erzählungen über Goethes Kindheit entstanden Bettinas „Briefbücher“. Bettina besuchte Goethe (siehe: Goethestraße und Goetheallee) öfter in Weimar. Goethe brach später die Beziehung wegen eines Streits zwischen Bettina und Christiane von Goethe ab.
1811 heiratete Bettina den Dichter Achim von Arnim (siehe: Arnimstraße). Dieser hatte mit Bettinas Bruder Clemens die Liedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ herausgegeben. Sieben Kinder wurden geboren. Das Ehepaar stritt sich oft über die Erziehung der Kinder sowie über Geld und Wohnsitz. Die Familie wohnte auf Achims Gut Wiepersdorf in der Mark und in Berlin, Bettina bevorzugte die Großstadt Berlin. „Ihre sieben Kinder erzog sie nach modernen Erziehungsidealen. Sie forderte öffentliche Schulen anstelle der Hauslehrer und Sportunterricht.“ 1)
Bettina von Arnims Leben wurde charakterisiert als “unaufhörliche Bewegung, immer im Gegensatz zu sich selber und zu anderen (…), ständige Ortswechsel (…) Reisewut (…). Bald lauscht (…) Bettina in Frankfurt zu Füßen der Frau Rath Goethe den Erzählungen der mütterlichen Freundin, bald plant sie mit der Schwester Lulu in Kassel eine Reise nach Berlin – in Männerkleidern. Eben noch hing sie auf dem Brentanoschen Landgut zu Winkel im Rheingau auf mitternächtlichen Spaziergängen melancholischen Gedanken nach, wenige Tage später, und sie bringt auf dem Starnbeger See aus Zorn und Mutwillen das Boot der Familie Jacobi fast zum Kentern (…). Wilhelm von Humboldt bescheinigt ihr: ‚Solche Lebhaftigkeit, solche Gedanken- und Körpersprünge (…), so viel Geist und so viel Narrheit ist unerhört.‘ Bettina weiß den Schüchternsten anzuziehen und den Gutwilligsten abzustoßen, sie ist die stillste und die lauteste, die verträumteste und die bizarrste, die feinfühligste und die taktloseste, ein Engel und ein Irrwisch.“ 2)
Nachdem Achim von Arnim 1831 gestorben war, lebte Bettina fortan ausschließlich in Berlin, dort in der Straße Unter den Linden 21. Auch begann sie nun „als Schriftstellerin an die Öffentlichkeit – nicht nur als Goetheverehrerin, sondern vor allem mit ihrem sozialen und politischen Engagement“ zu gehen. 1)
Bettina veröffentlichte in den nächsten dreizehn Jahren fünf Bücher. Außerdem pflegte sie Cholerakranke, kümmerte sich um Arme, setzte sich für die schlesischen Weber und für die Gebrüder Grimm ein (siehe: Grimmstraße) und hielt einen literarischen Salon. Unter den Gästen waren u. a. Alexander von Humboldt (siehe: Humboldtstraße), Fürst Pückler-Muskau, Caroline und Dorothea Schlegel (siehe: Schlegelsweg), das Ehepaar Varnhagen von Ense (siehe: Rahel-Varnhagen-Weg), die Geschwister Tieck (siehe: Tiecksweg).
Mit ihrem Buch „Dies Buch gehört dem König“, eine empirische Studie über die Armut, die sie dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. widmete, wurde Bettina zur Sozialkämpferin. In diesem Band machte sie die Obrigkeit verantwortlich für das Elend der Untertanen. Am 15. Mai 1844 ließ Bettina von Arnim in allen großen Zeitungen Deutschlands die Veröffentlichung ihres „Armenbuches“ ankündigen.
Auch forderte Bettina den König auf, die Todesstrafe abzuschaffen.
Die Folge ihres sozialen und demokratischen Engagements war: Bettina von Arnim wurde bespitzelt, ihre Briefe von der Polizei aufgebrochen.
Die dauernden Zusammenstöße mit der Zensur veranlassten sie, einen eigenen Verlag zu gründen: die Arnim‘sche Verlagsexpedition. Um Bettina von Arnim auch bei diesem Unterfangen zu behindern, beschuldigte sie 1847 der Berliner Magistrat der Steuerhinterziehung, weil sie bei der Gründung ihres Verlages versäumt hatte, die Bürgerrechte zu erwerben. Bettina von Arnim wurde zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Doch durch Intervention seitens einflussreicher Leute wurde die Strafe nicht vollstreckt.
Bettina von Arnim erkannte, dass man sie mundtot machen wollte. Bereits in ihrem Günderrode-Buch (1840) hatte sie über die Fürstendiener geschrieben: „Je dringender die Forderungen der Zeit ihnen auf den Hals rücken, je mehr glauben sie sich mit Philistertum verschanzen zu müssen und suchen sich Notstützen an alten, wurmstichigen Vorurteilslasten und erschaffen Räte aller Art, geheime und öffentliche, die weder heimlich noch öffentlich anders als verkehrt sind – denn das rechte Wahre ist so unerhört einfach, daß schon deswegen es nie an die Reihe kommt.“
Bettina von Arnim „begrüßte und unterstützte energisch die 48er Revolution, ließ nicht ab, ‚jenen Traum‘ ernstzunehmen, ‚indem eine menschliche, eine versöhnte Welt beschworen wird‘“. 1)
1852 erschien die Fortsetzung ihres Romans „Dieses Buch gehört dem König“, in der Bettina den König auffordert, demokratische Tendenzen zu fördern und ein Volkskönig zu werden. Das Buch wurde in Bayern verboten, Bettina von Arnim als „Communistin“ beschimpft.
1854 erlitt Bettina von Arnim einen Schlaganfall und starb fünf Jahre später.
„Zeit ihres Lebens [hatte Bettina von Arnim] heftige Kritik erfahren, und gerade von denen, vor die sie mit dem ganzen Überschwang ihrer Verehrung trat. Der Lieblingsbruder Clemens, zum gläubigen Katholiken geworden, schreibt 1824 nach einem Wiedersehen mit der Schwester, er fühle sich ‚sehr traurig in der Nähe dieses großartigen, reichstbegabten, einfachsten, krausesten Geschöpfes‘ und ihrem ‚steten Reden, Singen, Urteilen, Scherzen, Fühlen, Helfen, Bilden, Zeichnen, Modellieren, alles in Beschlag nehmen und mit Taschenspielerfertigkeit sich alle und jede platte Umgebung gewalttätigen‘. Und Goethes negative Urteile über Bettina reichen bis zu jenem, in dem er die Arnims schlechtweg als ‚Tollhäusler‘ bezeichnet.
Bettina nahm diese Kränkungen und Abweisungen, so sehr sie trafen und verletzten, mit erstaunenswerter Geduld hin. ‚Soll ich klagen, wenn Du nicht wieder liebst‘, fragt sie in Goethes Briefwechsel mit einem Kinde, ‚Ist dies Feuer nicht in mir und wärmt mich? (…) Es sucht jeder in der Liebe nur sich, und es ist der höchste Gewinn, sich in ihr zu finden. (…) Du liebst in dem Geliebten nur den eigenen Gewinn.‘ (…) Der Zwang, aus sich selber bestreiten zu müssen, was die Welt versagt – das scheint der bittere Preis zu sein für den Zauber dieser zierlichen Person, mit den dunklen Augen (…), der dunkle Grund, vor dem sich dieses Feuerwerk von Übermut und Witz, von leicht entzündbarer Begeisterung und pathetischer Gefühlskraft entfalten konnte.“ 2)