Georgiweg
Groß Borstel (1975): Dr. Johannes Georgi (14.12.1888 Frankfurt-1972), Polarforscher, Meteorologe
Siehe auch: Alfred-Wegener-Weg
1975 wurde in Groß Borstel ein Weg nach dem Polarforscher und Meteorologen Johannes Georgi benannt, der bis zu seinem Tod in einem Bauernhaus an der Borsteler Chaussee 159 gewohnt hat, ganz in der Nähe seines Mitstreiters Alfred Wegener.
Georgi war 1937 in der Zeit des Nationalsozialismus der NSDAP beigetreten (Mitgliedsnummer: 5221784) 1).
Johannes Georgi war der Sohn von Caroline Georgi, geborene Diehl und des Lehrers Ernst Wilhelm Friedrich Johannes Georgi. Nach dem Abitur studierte Georgi Physik und Mathematik. Auch Zoologie begeisterte ihn. An der Marburger Universität besuchte er die meteorologischen Übungen von Alfred Wegener (siehe Alfred-Wegener-Weg), die Georgi faszinierten und seinen beruflichen Weg beeinflussten.
Sein ehemaliger Weggefährte Fritz Loewe schreibt über Georgis beruflichen Werdegang: „Im Weltkrieg 1914/18 war er im Wetterdienst der Marine tätig und wurde so zum Meteorologen; auch leitete er die Wetterdienstschule. Nach Kriegsende kam er 1919 an die Meteorologische Versuchsanstalt der Deutschen Seewarte in Hamburg, deren Leiter damals Alfred Wegener war und dessen Nachfolger Georgi später wurde.
Von dort kam Georgi zum ersten Mal dem Polargebiet nahe. Während zweier Sommer 1926 und 1927 führte er an der Nordwestspitze Islands Messungen der Höhenwinde durch; sie stellten zusammen mit Messungen über Japan zum ersten Mal die heute viel beachteten ‚Strahlströme‘ der höheren Luftschichten fest. Auf einer Forschungsfahrt des ‚Meteor‘ betrat er dann zum ersten Mal in Südgrönland das eigentliche Polargebiet.
Um diese Zeit trug eine Anregung Georgis auch wesentlich zur Wiederholung des Internationalen Polarjahres 1932/33 50 Jahre nach dem ersten bei.
Seine Studien in diesen Jahren hatten Georgi überzeugt, daß zum Verständnis des allgemeinen Kreislaufs im Luftmeer der höheren Breiten eine eingehende Untersuchung nötig war. Sein Plan, dafür eine Beobachtungsstelle auf dem Inlandeis Grönlands zu errichten, begegnete sich mit weiterreichenden Plänen, die Alfred Wegener, nun in Graz, seit längerem hegte. So kam es zu Georgis Teilnahme an den Inlandeisexpeditionen 1929 und 1930131. Schon auf der Vorexpedition 1929 bewährte sich Georgis Spannkraft. Nicht besonders mit Körperkräften begabt oder sportlich geschult, bewältigte er im Boot, zu Fuß, mit Handschlitten und Hundeschlitten die ausgedehnten Wanderungen im gebirgigen Vorland und auf dem Inlandeis Grönlands, unermüdlich offenen Auges die Naturerscheinungen beobachtend, sie einordnend und im Bilde festhaltend. (…) Bei der Hauptexpedition 1930/31 war Georgi, jetzt schon 41 Jahre alt, von vornherein als Leiter der ‚Zentralen Firnstation‘, später ‘Eismitte‘ genannt, vorgesehen, die ohne Vorbild in der Polargeschichte in der Mitte des Inlandeises errichtet werden sollte. Er leitete im Juli 1930 die erste Hundeschlittenreise zur Errichtung dieser Station. Georgi hatte die Ausrüstung der Station, an der er mit zwei Gefährten überwintern wollte, in materieller wie wissenschaftlicher Beziehung aufs sorgfältigste ausgewählt. Wie Ungunst der Witterung und technische Schwierigkeiten den Nachschub auf das Mindestmaß beschränkten, wird geschildert in der Geschichte der Expedition: ‚Alfred Wegeners letzte Grönlandfahrt‘ und in Georgis Geschichte von ‚Eismitte‘, ‚Im Eis vergraben‘". Die Bücher vermitteln ein eindrucksvolles Bild der ungewöhnlich schwierigen Bedingungen, unter denen sich unter Georgis Leitung Leben und wissenschaftliche Arbeit dort abspielten, am kältesten Ort, an dem bis dahin - und noch für ein weiteres Vierteljahrhundert - Menschen ein Jahr lang weilten, bei einer Temperatur in der Wohnhöhle im Eis, die ständig erheblich unter dem Gefrierpunkt lag, zudem belastet durch einen fast ein halbes Jahr durch Erfrierungen bettlägerigen Genossen, an dem Georgi mit der ihm eigenen Geschicklichkeit mehrere glücklich verlaufene Amputationen vornahm. Es zeugt von der großen Selbstbeherrschung Georgis, eines von Natur leidenschaftlichen Menschen, daß die Überwinterung dreier Menschen von sehr verschiedener Natur ohne jeden Mißklang verlief. Die ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmten Tagebuchnotizen für seine Frau zeigen, wie ein vielseitiger Mensch der Schwierigkeiten und Bedrängnisse polarer Überwinterung und Einsamkeit Herr wird. (…).“ 2)
In Wikipedia heißt es näher über diese Expedition:
„Nach dem dritten Hundeschlittentransport verfügte Eismitte erst über ein Drittel des für die Überwinterung vorgesehenen Petroleums. Georgi entschied daher, die Station aufzugeben, wenn nicht bis zum 20. Oktober ein weiterer Transport die Station erreicht hätte. Aufgrund dieser Information entschloss sich Wegener zu einem vierten und letzten Transport vor der Überwinterung. Diese startete am 21. September, musste wegen früh einsetzender Schneestürme aber als Transport aufgegeben werden. Das Ziel bestand nur noch darin, Georgi und Sorge für die Überwinterung abzulösen. Wegener, Loewe und der Grönländer Rasmus Villumsen (1909–1930) erreichten unter Verbrauch aller Reserven Eismitte am 30. Oktober, wo Georgi und Sorge inzwischen entschieden hatten, doch eine Überwinterung zu wagen. Loewe waren an den letzten Reisetagen alle Zehen erfroren. Diese wurden ihm vom handwerklich geschickten Georgi mit einer Blechschere amputiert. Wegener und Villumsen traten am 1. November, Wegeners 50. Geburtstag, die Rückreise an, die sie nicht überlebten. Georgi und Sorge überwinterten zusammen mit dem gesundheitlich angeschlagenen Loewe in Eismitte und Georgi führte trotz extremer Bedingungen meteorologische Messungen durch. Erst am 7. Mai erreichte ein Propellerschlitten Eismitte, der den Weg in nur zwei Tagen zur Weststation zurücklegen konnte. Georgi blieb, zeitweise alleine, auf der Station, um ein vollständiges Beobachtungsjahr zu erhalten“ 3)
„Nach Ende der Expedition kehrte Georgi im Herbst 1931 nach Hamburg in seine alte Stelle als Leiter des Instrumentenamtes der Seewarte zurück. Er entfaltete dort eine reiche Tätigkeit, namentlich in Neuschaffung und Beurteilung meteorologischer Instrumente, teilweise im Hinblick auf ihre Verwendung bei Expeditionen. (…).“ 4)
Doch Georgi wurde immer wieder der Vorwurf gemacht – besonders von Kurt Herdemertens und Kurt Wegener - dass durch seine Forderung nach mehr Lebensmitteln und Petroleum der Tod Wegeners und Villumsens herbeigeführt worden sei. „Diese Vorwürfe setzten Georgi zu. Ein Prozess endete 1937 mit einem Vergleich zwischen beiden Parteien, der ihnen verbot den Streit weiter in der Öffentlichkeit auszutragen.
In den 1930er Jahren unternahm Georgi mehrere Vorstöße für eine erneute Expedition nach Grönland, die an Fragestellungen der Wegener-Expedition anknüpfen sollte. Unter Umgehung des Dienstweges wandte er sich 1936 an den Staatssekretär des Reichsluftfahrtministeriums mit der Bitte um Unterstützung für die Entsendung eines Luftschiffs nach Grönland, das dort eine geophysikalisch-meteorologische Expedition absetzen sollte. Das Gesuch wurde mit der Begründung abgelehnt, dass vor einer neuen Expedition erst alle Ergebnisse der Wegener-Expedition vorliegen müssten.“5)
In dieser Zeit, im Jahr 1937, trat Georgi der NSDAP bei.
„Mit Unterstützung der Senckenberg-Gesellschaft plante Georgi 1939 die ‚Senckenbergische Grönlandexpedition‘, die interdisziplinäre Forschung an vier Standorten in Grönland durchführen sollte. Georgi selbst wollte in einer Station auf dem Inlandeis klimatologische und meteorologische Arbeiten durchführen. Als Leiter der anderen Stationen waren Karl Gripp, Aenne Schmücker und Richard Kräusel vorgesehen. Außenpolitische Gründe führten zu einer Verschiebung auf das Jahr 1940. Der Zweite Weltkrieg verhinderte die Durchführung schließlich ganz.“ 6)
Georgis Sohn wurde als Soldat im zweiten Weltkrieg als vermisst gemeldet und kehrte nicht wieder zurück. 1949, im Alter von 62 Jahren, ließ sich Georgi, selbst kränkelnd, vorzeitig pensionieren, weil seine Frau langjährig erkrankt war. „Er befasste sich nun neben wissenschaftlichen Themen auch stärker mit politischen Fragen. Er pflegte seit den Erlebnissen in Eismitte einen regen Briefkontakt mit seinem ehemaligen Expeditionskameraden Loewe. Dieser Briefwechsel zeigt, dass die Erlebnisse in Eismitte Georgi sein Leben lang beschäftigten.“ 7)