Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Gerlachstraße

Heimfeld (1952): Hellmut Gerlach (2.2.1866 Mönchmotschelnitz -1.8.1935 Paris), Pazifist, Verleger, Politiker, Mitbegründer der Deutschen Friedensgesellschaft


Vorher hieß die Straße Tannenstraße.

Im Projekt „100 Köpfe der Demokratie“ ist auch Hellmut Gerlach aufgenommen worden. Über ihn heißt es dort: „eine Autobiographie sagte es am treffendsten: ‚Von rechts nach links‘ bewegte sich der Publizist und Politiker Hellmut von Gerlach und damit von einem Nationalkonservativen zu einem Radikaldemokraten. Als Herausgeber der ‚Weltbühne‘ und früher Gegner der Nationalsozialisten war er Fürsprecher eines 'anderen' Deutschlands, das für Frieden, Völkerverständigung und Menschenrechte, aber auch eine wehrhafte Demokratie eintrat. (…) Während seines Jurastudiums wandte er sich zunächst nationalistischen konservativen Kreisen zu und ließ sich auch von den antisemitischen Ideen des evangelischen Theologen Adolf Stoecker beeinflussen. Für ihn arbeitete von Gerlach bis 1896 als Redakteur und unterstützte Stoeckers Christlich-Soziale Partei. Schließlich war es jedoch ein anderer evangelischer Pfarrer, Friedrich Naumann [siehe: Friedrich-Naumann-Straße], der von Gerlach von christlich-liberalen Ansichten überzeugen konnte. Als Chefredakteur der Berliner Zeitung Die Welt am Montag begann er schließlich, vermehrt Einfluss auf die politische Öffentlichkeit zu nehmen. Gleichzeitig kandidierte er für die Nationalliberalen für das preußische Abgeordnetenhaus und den Reichstag, in dem er von 1903 bis 1907 saß.

Bereits im Ersten Weltkrieg ergriff von Gerlach die Möglichkeit der Publizistik, um sich gegen den Krieg auszusprechen. Als bestimmter Verteidiger der neuen Weimarer Demokratie, Fürsprecher eines Verständigungsfriedens und Vertreter der Politiker, die den Versailler Vertrag akzeptierten, geriet er bald in das Visier rechtsradikaler Korps. (…). Gleichzeitig blieb er auf Dauer auf Distanz zu etablierten Parteien. Nach einer kurzen Mitgliedschaft in der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) trat von Gerlach dort 1926 wieder aus und engagierte sich fortan in der Deutschen Liga für Menschenrechte. Hier setzte er sich besonders für die Aussöhnung mit Polen ein, seine Verständigungspolitik mündete etwa 1926 in einer deutsch-polnischen Kongreß, bei dem der Schutz von Minderheiten sowie die Revision gegenseitiger Feindbilder in Geschichtsbüchern gefordert wurden. (…).“ 1)

Auf einer Erinnerungstafel am Haus Genthiner Straße 48, in Berlin Tiergarten, wo Gerlach gelebt hatte, steht: „Hier lebte von 1914 bis 1931 der Journalist, Politiker und Pazifist Hellmut von Gerlach. Der aus Schlesien stammende Jurist engagierte sich seit 1892 in der Politik. 1898 trat er in die Redaktion der Berliner Zeitung ‚Welt am Montag‘ ein, die er ab 1906 als Chefredakteur leitete. Von 1903 bis 1907 gehörte er dem Reichstag an. 1918 setzte er sich als Unterstaatssekretär im preußischen Innenministerium für die deutsch-polnische und in seiner Zeitung außerdem für die deutsch-französische Aussöhnung ein. 1920 entging er nur knapp einem Attentat von Rechtsradikalen. Gerlach gehörte zu den Gründern der Deutschen Friedensgesellschaft und wurde 1926 Vorsitzender der Deutschen Liga für Menschenrechte. 1932 leitete er in Vertretung des inhaftierten Carl von Ossietzky [siehe: Carl-von-Ossietzky-Platz] die ‚Weltbühne‘. Im März 1933 emigrierte Hellmut von Gerlach nach Paris.“

Hellmut von Gerlach, Sohn von Welly von Gerlach, geb. Peyer und des adligen Gutsbesitzers Max von Gerlach, war seit 1904 mit Hedwig Wiesel (1874–1956) verheiratet. Das Paar hatte eine Tochter (geboren 1905) und einen Sohn (geboren 1906). Kurz vor dem Attentat auf ihren Mann schrieb sie: „Von allen Seiten wird meinem Mann geraten, Berlin zu verlassen. Graf Harry Kessler brachte uns gestern die Äußerung eines Militärs aus Spandau: ‚der nächste dran ist Gerlach‘. Hoffentlich kommt mein Mann noch glücklich in Sicherheit… Wir sehen alle sehr schwarz in die Zukunft.” 2)

Auch Hedwig von Gerlach war Pazifistin. Sie: „übersetzte [aus dem französischen] 1926 das Antikriegsdrama Das Grab des unbekannten Soldaten von Paul Raynal, das in ihrer Fassung an vielen deutschen Theatern erfolgreich aufgeführt wurde.

Nach dem Tod des Ehemanns 1935 kehrte sie aus dem französischen Exil nach Deutschland zurück. 1951 verklagte sie erfolgreich die Helmut-von-Gerlach-Gesellschaft wegen der von ihr nicht erwünschten Namensverwendung, da diese für die Oder-Neiße-Grenze eintrete und eine polnische Spionageorganisation sei.“ 3)

Helmut von Gerlach engste Mitarbeiterin war die Journalistin Milly Zirker (4.1.1888 Köln – 12.4.1971 Miami, Florida). In einigen Berichten über sie wird mitgeteilt, dass sie auch Gerlachs Lebensgefährtin gewesen sei.
Milly Zirker, schreibt Michael Quetting: „wuchs in einer gutbürgerlichen, konfliktlosen Familie jüdischer Herkunft auf“. 4)

Zu ihr heißt es in Wikipedia: „Milly Zirker war die Tochter des Hutfabrikanten Adolf Zirker und seiner Ehefrau Amalie (Malchen), geb. Lindeck. Sie selbst ist keine Ehe eingegangen und hat keine Nachkommen. In der Zeit der Weimarer Republik arbeitete sie als Journalistin beim Berliner Acht-Uhr-Abendblatt. Sie war Mitglied der Deutschen Liga für Menschenrechte. In deren Rahmen fand sie Kontakt zu namhaften Publizisten und Pazifisten wie Carl von Ossietzzky und Hellmut von Gerlach. (…) Zwischen 1928 und 1933 schrieb sie 48 Beiträge zur Zeitschrift Die Weltbühne, die Mehrzahl davon unter dem Pseudonym Johannes Bückler. Als Sekretärin und enge Vertraute folgte sie von Gerlach, der im Frühjahr 1933 emigrierte, nach Paris. Sie engagierte sich dort in verschiedenen Exilorganisationen und war 1935/36 neben Hilde Walter und anderen maßgeblich an der Nobelpreis-Kampagne für Carl von Ossietzky beteiligt.“ 5)

Michael Quettin ordnet Milli Zirkers Bedeutung in Paris wie folgt ein: „In Paris war Zirker weiterhin als sehr enge Mitarbeiterin und Sekretärin13 von Hellmut von Gerlach tätig. Sie gehörte zu den bedeutenden Emigranten in Paris. Die Nazis beobachteten Sie wie auch Georg Bernard, Rudolf Breitscheid, Heinrich Mann, Otto Wels und weitere Antifaschisten. Sie war als Journalistin tätig und Sekretärin der Liga der Menschenrechte, der ‚Ligue Française pour la Défense des Droits de l’ Homme‘, sie wohnte in der rue floys 47 und publizierte im ‚Pariser Tageblatt‘ sowie in der ‚Neuen Weltbühne‘. Sie gehörte »nach dem Ergebnis der vertraulich geführten Ermittlungen« der Nazis zu den ‚prominenten Grössen‘ des Verbandes deutscher Journalisten im Auslande. Mit Heinrich Mann, Rudolf Breitscheid, Max Braun, Rudolf Leonard, Paul Merker, Walter Ulbricht u.a. engagierte Milly Zirker sich im Ausschuss zur Vorbereitung einer Deutschen Volksfont in Paris. Sie wurde Vorstandsmitglied des Verbandes deutscher Journalisten in der Emigration. (…).“6)

„Milly Zirker, die 1936 offiziell vom Deutschen Reich ausgebürgert wurde, floh schließlich 1941 in die USA. (…).“ 7) Dort arbeitete sie als Fremdsprachensekretärin und Hoteldame.