Gerstäckerstraße
Neustadt (1948): Friedrich Gerstäcker (10.5.1816 Hamburg 31.5.1872 Braunschweig), Reiseschriftsteller, Weltreisender
Vor 1948 hieß die Straße Mühlenstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)
Friedrich Gerstäcker war der Sohn des Opernsängerehepaars Friedrich Samuel Gerstäcker (Tenor, 1798–1825) und Louise Friederike geb. Herz (1797-1890). Gerstäckers Eltern, die 1814 geheiratet hatten, hatten noch die Tochter Molly, (1820-1893). Diese wurde Schauspielerin und Sängerin (Sopran), trat in Dresden und Zürich auf und heiratete in Zürich den Opernsänger Gustav Holzel (1813-1883).
Gerstäckers Mutter Louise Friederike war von 1812 bis 1814 Mitglied der Secondaschen Operngesellschaft in Dresden und Leipzig gewesen und hatte gemeinsam mit ihrem Mann von 1815 bis 1820 ein Engagement am Stadttheater in Hamburg gehabt. In dieser Zeit wurden die beiden Kinder Friedrich und Molly geboren. 1821 wechselte das Ehepaar nach Kassel, wo Louise bis zum Tod ihres Mannes als 3. Sängerin engagiert war.
Nach dem Tod des Vaters lebte Friedrich Gerstäcker mit seiner Schwester Molly zunächst bei seinem Onkel, dem Hofschauspieler Eduard Schütz in Braunschweig. Nach seinem Schulabschluss musste Friedrich Gerstäcker 1833 eine kaufmännische Lehre beginnen, die er aber nach wenigen Monaten abbrach, weil sie ihm überhaupt nicht zusagte. Gerstäcker kehrte zu seiner Mutter nach Leipzig zurück und äußerte seinen Wunsch, nach Amerika auswandern zu wollen. Seine Mutter konnte ihn noch dazu überreden, zuvor eine landwirtschaftliche Ausbildung zu absolvieren, damit er für ein Leben als Farmer in Amerika gewappnet sei. Nach dem Abschluss der Lehre siedelte Gerstäcker 1837 nach Amerika um. Dort versuchte er in verschiedenen amerikanischen Staaten mit unterschiedlichen Beschäftigungen finanziell zu überleben.
1841 kehrte er nach Deutschland zu seiner Mutter zurück. Nun begann sein neuer Lebens- und Arbeitsabschnitt. Auch diesmal hatte seine Mutter die entscheidenden Weichen gestellt. Seine Briefe, die er ihr aus Amerika geschickt hatte und in denen er in Form von Tagebucheintragungen über seine Reisen durch Amerika berichtete, hatte sie einem Bekannten zum Lesen und Überarbeiten gegeben. Diese wurden, als Gerstäcker noch in Amerika weilte, veröffentlicht. Er erfuhr davon, als er nach Deutschland zurückgekehrt war.
Gerstäcker lebte nun mit seiner Mutter in Dresden und schrieb Bücher. 1847 heiratete er die Hofschauspielerin Anna Aurora Sauer (1822-1861). Das Paar zog nach Leipzig, wo im selben Jahr der Sohn Friedrich geboren wurde. 1857 kam der zweite Sohn auf die Welt.
In der Zwischenzeit war Gerstäcker von 1849 bis 1852 auf Weltreise gewesen. Seine Ehefrau blieb mit dem damals noch einen Kind zurück. „Die Lage seiner Frau daheim war finanziell gesichert, denn der Reisende hatte mehrere Arbeiten vorher seinen Verlegern geliefert, deren Honorare an die Ehefrau gezahlt wurden. Aber Mutter und Kind waren allein auf sich gestellt und mussten ihren Alltag meistern. Briefe aus der Ferne trafen vielleicht alle halbe Jahre ein, genauso selten erfuhr der Reisende Nachrichten aus der Heimat, die ihm oft an deutsche Handelshäuser nachgeschickt werden mussten - und von denen einige natürlich auch verloren gingen.
1852 kehrte der Abenteurer nach Deutschland zurück, wo es ihn allerdings auch nicht sonderlich lange hielt. Lediglich die Erkrankung seiner Frau hinderte ihn an einem früheren Aufbruch, schließlich war sie es selbst, die ihn bat, doch seine nächste, geplante Reise im Auftrag der Ecuador Landcompany anzutreten. Die beiden sollten sich nie wieder sehen - während seiner Abwesenheit verstarb Anna Gerstäcker, inzwischen dreifache Mutter, im Jahre 1861. Die Kinder kamen zur Oma, seiner verwitweten Mutter, bis zu seiner Rückkehr,“ 1) ist unter: www.unser38.de/braunschweig-innenstadt/kulturelles/ehefrau-eines-weltreisenden-im-19-jahrhundert-d6638.html nachzulesen.
Zwei Jahre nach dem Tod seiner Ehefrau heiratete der 45-jährige Gerstäcker die 19-jährige Marie Louise Fischer van Gaasbeck, (1844-1903) die er auf Java kennengelernt hatte. Das Paar bekam 2 Töchter (geboren: 1865 und 1871).
Zwei Jahre nach der Hochzeit und im Jahr, als seine erste Tochter geboren wurde, zog er mit seiner schwangeren Frau nach Dresden, damit seine Frau und die Kinder von seiner Mutter versorgt würden und er wieder auf Weltreise gehen konnte, was er 1867 auch tat. Dies war seine letzte große Reise. Danach ließ er sich mit seiner Frau in Braunschweig nieder. 1870/71 nahm er als Kriegsberichterstatter am Deutsch-Französischen Krieg teil. 1872 verstarb er bei den Vorbereitungen zu einer Asien- und Indienreise an einem Hirnschlag.
Über Gerstäckers Verstrickung als Reiseschriftsteller in Kolonialismus und Sklaverei schreibt Heike Raphael-Hernandes in ihrem Aufsatz: „Deutsche Verwicklungen in den transatlantischen Sklavenhandel“: „Allerdings verdient die Gruppe der Reisenden (..) besondere Erwähnung, da viele von ihnen in Tagebüchern und Berichten ausführlich über ihre Erlebnisse geschrieben und dabei oft sehr detailliert ihre Gedanken zur Institution Sklaverei mitgeteilt haben. Diese Überlegungen, aber genauso auch die fehlende Kritik bei manch einem, haben die Vorstellungen ihrer Leserschaft – die sich im 18. und 19. Jahrhundert in der Regel kein eigenes Bild vor Ort machen konnte – durchaus beeinflusst. Daher ist es möglich, auch hier von einer Verwicklung zu sprechen. (…) Durch Reiseerzählungen und Belletristik kamen viele Menschen im 19. Jahrhundert in den Genuss, an fernen Reisen, die ihnen in der Realität nicht möglich waren, teilhaben zu können. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Erzählungen auch Einstellungen gegenüber Afrikanern ganz erheblich beeinflusst haben. Balduin Möllhausen (1825–1905), Friedrich Gerstäcker (1816–1872) und Mathilde Anneke (1817–1884) seien hierfür als Beispiele genannt.
Möllhausen und Gerstäcker gehörten im 19. Jahrhundert zu den bedeutendsten Autoren des sogenannten deutschen ethnologischen Abenteuerromans. Ihre Eindrücke über die USA sammelten sie auf ausgedehnten Reisen, die sie nicht nur in Romanen, sondern auch in populären Berichten für eine breite Leserschaft verarbeiteten.“ 2)
Auch seine Tochter Marie, später verheiratete Huch (19.5.1853 Leipzig - 16.8.1934) betätigte sich als Schriftstellerin. Sie heiratete im Alter von 17 Jahren den 36 Jahre älteren Rechtsanwalt Wilhelm Huch (1817 – 1888), dessen Schwester die Schriftstellerin Ricarda Huch war (siehe: Ricarda-Huch-Ring). Marie Huch bekam mindestens sechs Kinder.
„In den 1870er und 1880er Jahren wurden die Familienfinanzen zunehmend prekärer. Wilhelm und Marie Huch zogen mehrmals um und lebten ab 1888 in Mietwohnungen.
Nach dem Selbstmord ihres Mannes am 9. Juni 1888 zog Marie Huch mit ihren Kindern nach Dresden, wo die Familie von Richard Huch (1850 – 1914), ihrem Stiefsohn aus der früheren Ehe ihres verstorbenen Mannes, finanziell unterstützt wurde.
Nach ihrer Verwitwung zog Marie Huch häufig um. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie bei ihrem Sohn Felix Huch in Bautzen.
Marie Huch verfasste einen Erinnerungsband über ihr Leben als junge Ehefrau und Mutter bei Wilhelm Huch in Braunschweig in den 1870er und 1880er Jahren. Offenbar auf Betreiben ihrer Verwandten Ricarda Huch wurden die Lebenserinnerungen von Marie Huch 1978 zusammen mit denen ihres Sohnes Friedrich Huch (1873-1913) postum veröffentlicht,“ 3) ist in Wikipedia nachzulesen.