Gertrud-Werner-Weg
Bergedorf, seit 1984, benannt nach Gertrud Werner (31.1.1887 Bromberg - August 1971), von 1912–1957 Hebamme in Allermöhe. Motivgruppe: Verdiente Frauen
Hebammen mussten und müssen auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen und auch ganz bestimmte Eigenschaften aufweisen. Im Handbuch zum Gebrauch der Hebammen aus dem Jahre 1783 hieß es: Eine Hebamme müsse einen gesunden Körper haben, tüchtige, schmale, schwielenlose Hände mit langen Fingern, schlanke, wendige, biegsame Arme Sie müsse belastbar sein, nicht schnell ermüdend und verschwiegen.
In die Arbeit der Hebamme mischte sich über viele Jahrhunderte lang kein Mann ein. Noch im 17. Jahrhundert vertrat der Hamburger Arzt Rodericus a Castro den Standpunkt, „daß diese Kunst den Manne schände“. Im Laufe des 18. Jahrhunderts übernahmen die Ärzte jedoch immer mehr die Aufgaben der Hebammen. Ohne deren Widerstand ging dieser „Machtwechsel“ allerdings nicht vor sich. Streitschriften, Karikaturen und Satiren befassten sich mit dem Pro und Kontra. Aber schließlich wurde die Ausbildung der Hebammen mehr und mehr von Ärzten übernommen. Und so wurde denn auch schon 1912 eine Straße in Hamburg nach einem Hebammenlehrer benannt (Johann Gottfried Langermann, Langermannsweg, seit 1912) und 1952 nach einem Mitbegründer der Geburtshilfegesellschaft (Heinrich Gottlieb Zwack, Zwackweg, benannt 1952) Von Hebammen selbst verfasste Lehrbücher – wie das der Augsburger Hebamme Barbara Wiedemann von 1734 – verloren an Bedeutung.
Für die Hebammen bedeutete das „Eindringen“ der Ärzte in ihren Beruf ein entscheidender Abstieg von der Selbstständigkeit zum medizinischen Hilfsberuf. So wurde in der Charité eine Abteilung für die Entbindung „liederlicher Weibsstücke“ eröffnet, in der Hebammen und Wickelfrauen von Ärzten unterrichtet wurden; auch in Göttingen bildeten Ärzte Hebammen aus. Und der dort leitende Arzt Georg Roederer polemisierte gegen die bei ihm lernenden Hebammen; er hielt sie schlichtweg für ungebildet.
Gertrud Marie Charlotte Werner wuchs in Schneidemühl, heute Pila, auf und ließ sich zur Lehrerin ausbilden. Eine Liebesbeziehung zum Schuldirektor ihrer Schule beendete ihre Kariere als Lehrerin: sie wurde aus dem Schuldienst entlassen, als ihre Schwangerschaft bekannt wurde. Gertrud Werner zog nach Hamburg, wo ihr Sohn Hubert Franz im Januar 1912 zur Welt kam.
Da Hamburg in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg Hebammen zur Versorgung der Landbevölkerung suchte, erlernte Gertrud Werner diesen Beruf. 1913 stellte ihr der Hamburgische Staat ein kleines Haus in den Marschlanden am Allermöher Deich zur Verfügung und bezahlte ihr ein geringes Grundgehalt. Gertrud Werner war nun als Hebamme für die Gebiete Allermöhe, Reitbrook, Moorfleet und einen Teil von Fünfhausen zuständig.
Wenn bei einer Frau die Geburt eines Kindes anstand, musste Gertrud Werner bei jedem Wetter und zu jeder Tageszeit zu Fuß in die Häuser der Gebährenden. Nach der Entbindung kam sie noch zehn Mal zu den Wöchnerinnen, um sie zu untersuchen und die Entwicklung der Säuglinge zu überwachen.
Frauen, die keine Möglichkeit hatten, bei sich zu Hause zu entbinden oder ledige schwangere Frauen – auch aus dem weiteren Umkreis - kamen zur Geburt ins Haus von „Mudder Griebsch“ – wie Gertrud Werner auch genannt wurde. Dort durften sie nach der Entbindung noch zehn Tage bleiben. Für die Säuglinge der ledigen Frauen konnte Gertrud Werner auf Wunsch Pflegeeltern vermitteln. So kam 1929 auch Erna Fedde aus Nordfriesland zu Gertrud Werner, um bei ihr ihren Sohn zur Welt zu bringen. Die beiden Frauen wurden Freundinnen, Erna Fedde blieb und versorgte den Haushalt. Sie kochte für die Kinder und die Frauen, die zur Geburt und Nachsorge gekommen waren.
Da Hebammen auch damals für Geburt und Nachsorge nur wenig Geld erhielten, nahmen die beiden Frauen Pflegekinder auf. So lebten, nachdem die Söhne von Gertrud und Erna im Zweiten Weltkrieg getötet worden waren, bis Ende der 1940er-Jahre Pflegekinder am Allermöher Deich.
In der NS-Zeit war Gertrud Werner am 1. Mai 1937 der NSDAP beigetreten. Mitgliedsnummer: 3986474. 1)
1946 ging Erna Fedde zurück nach Nordfriesland, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Gertrud Werner verschrieb sich ganz ihrem Beruf und bot auch in der Nachkriegszeit vielen ledigen schwangeren Frauen eine Zuflucht.
Nachdem sie das Rentenalter erreicht hatte, arbeitete sie noch weitere fünf Jahre als Hebamme. 1957, inzwischen 70 Jahre alt, gab sie ihren Beruf auf.