Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Gustav-Mahler-Platz

Neustadt (1990): Gustav Mahler (7.7.1860 Kalischt/Böhmen-18.5.1911 Wien), Komponist, Dirigent am Hamburger Stadttheater.


Siehe auch: Werfelring
Siehe auch: Gropiusring

Aus dem Netzwerk, das Gustav Mahlers Schaffen ermöglichte, seien einige Frauen erwähnt: Eng war die Beziehung zu seiner sieben Jahre jüngeren Schwester Justine (1868-1938), die die schwerkranken Eltern pflegte und ihm später – bis zu seiner Eheschließung mit Alma Schindler (siehe: Alma Mahler-Werfel unter Werfelring) - auch den Haushalt führte. 1902 heiratete Justine den Geiger Arnold Rosé, den Begründer des berühmten Rosé-Quartetts. Das Paar bekam zwei Kinder; der Sohn wurde Pianist, Dirigent und Komponist; die Tochter Alma (1906–1944) wurde Geigerin und kam im KZ Auschwitz-Birkenau ums Leben. Sie war von 1943 bis zum April 1944 Dirigentin des Orchesters weiblicher Gefangener im KZ Auschwitz (Mädchenorchester von Auschwitz) gewesen.

Während seines Engagements als Erster Kapellmeister im Stadttheater Hamburg (1891-1897) hatte Gustav Mahler eine Beziehung zu Anna, geb. Bellschan von Mildenburg (29.11.1822 Wien – 27.1.1947 Wien), verehelichte Bahr-Mildenburg (1872-1897) hochdramatische Sopranistin und spätere Regisseurin von Wagner-Opern. Die knapp 23-Jährige, zum 1. September 1895 in Hamburg engagiert, war in Wien ausgebildet worden bei Rosa Papier-Paumgartner. In ihren Tagebüchern beschreibt sie, wie ihre Beziehung zu Mahler bereits beim Vorsingen begann. Als Mahler 1897 nach Wien als Artistischer Direktor der Königlich-Kaiserlichen Hofoper wechselte, holte er die junge Sopranistin nach, aber unter der Bedingung, dass sie „wenigstens im ersten Jahre einem persönlichen Verkehr und jeder Begünstigung von meiner Seite“ entsage. Das Ende dieser Beziehung wurde von Anna Bahr-Mildenburg als sehr schmerzhaft erlebt. 1909 heiratete sie den Schriftsteller, Dramatiker und Kritiker Hermann Bahr, einen Unterstützer der Suffragetten-Bewegung. 1)

Die Bratschistin und Geigerin Natalie Bauer-Lechner (9.5.1858 Wien - 8.6.1921 Wien) ist eine weitere wichtige Unterstützerin Mahlers vor seiner Eheschließung mit Alma Schindler. Als Tochter eines Universitätsbuchhändlers und Verlegers in Wien geboren, erhielt sie eine musikalische Ausbildung, was typisch war für diese Bildungsbürgerschicht in Wien. Natalie Bauer-Lechner studierte Violine bis zu ihrem siebzehnten Lebensjahr und heiratete einen viel älteren Witwer, einen Universitätsprofessor, der drei Töchter hatte, die Natalie erziehen sollte. Doch dieses Ehekonzept klappte nicht, und nach zehn Jahren wurden beide im gegenseitigen Einvernehmen geschieden. Mit 27 Jahren war sie also frei – und allein und sorgte fortan allein mit ihrer Bratsche und ihrer Musik für ihren Lebensunterhalt.

Als Studentin am Konservatorium hatte sie ihren zwei Jahre jüngeren Mitstudenten Gustav Mahler kennen gelernt. Nach zehn Jahren Pause und dem Scheitern ihrer Ehe trafen sich die beiden wieder. Damals waren solche Single-Freundschaften nicht üblich, und hier lag auch ein Konfliktfeld zwischen den beiden. Gustav Mahler schreibt an seine Schwester Justine, dass er Natalie klargemacht hätte, dass für ihn nur eine „freundschaftlich-kameradschaftliche“ Ebene in Frage käme. Viele Jahre lang verbrachten die beiden gemeinsame Urlaube. Auch besuchte Natalie Bauer-Lechner Mahler sehr häufig. Dabei begann sie, seine Äußerungen aufzuschreiben. Zwar sagen Aufzeichnungen auch viel über die jeweilige Verfasserin bzw. den Verfasser aus, aber Natalie Bauer-Lechner ist eine Chronistin, zudem Musikerin, die wertvolle Einblicke in Gustav Mahlers Denken überlieferte. Sie war Musikpädagogin, die sich für die Emanzipation der Frauen einsetzte und rund zwanzig Jahre aktiv im Soldat-Roegerschen Damen-Streichquartett spielte. Natalie Bauer-Lechner konnte mithin Gustav Mahlers Arbeit einschätzen, anders als viele andere, die Mahler bewundernd umschwärmten. Die Eheschließung mit Alma Schindler beendete die freundschaftlichen Kontakte.

Alma Mahler-Werfel zeichnet von dieser wichtigen Freundin ihres ersten Mannes ein Zerr-Bild in ihren erstmals 1940 erschienenen „Erinnerungen an Gustav Mahler.“ Hier schreibt sie von einer namentlich nicht bezeichneten „Freundin“, „die, obwohl alt und hässlich, in Mahler verliebt war und auf seine Gegenliebe wartete“. 2) und 3)

Alma Schindler und Gustav Mahler hatten sich 1901 bei einer Abendgesellschaft kennen gelernt. Mahler soll sich gleich in sie verliebt haben. Wenige Monate später [ November 1901] machte er ihr „einen Heiratsantrag, wies allerdings auch darauf hin, dass es nicht einfach sein würde, mit ihm verheiratet zu sein. Alma Schindlers Familie versuchte ihr auch diese Verbindung auszureden. Der neunzehn Jahre ältere Mahler sei zu alt für sie, er sei verarmt und unheilbar krank, hielt ihr unter anderem ihr Stiefvater Carl Moll vor. Klimt und Burckhard wiesen auf die jüdische Abstammung des zum Katholizismus übergetretenen Mahler hin. (…) Alma Schindler war zu diesem Zeitpunkt noch mit Zemlinsky liiert. Die Aussprache mit Zemlinsky schob sie allerdings vor sich her. Erst am 12. Dezember schrieb sie an ihn, dass eine andere Liebe ihn verdrängt habe. Zur selben Zeit schickte ihr Mahler, der anlässlich der Aufführung seiner 4. Sinfonie in Berlin weilte, zärtliche Liebesbriefe. Ihre Tagebucheinträge aus dieser Zeit zeigen allerdings auch Unsicherheit. Sie störte der Geruch seines Körpers und sein Singen. Seine Musik war ihr unverständlich: ‚Er hält von meiner Kunst gar nichts – von seiner viel – und ich halte von seiner Kunst gar nichts und von meiner viel. So ist es! Nun spricht er [Mahler] fortwährend von dem Behüten seiner Kunst. Das kann ich nicht. Bei Zemlinsky wärs gegangen, denn dessen Kunst empfinde ich mit – das ist ein genialer Kerl.‘– Tagebuchsuiten, 19. Dezember 1901. Auch Mahler äußerte in den Briefen an seine Schwester Justine Zweifel, ob es richtig sei, eine so junge Frau an sich zu binden. Aus Dresden schrieb er seiner Braut einen zwanzigseitigen Brief, in dem er ihr darlegte, wie er sich ihr zukünftiges gemeinsames Leben vorstellte. ‚Wie stellst du dir so ein componierendes Ehepaar vor? Hast du eine Ahnung, wie lächerlich und später herabziehend vor uns selbst, so ein eigenthümliches Rivalitätsverhältnis werden muß? Wie ist es, wenn du gerade in ‚Stimmung‘ bist, und aber für mich das Haus, oder was ich gerade brauche, besorgen, wenn Du mir, wie Du schreibst, die Kleinigkeiten des Lebens abnehmen sollst? … Aber dass Du so werden mußt, wie ich es brauche, wenn wir glücklich werden sollen, mein Eheweib und nicht mein College – das ist sicher! Bedeutet dies für Dich einen Abbruch Deines Lebens und glaubst Du auf einen Dir unentbehrlichen Höhpunkt des Seins verzichten zu müssen, wenn Du Deine Musik ganz aufgibst, um die Meine zu besitzen, und auch zu sein?‘ – Brief vom 19. Dezember 1901. Er machte ihr auch deutlich, dass jetzt noch die Möglichkeit zur Umkehr bestehe, wenn sie sich das nicht zumuten könnte. Alma Schindlers damalige Reaktionen auf den Brief lassen sich nicht mehr rekonstruieren“, 4) heißt es im Wikipedia Eintrag zu Alma Schindler. Das Ergebnis war: die beiden heirateten am 9. März 1902.

Im November desselben Jahres wurde die Tochter Maria Anna geboren. Sie starb im Alter von fünf Jahren an Scharlach und Diphtherie).

Das Eheleben verlief nicht so, wie es sich wohl Alma vorgestellt hatte, wenig Gesellschaften, denn Mahler bestand auf einen geregelten Tagesablauf, in dem er seiner Arbeit ungestört nachgehen konnte. Und so fühlte sich Alma einsam und begann sich zu langweilen.

1904 wurde die zweite Tochter geboren. Dienstpersonal und Gouvernanten übernahmen die häuslichen Arbeiten.

Alma begleitete zwar ihren Mann mehrmals nach New York, aber solch ein Tapetenwechsel führte auch nicht dazu, dass sie sich in dieser Ehe wohlfühlte. „Nach dem dritten Aufenthalt in New York, der von November 1909 bis April 1910 währte, begab sie sich mit ihrer fünfjährigen Tochter und deren Gouvernante nach Tobelbad, (…). Auch Walter Gropius [siehe: Gropiusring], zu dem Zeitpunkt noch ein weitgehend unbekannter Architekt, befand sich dort zur Kur. Im Juni 1910 begann sie mit ihm eine Affäre, hinter die Mahler bereits wenige Wochen später kam, als ihm ein Liebesbrief von Gropius in die Hände fiel. Gropius hatte den Brief an Gustav Mahler adressiert – aus Versehen, wie er später (…) formulierte. Als die Ehe nach der Begegnung mit Walter Gropius in eine Krise stürzte, wurde Mahler empfohlen, Sigmund Freud aufzusuchen, der ihn im August 1910 im niederländischen Kurbad Leyden für vier Stunden empfing. Gegenüber seiner Schülerin Marie Bonaparte äußerte sich Freud zu seiner Diagnose: ‚Mahlers Frau Alma liebte ihren Vater Rudolf Schindler und konnte nur diesen Typus suchen und lieben. Mahlers Alter, das er so fürchtete, war gerade das, was ihn seiner Frau so anziehend machte. Mahler liebte seine Mutter und hat in jeder Frau deren Typus gesucht. Seine Mutter war vergrämt und leidend, und dies wollte er unbewusst auch von seiner Frau Alma.‘ Mahler begann sich nun intensiv um die Zuneigung seiner Frau zu bemühen. Er widmete ihr seine 8. Sinfonie (…). Kurz vor der erneuten Reise nach New York reiste Alma jedoch nach Paris, um sich dort noch einmal mit Gropius zu treffen, bevor sie ihren Mann für mehrere Monate in die Vereinigten Staaten begleiten würde. Auch aus New York versicherte sie Gropius brieflich immer wieder, wie sehr sie ihn liebe. (…) Mahler erkrankte auf der letzten USA-Reise schwer. (…) Um Spezialisten vom Pariser Institut Pasteur konsultieren zu können, reiste Alma Mahler gemeinsam mit ihrem Mann zurück nach Europa. (…) Ein aus Wien hinzugezogener Arzt empfahl Alma, ihren Mann noch nach Wien zurückzubringen. Am Abend des 12. Mai erreichte man Wien. Wenige Tage später, am 18. Mai 1911, erlag Gustav Mahler seiner Krankheit.“ 5)

Die gemeinsame Tochter von Gustav Mahler und Alma Mahler: Anna Justine Mahler (15.6.1904 Wien-3.6.1988 London), die später Bildhauerin wurde, war beim Tod ihres Vaters sieben Jahre alt und wuchs bei ihrer Mutter auf, die in Wien als Witwe von Gustav Mahler einen Kultursalon betrieb, in dem viele Literaten und andere Kulturschaffende verkehrten. Die Schulausbildung der Tochter soll darunter gelitten haben, da Anna der Mutter sehr zur Hand gehen musste. Anna „skizzierte bereits im Salon der Mutter Portraits der Besucher. Sie wurde auch Zeugin, wie ihre Mutter nach einer stürmischen Beziehung zu dem (…) Maler Oskar Kokoschka und einer kurzen Ehe mit Walter Gropius eine langwährende Beziehung mit Franz Werfel einging. Oliver Hilmes, der Biograph von Alma Mahler-Werfel, hat die Behauptung aufgestellt, dass es vor allem die für Anna Mahler erdrückende und sexuell aufgeladene, sie vereinsamende Atmosphäre im Haushalt der Mutter war, die sie dazu trieb, bereits mit 16 Jahren den Dirigenten Rupert Koller, Sohn der bewunderten Malerin Broncia Koller-Pinell, zu heiraten: die Ehe scheiterte bereits nach wenigen Monaten. 1923 zog Anna Mahler mit dem Komponisten Ernst Krenek nach Berlin; sie heirateten 1924, die Ehe scheiterte jedoch ebenfalls nach einem Jahr; sie studierte in Rom (…) zunächst Malerei und wandte sich 1925 der Bildhauerei zu. Eine kurze Ehe verband sie auch mit Paul Zsolnay, dem Verleger von Franz Werfel, der auch die Briefe zwischen ihren Eltern verlegt hatte. Auch diese Ehe, aus der eine Tochter hervorging, scheiterte. Die Tochter (1930–2010) wuchs bei ihrem Vater auf. Wie Oliver Hilmes schreibt, unterhielt die politisch eher links Eingestellte in der ersten Hälfte der 1930er Jahre ein Liebesverhältnis mit dem österreichischen Politiker Kurt von Schuschnigg, ab 1934 Bundeskanzler und Führer der Vaterländischen Front. Nach dem Tod seiner Gattin bei einem Autounfall, den Schuschnigg selbst mit leichteren Verletzungen überstanden hatte, brach er aber sein Verhältnis zu Anna Mahler ab, da er das Unglück als Strafe Gottes für eine Sünde empfand. (…) 1939 floh Anna Mahler, da ihr Vater jüdischer Abstammung war, vor den Nazis nach London. (…) Sie heiratete den russischen Dirigenten Anatol Fistoulari, mit dem sie eine weitere Tochter hatte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebte sie ab 1950 in Kalifornien in der Nähe ihrer Mutter und ihres Stiefvaters. Ab 1951 lebte sie mit dem Filmeditor und Drehbuchautor Albrecht Joseph zusammen, der früher unter anderem (Privat)sekretär von Franz Werfel (…) war. (…) Nach dem Tod ihrer Mutter 1964 hatte sie aus der Erbschaft die finanziellen Mittel, sich mit Albrecht in Spoleto niederzulassen und wurde dort zur Ehrenbürgerin ernannt. Sie heirateten 1970. Mit über 80 Jahren zog sie zur Tochter Marina nach London und bat nun auch ihn, sie zu verlassen: sie wollte lieber alleine ihrem Werk nachgehen. 1988 starb sie in London mit fast 84 Jahren, wenige Wochen vor einer großen Einzelausstellung ihrer Werke im Kleinen Festspielhaus Salzburg. (…).“ 6)