Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Gropiusring

Steilshoop (1972): Prof. Walter Gropius (18.5.1883 Berlin – 5.7.1969 Boston, Massachusetts), Architekt. 2019 mitbenannt nach der ebenso bedeutenden Ehefrau Isa Gropius, geb. Frank. Die Straße ist nun benannt: nach Prof. Walter G. (1883-1969), Architekt, Begründer der Hochschule „Bauhaus“ und dessen Ehefrau Ise G., geb. Frank (1897-1983), Schriftstellerin, Lektorin und Herausgeberin


Siehe auch: Werfelring
Siehe auch: Tessenowweg
Siehe auch: Ittenstraße

Walter Gropius, Sohn von Manon Gropius, geb. Scharnweber und Walter Gropius, Geheimer Baurat und Gründer des Bauhaus in Weimar, verkündete 1919, als er in Weimar das Staatliche Bauhaus eröffnete: „Als Lehrling aufgenommen wird jede unbescholtene Person ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, deren Begabung und Vorbildung vom Meisterrat als ausreichend erachtet wird."1) Das war damals eine sehr fortschriftliche emanzipierte Einstellung, hatten Frauen bis ins 19. Jhd. – mit wenigen Ausnahmen – doch keinen Zugang zu Kunstakademien gehabt.

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Walter Gropius ca. 1919; Quelle: Louis Held, gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Für das Sommersemester 1919 schrieben sich 84 weibliche und 79 männliche Studierende am Bauhaus ein. Gropius betonte in seiner Ansprache zur Eröffnung: „Keine Unterschiede zwischen dem schönen und starken Geschlecht. Absolute Gleichberechtigung, aber auch absolute gleiche Pflichten in der Arbeit aller Handwerker."2)

Doch schon bald fürchtete Gropius um die Vormachtstellung der Männer in der Bauhauskunst. Nach außen hin gab er seine Befürchtung kund, die große Anzahl der Studentinnen könnten dem Ansehen der Bauhausschule schaden und forderte daher eine „scharfe Aussonderung gleich nach der Aufnahme, vor allem bei dem der Zahl nach zu stark vertretenen weiblichen Geschlecht".3)

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Alma Mahler, verwitwete Mahler, geschiedene Gropius, verwitwete Werfel, geborene Schindler; Quelle: via Wikimedia Commons

Gropius war damals seit 1915 mit der vier Jahre älteren Alma Maler (31.8.1879 Wien – 11.12.1964 New York) verehelicht und noch weitgehend öffentlich unbekannt. Die beiden hatten sich 1910 kennengelernt als Alma Mahler mit Gustav Mahler (siehe: Werfelring) verheiratet war. Die Liebesaffäre zwischen Walter Gropius und Alma Maler führte dazu, dass Gustav Mahler den Psychoanalytiker Sigmund Freud kontaktierte.

Als Walter Gropius und Alma Mahler heirateten, war Gustav Mahler seit vier Jahren tot und Alma Mahler hatte seit dem Tod ihres Mannes mehrere Liebschaften gehabt, so auch mit Oskar Kokoschka.

„Die frisch Verheiratete setzte auch nach der Eheschließung mit Walter Gropius ihr Leben in Wien fort[. und empfing in ihrem Wiener Salon zahlreiche Musiker, Dirigenten und Künstler, die ihr als Witwe Mahlers die Aufwartung machten. Vom Schriftsteller (…). Nach wie vor sah sie sich vor allem als Witwe Gustav Mahlers und empfand die Ehe mit Gropius als sozialen Abstieg. (…). In einem ihrer Briefe an Gropius schrieb sie: „… dass die Thüren der ganzen Welt, die dem Namen Mahler offenstehen, zufliegen vor dem gänzlich unbekannten Namen Gropius.‘“ 4)

1917, Gropius war als Soldat im Ersten Weltkrieg eingesetzt, begann Alma Gropius ein Verhältnis mit dem Lyriker Franz Werfel (Werfelring), den sie auf einer ihrer Abendgesellschaften in ihrem Salon kennengelernt und dessen Gedicht „Der Erkennende“ sie zwei Jahre zuvor vertont hatte. „Das Liebesverhältnis mit Werfel begann vermutlich schon Ende 1917, denn als Alma Mahler-Gropius Anfang 1918 feststellen musste, dass sie schwanger war, war sie davon überzeugt, dass Werfel der Vater sei. Der Sohn Martin Carl Johannes kam am 2. August als Frühgeburt zur Welt, die durch Geschlechtsverkehr mit Werfel ausgelöst wurde. Gropius, der kurz nach der Geburt Heimaturlaub erhielt, musste feststellen, dass er wohl nicht der Vater des Kindes sei, als er zufällig Ohrenzeuge eines Telefonats zwischen seiner Ehefrau und Werfel wurde. Der Sohn, der an einem Wasserkopf litt, starb am 14. Mai 1919.“ 5)

1920 wurde die Ehe zwischen Walter Gropius und Alma Gropius geschieden. Aus ihr ging die Tochter Alma Manon hervor (1916-1935), die an Kinderlähmung starb.

1918/1919 hatte Gropius eine Liebesaffäre mit der Malerin, Grafikerin, Kunsthandwerkerin und Glasmalerin Lily Hildebrandt (16.10.1887 Führt – 9.9.1974 Stuttgart). Sie war damals mit dem Kunsthistoriker Hans Hildebrandt verheiratet, den sie in seiner wissenschaftlichen Arbeit unterstützte. Er jedoch ermutigte seine Frau nicht in ihrer künstlerischen Entwicklung.

Als Gropius, damals Direktor des staatlichen Bauhauses in Weimar, 1923 in Hannover bei einem seiner Vorträge die Lektorin und Schriftstellerin Ise Frank (1.3.1897 Wiesbaden-9.6.1983 Lexington) kennenlernte, wurde aus dem Liebesverhältnis zu Liy Hildebrandt eine tiefe Freundschaft, die bis zu seinem Tode anhielt.

Noch im Jahr des Kennen- und Liebenlernens heirateten Walter Gropius und Ise Frank 1923. Nach einer Tot/Fehlgeburt blieb das Ehepaar kinderlos. Das Paar adoptierte aber „Beate Forberg (1926 Wiesbaden – 7.9.2014 Wellfleet, Massachusetts), die Tochter der verstorbenen Schwester von ise Frank“. 6)

Beate Forberg, genannt Ati Gropius Johansen, wurde Illustratorin und Kunstlehrerin. „Zeitlebens setzte sich Gropius Johansen für den Erhalt des Bauhaus-Erbes ein. Sie war eine bedeutende Förderin des Bauhaus-Archivs, das 1960 von Walter Gropius in Berlin gegründet wurde.“ 7)

Kommen wir zurück zu Ise Gropius, geb. Frank, die von ihrem Mann liebevoll „Frau Bauhaus“ genannt wurde. Sie verschrieb sich der Bauhaus-Idee, als Autorin, Herausgeberin und Organisatorin. Sie selbst formulierte einmal in einem Interview: „Die Bauhaus-Idee wurde zu meinem zweiten Ich. Wenn man einmal davon infiziert war, hatte es Auswirkung auf jeden Aspekt des Lebens.“8)

„Neben organisatorischen Aufgaben bringt sich Ise Gropius teilweise auch gestalterisch mit ein. So entwirft sie unter architektonischen Korrekturen ihres Mannes das Dessauer Meisterhaus und Gegenstände für die Küche, da es moderne Küchen in Deutschland noch nicht gab. Ihre eigentliche Aufgabe am Bauhaus und später in Berlin, England und Amerika ist aber schriftstellerischer Natur. Walter Gropius ist von ihren literarischen Ambitionen und Fähigkeiten sehr angetan. Neben dem für ihn lästigen Briefeschreiben übernimmt sie schon früh die Formulierung seiner Artikel und Vorträge. Auf Basis gemeinsam entworfener Rohtexte versendet Ise Gropius die Texte ‚immer neu auffrisiert‘ für die ‚Artikelfabrik‘, wie sie es in ihrem Tagebuch nennt.

Auch nach ihrer Zeit am Bauhaus wird sie diese Aufgabe für Walter Gropius in Berlin, England und Amerika erfüllen. In Berlin genügt endlich der Freiraum, um eine eigene Karriere als Autorin aufzubauen. Inspiriert von Reisen und eigenen Interessen schreibt Ise Gropius eine Vielzahl von Beiträgen, die sie an Verlage verkauft. Dazu gehören unter anderem ‚Weltreise am Grammofon‘ (DAZ, Ende 1934), ‚Engländer zu Hause‘ (Beyers für alle, 1933/34), ‚Die Gebrauchswohnung‘ (K. Thiemanns Verlag, Okt. 1929), ‚Hausfrau, Dackel und andere Weltbürger‘ (DAZ, 17.4.34) oder ‚Wie sieht die New Yorkerin aus?‘ (Die Dame, Nov. 1928).“ 9)

Auch Ise Gropius pflegte eine Zeitlang eine außereheliche Beziehung. Ca. seit 1930 lebte sie eine Affäre mit Herbert Bayer, den sie 1925 am Bauhaus kennengelernt hatte. Die Liebesbeziehung dauert bis zur Emigration nach London an. 10)

Von 1934 bis 1937 lebten Walter Gropius und Isde Gropius in London und dann in Amerika. In dieser Zeit: „nimmt [Ise Gropius beruflicher] kurzer Erfolg ein jähes Ende. Nachdem sie den Artikel ‚Grandma was a Career Girl‘ dem ‚Atlantic Monthly‘ anbietet, bekommt sie eine prompte Absage mit der Begründung, man wolle die ‚fürchterliche Vorstellung‘ arbeitender Frauen, die Ise Gropius in ihrem Beitrag bespricht und letztlich als Autorin dieses Ideal auch selbst vertritt, nicht unterstützen oder gar begünstigen. Sie beschließt es dabei zu belassen und wird sich von nun an auf das Lektorat von Walter Gropius’ Texten konzentrieren – Beiträge unter seinem Namen verkaufen sich problemlos. Als Trostpflaster widmet Gropius ihr seine Bücher.
Erst im Katalog ‚Bauhaus 1919-1928‘ von 1938, der begleitend zur Bauhaus-Ausstellung im Museum of Modern Art erscheint, wird Ise Gropius als Autorin und Herausgeberin gemeinsam mit Walter Gropius und Herbert Bayer genannt und erzielt so eine öffentliche Anerkennung für ihre Arbeit. Zeitlebens wird Ise Gropius als ‚Frau eines großen Mannes‘ wahrgenommen. Doch wurde sein Lebenswerk – auch nach seinem Tod – nicht unwesentlich von der Frau im Hintergrund vorangetrieben.“ 11)

Über Gropius Rolle in der NS-Zeit:
In der von der Stadt Oldenburg in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Untersuchung der Oldenburger Straßennamen beschäftigten sich die Auftragnehmer auch mit Walter Gropius, nach dem in Oldenburg eine Verkehrsfläche benannt ist. In der Untersuchung heißt es u. a.: „Joachim Hauschild hat 2009 darauf hingewiesen, dass ‚die veröffentlichten Biographien vieler Bauhäusler [...] zwischen den Jahren 1933 und dem Kriegsende 1945 weiße Flecke‘ aufweisen. Zu diesem Personenkreis rechnete er den damaligen Bauhaus-Direktor Ludwig Mies von der Rohe und den Bauhaus-Gründer Walter Gropius (1883–1969), die nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten trotz der Verfemung als ‚Kunstbolschewisten‘ und der Auflösung des Bauhauses nicht sofort den Weg in die Emigration angetreten haben. Im Februar 1933 nahm Gropius am Wettbewerb zur Gestaltung des Anbaus der Deutschen Reichsbank in Berlin teil. Sein Entwurf eines ‚pfeilergesäumten steinernen Kubus‘ wich deutlich von seinen früheren avantgardistischen Projekten ab, was als Zugeständnis an die neuen Erfordernisse gedeutet werden kann. Im Juni 1933 bemühte er sich vergeblich, die Gleichschaltung des Deutschen Werkbundes abzuwenden. Die Diffamierungen als ‚Kunstbolschewist‘ versuchte er zu ignorieren, stattdessen beteiligte er sich 1934 am Wettbewerb ‚Haus der Arbeit‘ und schmückte seinen Entwurf aufdringlich mit Hakenkreuzfahnen. Im selben Jahr war er mitverantwortlich für die Gestaltung einer Abteilung in der Propagandaveranstaltung ‚Deutsches Volk –Deutsche Arbeit‘, die ganz im Sinne der Blut-und-Boden-Ideologie ausgerichtet wurde. Nach seiner Übersiedlung nach England 1934 besuchte Gropius noch mehrmals Deutschland und verzichtete bei offiziellen Schreiben nicht auf den ‚deutschen Gruß‘. Erst nachdem er den Ruf nach Harvard erhielt und 1937 in die USA emigrierte, riss der Kontakt mit Nazi-Deutschland ab. Erst 1945 besuchte er wieder Deutschland.“ 12)

„1946 gründete Gropius die Gruppe The Architects Collaborative, Inc. (TAC) als Vereinigung junger Architekten, (…). Ein Werk dieses Teams ist das Graduate Center der Harvard University in Cambridge (1949/1950). Sein Buch Architektur – Wege zu einer optischen Kultur ist ein Plädoyer für Kreativität und Teamarbeit im Dienste der Gesellschaft.

In seinen letzten Lebensjahren war Gropius wieder häufig in Berlin tätig, wo er unter anderem 1957 im Rahmen der Interbau einen neungeschossigen Wohnblock im Hansaviertel errichtete.“ 13)