Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Gutsmuthsweg

Rothenburgsort (1929): Johann Christoph Friedrich Gutsmuths (9.8.1759 Quedlinburg – 21.5.1839 Ibenhain), verwendete später die Schreibweise seines Nachnamens GutsMuth, förderte das Turnen


Siehe auch: Jahnring und Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße

Johann Christoph Friedrich Gutsmuths war der Sohn von Barbara Gutsmuths, geborene Öhme und des Rotgerbers Johann Andreas Gutsmuths. Er war 14 Jahre alt, als sein Vater starb. Damals besuchte er seit vier Jahren das Gymnasium und musste es nun aus finanziellen Gründen verlassen, um als Hauslehrer und Erzieher tätig zu werden.
Zwischen 1779 und 1782 studierte er - dank eines Stipendiums vom Magistrat der Stadt Quedlinburg - Theologie und hörte Vorlesungen in Pädagogik. Dann kehrte er als Hauslehrer zurück auf seine alte Stelle in Quedlinburg. Als die beiden Jungen, die Gutsmuths unterrichtet hatte, in das Schnepfenthaler Philanthropinum (nur für Jungen) aufgenommen wurden, begleitete Gutsmuths die beiden und wurde 1786 wegen seines pädagogischen Talents als Lehrer an der Schnepfenthaler Anstalt eingestellt. Gutsmuths unterrichtete Geographie, Technologie, Französisch, Gymnastik und Schwimmen.

Schnepfenthal wurde GutsMuths Lebensmittelpunkt. Hier heiratete er 1797 die zwanzig Jahre jüngere Pfarrerstochter Sophie Eckardt (15.8.1779 Bindersleben – 23.9.1853 Ibenhain). Der Hochzeit war nur eine kurze Zeit des Kennenlernens vorausgegangen. „In einem Brief vom 5. Juni 1797 (!) lesen wir: ‚Bestes Sophiechen, es ist mir seit einiger Zeit so vorgekommen, als wenn ein gewisses Verständnis zwischen uns stattfände, welches freylich nur durch Blicke unterhalten wurde. Gutes Mädchen, lassen Sie mich wenigstens von meiner Seite diese Ungewissheit aufdecken und Ihnen durch Worte meine innige Zuneigung und Liebe gestehen, nachdem mein Händedruck am Abende des Feuerwerks ein stummes Geständnis davon abgab.‘ In einem wenig später geschriebenen Brief, ebenfalls an Sophie gerichtet, wird deutlich, wie sich Gutsmuths selbst wahrgenommen und beurteilt hat: ‚Ich kann mich nicht von ziemlicher Empfindlichkeit und Hitze frey sprechen, bin aber gleich wieder gut, wie das solchen Leuten natürlich ist. Ich habe von langen Zeiten her viel Verdruß gehabt, dieses und der hiesige steife und menschenscheue Ton der Gesellschaft haben bey mir eine gewisse Schüchternheit und ein mürrisches Ansehen veranlasst, das sich oft äußert. (...) Ordnung liebe ich, allein in meinen Hausgeräthen halte ich sie in mancher Absicht nicht sonderlich. Ich bin ein großer Freund von gut zubereiteten Speisen, aber ich verlange nie etwas Kostbares und hasse alle Verschwendungen dieser Art.‘“ 1) Mit dieser letzteren Aussage wurde seine zukünftige Ehefrau darüber in Kenntnis gesetzt, was der zukünftige Gatte von ihr in Hausangelegenheiten erwartete.

Sophie Gutsmuths gebar innerhalb von 19 Jahren zwischen 1798 und 1817 elf Kinder, eine starke Belastung für den weiblichen Körper und ebenso für die Seele angesichts der damals herrschenden hohen Müttersterblichkeit. Einige der Kinder starben bereits im Kindesalter. Neben der Bewältigung der vielen Schwangerschaften hatte Sophie Gutsmuths noch den großen Haushalt zu führen.

Johann Christoph GutsMuths, der Vater und Erzeuger dieser großen Kinderschar, beschäftigte sich neben seiner Lehrertätigkeit „mit gärtnerischen und handwerklichen Tätigkeiten (Blumenzucht, Obstbau, Imkerei, Drechseln).
Bis kurz vor seinem Tode, dem Jahr seiner Pensionierung (1839), blieb GutsMuths Lehrer in Schnepfenthal.
Das Salzmannsche Erziehungs- und Bildungsinstitut in Schnepfenthal bei Gotha in Thüringen war nach dem Vorbild des Basedowschen Philanthropinums in Dessau (1774-1793) eingerichtet worden, wo zum ersten Mal in der Schulgeschichte auch Leibesübungen als physische Bildung und notwendiger Teil der Gesamterziehung in den täglichen Schulbetrieb integriert waren.“ 2) Gutsmuths sammelte und erdachte geeignete Turnübungen, Grundlage für seine Schrift „‘Gymnastik für die Jugend‘ (Schnepfenthal 1793, 1804, Neuauflage 1957, dänische, englische, französische, holländische, italienische, griechische Übersetzungen). (…) Die folgenden Schriften G. über das Schwimmen fanden ebenso breite Anerkennung wie seine Veröffentlichungen über die Spiele. (…). Das Hauptverdienst G. liegt indes in seinem Bemühen, den im weitesten Sinne verstandenen Leibesübungen einen anerkannten Platz in der Erziehung zu sichern und nach einem tieferen pädagogischen Sinn in den Maßnahmen, die der Übung und Pflege des Leibes gewidmet sind, zu suchen“, 3) heißt es 1966 in der Neuen Deutschen Biographie.
All seine gymnastischen Übungen waren in erster Linie an die Jungen gerichtet, nicht an die Mädchen. Für sie sei ein regelmäßiger gymnastischer Unterricht nicht vorgesehen. Solches passte nicht in das damals herrschende Rollenbild. In seiner Neuausgabe der „Gymnastik“ erklärte er zwar, dass auch „das Weib (…) seinen Körper gebrauchen [sollte], soll nach Herrschaft über ihn streben und ihm Gewandtheit und Ausdauer geben; es ist nicht bestimmt, durch diese Welt zu kränkeln, sondern zu leben.“ 4) Doch „förmliche Gymnastik für die Mädchen“ sei nichts für Mädchen, dagegen „aber tägliche Bewegung im Freien, muntere und bewegende häusliche Verrichtungen, kleine Fußreisen und mit guter Auswahl für das Mädchen von 6 bis 12 und 14 Jahren selbst mancher von den oben angegebenen Übungen.“ 5) „Damit stimmte GutsMuths dem damals herrschenden Rollenverständnis zu, wonach die Frau ausschließlich für das Haus, den Herd und die Kinder zuständig sein müßte, während dem Mann das Auftreten in der Öffentlichkeit vorbehalten blieb.“ 6)

„Unter dem Einfluss der Französischen Revolution (1789-1799) und der Napoleonischen Fremdherrschaft (1807-1813) folgte GutsMuths dem Zeitgeist, indem er sich vom kosmopolischen Menschenerzieher, Weltbürger und Aufklärer zum deutschen Nationalerzieher wandelte. Diese Veränderung kommt bereits in seiner 1804 veröffentlichten 2. Auflage der Gymnastik für die Jugend zum Ausdruck.

Er überreicht die Neufassung dem preußischen Staatsminister von Massow mit der Versicherung, dass seine Gymnastik auch für die unteren Volksklassen bestimmt sei und dazu beitrage, den ‚Körper zum Dienst des Staates‘ zu verwenden. Deshalb nahm er in der zweiten Auflage sogar ‚Kriegsübungen mit Gewehr‘, d. h. soldatische Gewehrgriffe und Marschübungen auf. Seit 1811 eiferte er Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) [Jahnring und Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße] nach. Im Turnbuch für die Söhne des Vaterlandes (1816) überführte er seine Gymnastik in ein vaterländisch-soldatisches Turnen. Dabei opferte er – wie viele Pädagogen seiner Zeit – die individuelle, rein erzieherische Gymnastik zugunsten der allgemeinen Wehrerziehung,“7) schreibt Michael Thomas in seiner Abhandlung über GutsMuths.