Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße

Harburg (1933): Friedrich Ludwig Jahn (11.8.1778 Lanz (Prignitz) – 15.10.1852 Freyburg (Unstrut)): Pädagoge, Schöpfer der deutschen Turnbewegung


Siehe auch: Jahnring
Siehe auch: Jahnbrücke
Siehe auch: Auf der Jahnhöhe

Von 1856 bis 1879 hieß die Straße Sandtwiete, von 1879 bis 1933 dann Turnerstraße. Gleich nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde die Straße 1933 nach Friedrich Ludwig Jahn benannt. Im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes sollte die Straße dann in Peperstraße (Motivgruppe: Großdeutschland Länder, Orte, Flüsse und Berge in Österreich, Helden und Opfer der Bewegung und des volksdeutschen Gedankens in Österreich; Sudeten- und Karpatendeutschtum, Industrielle und Industrie. Sächsische Herrschergeschlechter. Harburger Persönlichkeiten, Flurnamen) umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bei Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg: 133-1 II, 38. Anlage 2. Große Umbenennung von 1938. Die neu vorgeschlagenen Straßennamen nach Stadtteilen geordnet unter Angabe der verwendeten

In der Datenbank „Die Straßenbenennungspraxis in Westfalen und Lippe während des Nationalsozialismus“ heißt es über die Benennung von Straßen nach Friedrich Ludwig Jahn während der NS-Zeit: „In der NS-Zeit [wurde Jahn] populär als nationalistisch-antifranzösisch instrumentalisierte Figur, zusammen mit Friesen ‚positives Sinnbild der Volksgemeinschaft‘ (Schilling), 1937 ‚Konjunktur‘ von Jahn-Straßen infolge eines Runderlasses des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler, vom 29.06.1937, der es als eine ‚selbstverständliche Ehren- und Dankespflicht‘ ansah, Straßen und Plätze nach Jahn und Friesen zu benennen.“ (www.lwl.org/westfaelische-geschichte/nstopo/strnam/Begriff_62.html)

„Friedrich Ludwig Jahn, Sohn des evangelischen Pfarrers Alexander Friedrich Jahn (1742–1811) und dessen Frau, der Pfarrerstochter Dorothea Sofia, geb. Schultze (* 1751), wurde zuerst vom Vater unterrichtet. (…). Ohne das Abitur immatrikulierte er sich 1796 an der Universität Halle zum Theologie-Studium. (…). Jahn trat für die Reinheit der deutschen Sprache ein und verfasste die Schrift Patriotismus in Preußen, daraufhin musste er Halle verlassen und ging nach Breslau. 1800 wurde ihm in Leipzig der Prozess gemacht und ein Verbot für alle deutschen Universitäten ausgesprochen. (…)
Insgesamt verbrachte Jahn sieben Jahre an verschiedenen Universitäten, (…). Nach einigen Jahren als Hauslehrer in Mecklenburg setzte Jahn, der sich inzwischen intensiv mit deutscher Sprache und Geschichte befasste, von 1805 bis 1806 sein Studium an der Universität Göttingen fort. In dieser Zeit verlobte er sich mit Helene Kollhof, die er 1814 heiratete,“ 1) heißt es in Wikipedia.

Mit Helene Kollhoff (30.8.1778 Neunkirchen (Brandenburg) – 8.9.1823 Berlin), Tochter eines Landwirtes und dessen Ehefrau bekam Jahn drei Kinder, geboren zwischen 1815 und 1819.

Die deutsche Sporthilfe schreibt über Jahn u. a.: „Im Jahr 1810 gehörte Jahn zu den Gründern des geheimen Deutschen Bunds zur Befreiung und Einigung Deutschlands. Preußen und die deutschen Kleinstaaten waren von napoleonischen Truppen besetzt, und das Turnen galt als Ausdruck einer Volksbewegung gegen Franzosen und deutsche Fürsten, die die Einheit der Nation verhinderten. Jahn sah im Turnen eine körperliche Ertüchtigung für jedermann, aber verbunden mit politischen Zielen und wehrpolitischem Nutzen. Nach der Niederlage Napoleons 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig erschien 1816 sein Grundlagenbuch ‚Die deutsche Turnkunst‘. Ein Jahr später war Jahn Mitinitiator des ersten Wartburgfests, bei dem Studenten für die Einheit Deutschlands eintraten. Wegen der politisch oppositionellen Haltung der Turner erfolgte 1819 das Turnverbot, Jahn wurde verhaftet. Später wurde Jahn amnestiert, rehabilitiert und Turnen in Preußen sogar Schulfach.“ 2)

Dieser geheime Deutsche Bund zur Befreiung und Einigung Deutschlands, gegründet in der Hasenheide bei Berlin: „stand ausschließlich Männern ‚deutscher Abstammung‘ offen, Juden waren, selbst wenn sie zum Christentum konvertiert waren, von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. (…)

Zweck der Turnbewegung war nur scheinbar der Sport. Wichtiger war zum einen die nationalistische Willensbildung, zum anderen die paramilitärische Ausbildung der Turner, um die ‚Feinde der Freiheit‘ zu besiegen. Diese Feinde waren die Franzosen und die deutschen Fürsten, denen er vorwarf, Einheit und Freiheit der deutschen Nation zu verhindern. Jahn war gegen die Kleinstaaterei und für ein einheitliches Deutschland. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Jugend und wollte diese für einen eventuellen Kampf vorbereiten. Er erfand das Turnen als eine körperliche Betätigung für jedermann mit einem durchaus wehrpolitischen Nutzen. Jahn entwickelte das Turnen weiter zur ‚patriotischen Erziehung zur Vorbereitung auf den Befreiungskrieg‘. Er sah das Turnen in engem Zusammenhang mit politischen Zielen: der Befreiung Deutschlands von napoleonischer Herrschaft, der Idee eines künftigen deutschen Reiches unter preußischer Führung und der Teilnahme der einzelnen Staatsbürger am Wohl und Weh des Ganzen,“ 3) ist in Wikipedia nachzulesen.

Doch, so Gertrud Pfister in ihrer Abhandlung „200 Jahre Turnbewegung – von der Hasenheide bis heute“, „nach den Befreiungskriegen (1813-1815), an denen die Turner sich unter anderem im Lützowschen Freikorps beteiligt hatten, erfüllten sich die Träume der Patrioten nicht. Bei dem Versuch, ein neues Gleichgewicht in Europa herzustellen und die liberalen Verfassungsbewegungen zu unterdrücken, entstand der aus 39 Einzelstaaten zusammengesetzte Deutsche Bund mit stark restaurativen Tendenzen. Zwar breitete sich das Turnen weiter aus, die politischen Ziele der Turner, die nach wie vor die deutsche Einheit und das politische Mitbestimmungsrecht des Volkes propagierten, erregten jetzt aber den Verdacht der Behörden. 1820 wurde das Turnen durch eine preußische Kabinettsorder verboten, die Turnplätze wurden geschlossen und Jahn, dessen Person und Wirken bis heute kontrovers beurteilt werden, wurde für einige Zeit inhaftiert. (…).“ 4)

1819, im Jahr der Verhaftung von Jahn starben zwei seiner Kinder. Vier Jahre später, 1823, starb seine Frau. Damals befand sich Jahn noch in Haft und durfte nicht an der Beerdigung seiner Frau teilnehmen.

1825 wurde er aus der Haft entlassen. Im selben Jahr heiratete er die 25 Jahre jüngere Emilie Hentsch (12.5.1792 Kolberg – 7.6.1876 Der, Aube Champagne-Ardenne). 5) Andere Quellen berichten, dass die Hochzeit am 11.2.1824 stattfand. 6) Das Paar bekam am 22.7.1824 einen Sohn, der bereits am 15.8.1824 verstarb, 7) und zog nach Freyburg an der Unstrut. Dort wurde am 5.7.1825 eine Tochter geboren. 8) Hier lebte Jahn unter Polizeiaufsicht als Pensionär.

„Im September 1828 wurde er wegen des Kontakts mit Schülern und Lehrern bis 1835 nach Kölleda ausgewiesen, wo er weitgehend isoliert bis 1836 lebte. In diesem Jahr kehrte er nach Freyburg zurück. (…) Im Laufe der Jahre wurden die Bestimmungen gelockert, und Ärzte und Pädagogen unterstützten das Wiederaufleben der Leibesübungen. 1837 wurden in den Gymnasien Leibesübungen gestattet. (…)

1840 erfolgte Jahns Amnestierung und vollkommene Rehabilitierung durch Friedrich Wilhelm IV., die Polizeiaufsicht wurde aufgehoben. (…) 1842 hob Friedrich Wilhelm IV. den Erlass seines Vaters auf und beendete damit offiziell die Turnsperre. Zudem erhielt Jahn die 1.500 Taler zurückerstattet, die er seinerzeit in den Turnplatz Hasenheide investiert hatte. Zudem erhielt er immer wieder Spenden von Turnvereinen, die nun wieder legal waren und in denen er als der ‚Turnvater‘ verehrt wurde. Damit war Jahn endlich seiner finanziellen Sorgen ledig.
1848 wurde Jahn ins Vorparlament berufen. Kurz darauf wurde Jahn in die Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche gewählt. Er engagierte sich jetzt für Ruhe und Ordnung und vertrat die Idee eines preußischen Erbkaisertums. Für die Turnerbewegung, die zunehmend demokratisch orientiert war, hatte er kein Verständnis und wandte sich von ihr ab,“9) heißt es im Wikipedia-Eintrag zu Jahn.

Jahn und Frauensport
Gertrud Pfister blickt in ihrer Abhandlung „über 200 Jahre Turnbewegung“ besonders auch auf das Frauenturnen und resümiert: „Obwohl der Turnplatz ‚als Tummelplatz für die gesamte Bevölkerung und als Sammelpunkt des ganzen öffentlichen Lebens gedacht‘ war, wurde unter der ‚gesamten Bevölkerung‘ nur die eine, die männliche Hälfte der Menschheit verstanden. In Jahns ‚Deutscher Turnkunst‘, dem Standardwerk der Turner, werden Mädchen und Frauen nicht ein einziges Mal erwähnt. Erst als in den 1830er Jahren, in der Zeit der ‚Turnsperre‘, der gesundheitliche Wert der Leibesübungen einen neuen Stellenwert erhielt, wurden die ersten Turnkurse für Mädchen angeboten, nicht zuletzt, weil die Gesundheit des ‚schwachen Geschlechts‘ durch Bewegungsarmut bedroht schien. (…).“10)

Und weiter fährt Gertrud Pfister über die Entwicklung des Frauenturnens fort: „Während Frauen bis zum Ende der 1880er Jahre vom Turnen ausgeschlossen waren, bestand für Mädchen in eingeschränktem Maße die Möglichkeit, an Turnkursen teilzunehmen. Zudem nahmen manche Schulen, vor allem private höhere Töchterschulen, seit den 1850er Jahren Turnen in ihren Fächerkanon auf. Da Frauen nicht am männlichen Maßstab der Wehrhaftigkeit, Stärke und Überlegenheit gemessen wurden, schien die ‚körperliche Ertüchtigung des weiblichen Geschlechts‘ keine allzu große Bedeutung zu haben. Die Übungsauswahl im Mädchenturnen war zudem aufgrund zahlreicher Vorurteile und Vorbehalte äußerst beschränkt. Es galt die Devise: ‚Kopf oben, Beine unten und geschlossen.‘ Erst gegen Ende des Jahrhunderts wurde die Ineffektivität der Übungen kritisiert und unter dem Motto ‚Starke werden nur von Starken geboren‘ eine Reform des Mädchenturnens gefordert. (…)

Im Frauenturnen setzte sich nach langen Auseinandersetzungen die Hose durch, den Kampf um die Mitgliederrechte und die Beteiligung auswärtiger Turnerinnen an Turnfesten gewannen die Frauen allerdings erst in der Weimarer Republik. Mit der wachsenden Akzeptanz der Frauenerwerbstätigkeit und der beginnenden Integration der Frauen in die Leistungsgesellschaft nahm in den 1920er Jahren dann auch die Beteiligung von Frauen am Leistungssport und an Turnwettkämpfen zu. 1928 wurde das Frauenturnen als Mannschaftsmehrkampf schließlich olympisch.“ 11)

Straßenbenennungen nach Jahn
In vielen deutschen Städten sind Straßen nach Jahn benannt. „Kritiker lehnen solche Ehrungen Jahns mit dem Verweis auf seine nationalistische und antisemitische Einstellung ab. In mehreren Städten existieren Initiativen, nach Jahn benannte Plätze umzubenennen.“ 12)

Die in Freiburg tätige Kommission zur Überprüfung Freiburger Straßennamen kam für ihre dortige Jahnstraße zu folgendem Ergebnis: „Obwohl von den Monarchen der Restauration politisch verfolgt, wurde Jahn ab dem Kaiserreich als deutscher Freiheitskämpfer und als Gründer der deutschen Turnbewegung verehrt, viele Sportanlagen, Straßen und Schulen wurden nach ihm benannt sowie Denkmäler ihm gewidmet. 2013 wurde er in die ‚Hall of Fame‘ der Stiftung Deutsche Sporthilfe aufgenommen. Diese Ehrungen Jahns wurden wegen seiner nationalistischen und antisemitischen Einstellungen kritisiert. Er gilt als einer der ersten, die eine biologische Vorstellung von Volk entwickelten und wurde damit – ohne dies selbst absehen oder verhindern zu können – zu einem völkischen Vordenker der nationalsozialistischen Politik der ‚Blutreinheit‘. ‚Nichts ist ein Staat ohne Volk, ein seelenloses Kunstwerk; nichts ist ein Volk ohne Staat ein leibloser luftiger Schemen, wie die weltflüchtigen Zigeuner und Juden. Staat und Volks in Eins, geben erst ein Reich, und dessen Erhaltungsgewalt bleibt das Volktsthum.‘ ‚Je reiner ein Volk, je besser; je vermischter, je bandenmäßiger. [...] Warnende Beispiel zeigt uns die Völkerkunde. Die sich in Negerige verlierenden Araber in Nordafrika, sind die Schande ihres Völkerstamms [...]‘ (Friedrich Ludwig Jahn: Deutsches Volksthum, Lübeck 1810).“ 13) Die Kommission empfahl ein Ergänzungsschild unter dem Straßenschild mit folgendem Text: „Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852). Begründer der Turnbewegung und völkischer Nationalist.“ 14)

Der Historiker Felix Sassmannshausen schreibt in seinem für das Land Berlin verfassten Dossier über Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin: „Jahn war einer der wichtigsten Vertreter des aufsteigenden deutschen Nationalismus zu Beginn des 19. Jahrhunderts und Mitbegründer der Turnbewegung. In seinen Schriften kolportierte er frühantisemitische Tropen. Praktisch wurden Juden und Jüdinnen von vornherein aus der Mitgliedschaft im von ihm mitbegründeten geheimen Männerbund Deutscher Bund ausgeschlossen. Es soll auch konvertierten Juden nicht möglich gewesen sein, Mitglied zu werden.“ 15) Sassmannshausen gibt die Handlungsempfehlung für den Umgang mit diesem Straßennamen: „Die Initiative ‚Sport ohne Turnväter‘ im Bezirk Pankow, die darauf zielte, den Jahn-Sportpark in Berlin Prenzlauer Berg umzubenennen, ist im Senat gescheitert. Weitere Recherche, gegebenenfalls Umbenennung.“ 16)