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nach Personen benannt

Ittenstraße

Billstedt (1971): Johannes Itten (11.11.1888 Wachseldorn/Schweiz – 25.3.1967 Zürich), Schweizer Maler, Direktor der Kunstgewerbeschule in Zürich.


„Itten ist, neben Gropius [siehe: Gropiusring], für die frühe Zeit des Bauhauses ohne Zweifel die zentrale Persönlichkeit. Er war der maßgebende Pädagoge, Erfinder des Vorkurses, der die traditionelle Künstlerausbildung revolutionierte; er war Integrationsfigur, ‚heimlicher Direktor‘ und Verfechter des ursprünglichen Bauhaus-Gedankens einer Verschmelzung von Kunst und Handwerk. Für seine Anhänger wurde er mit seinem Charisma und seiner philosophischen Orientierung an persischen, indischen und chinesischen Lehren zum Vorbild und Meister. Itten wurde aber auch Antipode von Gropius, als dessen Ideen sich zum neuen Prinzip einer ‚Einheit von Kunst und Technik‘ wandelten,“ 1) schreiben Rolf Bothe, Peter Hahn und Hans Christoph von Tafel in ihrem Einleitungstext zum Katalogbuch „Das frühe Bauhaus und Johannes Itten“.

Johannes Itten war der Sohn der Bauerntochter Elise Itten, geborene Jost und des Lehrers und Landwirts Johann Itten. Der Vater starb, als der Sohn vier Jahre alt war. Zwei Jahre später verheiratete sich seine Mutter erneut, bis dahin hatte Johannes Itten bei seiner Großmutter gelebt. Der Stiefvater soll sehr streng gewesen sein: Johannes Itten musste nach der Schule auf dem Hof mitarbeiten. Nach dem Willen seiner Eltern sollte Itten ebenso wie sein leiblicher Vater Lehrer werden. Deshalb besuchte er ab 1904 das Lehrerseminar in Hofwil bei Bern. Dort erkannte man Ittens musikalische Begabung, die nun gefördert wurde. Nach Abschluss des Seminars wurde Itten an einer Schule in Schwarzenburg Primarlehrer, entschloss sich dann aber 1909 Künstler zu werden und besuchte deshalb die Ecole des Beaux-Arts in Genf. „Die traditionellen, sich auf das Figürliche beschränkenden Lehrmethoden befriedigen Itten jedoch nicht, nach einem Jahr bricht er die Schule frühzeitig ab. Nach Bern zurückgekehrt, belegt er an der Universität ab 1910 für vier Semester Vorlesungen in Naturwissenschaften, Deutsch und Turnen, um sich zum Sekundarlehrer ausbilden zu lassen,“ 2) schreibt Dora Imhof in ihrem Lexikonbeitrag über Johannes Itten.

Nach Abschluss seines Studiums und dem Erwerb des Sekundarlehrerdiploms unternahm Itten zwischen 1912 und 1913 mehrere Reisen und begann sich mit neuerer Kunst zu beschäftigen. 1913 begann er „ein Kunststudium an der Stuttgarter Akademie bei Adolf Hölzel und entwickelte eine abstrakte, geometr. Ausdrucksweise. 1916 siedelte er nach Wien über [den Anstoß dafür soll seine Schülerin Agathe Mark (1894-1973) gegeben haben, deren Eltern in Wien einen Kunstsalon unterhielten, R. B.] , wo er eine private Kunstschule leitete und Bekanntschaft mit Alma Mahler und Walter Gropius [siehe: Gropiusring] machte. In diesem Kreis wurde sein Interesse für indische und fernöstl. Philosophie geweckt“, 3) heißt es im historischen Lexikon der Schweiz. Itten entwickelte eine Form- und Farbenlehre und wandte neuartiger Unterrichtsmethoden an.

1919 heiratete er Hildegard Anbelang (1894-1952), die Schwester von Emmy Abelang, mit der Itten ein Jahr zuvor eine Liebesbeziehung gehabt hatte. Emmy Anbelang war seine Schülerin und letzte Freundin von Gustav Klimt gewesen, der 1918 verstarb. Johannes Itten und Emmy Abelang wollten heiraten, doch Emmy Abelang starb am 14. Dezember an der Spanischen Grippe.

Im Jahr seiner Hochzeit mit Hildegard Anbelang wurde Itten ans Bauhaus in Weimar berufen. Dort entwickelte er mit Gertrud Grunow (8.7.1870 Berlin – 11.6.1944 Leverkusen) die Vorklasse, die jede Studentin und jeder Student des Bauhauses durchlaufen musste. Gertrud Grunow war Gesangslehrerin und Musikpädagogin. Als einzige Frau am Bauhaus in Weimar unterrichtete sie zwischen 1919 und 1924 als Meisterin.

1920 bekam das Ehepaar Itten einen Sohn. 1922 erlitt Hildegard Itten eine Frühgeburt; das Kind starb wenige Tage später.

Dora Imhof schreibt über den weiteren Werdegang Ittens: Itten übernahm am Bauhaus die „Leitung verschiedener Werkstätten (Metallwerkstatt, Wand- und Glasmalerei, Tischlerei und Holz- und Steinbildhauerei).“ 4)

Doch als vollwertige Künstlerinnen sahen weder Gropius, Itten noch Klee die Bauhausfrauen an. Von Johannes Itten gibt es den Ausspruch, dass Frauen nur zweidimensional denken könnten, Männer hingegen dreidimensional. Als Itten beim Bauhaus in Weimar unterrichtete, waren in den ersten Semestern die weiblichen Studierenden in der Überzahl. „Die Bauhaus-Satzung von 1921 betonte (…) die Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Studierenden. (…) Der Unterricht der Bauhaus-Maler war für das Rollenverständnis der Studierenden insofern wichtig, als ihre angeblich geschlechtsneutrale Kunstlehre die zeitgenössische, konventionelle Vorstellung über das Verhältnis der Geschlechter bestätigte“, 5) schreibt Anja Baumhoff über die Geschlechterkonzeptionen bei Johannes Itten. Und sie erklärt, dass Itten in Teilen seiner Kunstauffassung „im Herkömmlichen stärker verwurzelt war, als Itten es selber einschätzte“. 6) Dies zeigte sich – so Anja Baumhoff, in seinem „dualistisch ausgerichtetem Denken. Itten ging davon aus, daß der Mensch polar strukturiert sei. (…) In Ittens polar strukturiertem Denken erscheinen Männer und Frauen als grundsätzlich verschieden (…)“. (7) . Dabei ging Itten allerdings nicht von „der Gleichheit des männlichen und weiblichen Parts aus. Im Gegenteil, für Itten war der Mann das höhere Wesen (…). Dem Mann war es möglich, die männliche und die weibliche Komponente in sich zu entwickeln, und er besaß somit eine Eigenständigkeit und Autonomie, die Itten der Frau nicht zuschrieb.“ 8) Für Itten war „Alles Gute und Große (…) männlich, alles andere weiblich.“9)

Wie sich Ittens Einstellung zum weiblichen Geschlecht auf seinen Unterricht auswirkte, dazu äußert Anja Baumhoff. Es „deutet vieles daraufhin, daß Ambitionen auf die freie Kunst eher gedämpft wurden, und daß Frauen innerhalb solcher geschlechtsspezifischer Denkmuster noch am ehesten einen Platz im Kunstgewerbe fanden.

Solange die reine Kunst sich männlich definierte, als das nicht-weibliche mit einem abgrenzenden Selbstverständnis, war es fast unmöglich für Frauen, in dieser Domäne erfolgreich zu sein.“ 10)

Auch wenn die Bauhaus-Satzung Frauen zum Studium zuließ, was in den konventionellen Kunstakademien noch lange nicht der Fall war, wurden Frauen auch dort bei den „Modernen“ eingeengt auf die Weberei, eine Tätigkeit, die traditionell den Frauen zugeschrieben wurde. Itten „leitete (…) die meisten von ihnen [seine Schülerinnen] zum Kunstgewerbe an, wo sie gerade auch auf textilem Gebiet erfolgreich waren. (…) In diesem weiblichen Arbeitsbereich stellten sie allerdings die Geschlechterrollen nicht in Frage.“ 11)

Lange blieb Itten nicht am Bauhaus. „Nach Differenzen mit Walter Gropius verlässt Itten 1923 das Bauhaus. (…). 1923–1926 unterrichtet er in der Mazdaznan-Gemeinschaft in Herrliberg am Zürichsee.“12) Dorthin war das Ehepaar Itten Anfang 1923 gezogen.

Bereits im Januar 1922 war Hildegard „förmlich als Mitglied dritten Grades in den ‚Mazdaznan-Bund‘ aufgenommen worden. Johannes Itten war zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon als ‚Mitglied ersten Grades‘ etabliert (…). Itten gehörte dem erweiterten Vorstand der Herrliberger Mazdaznan-Tempel-Gemeinschaft an, die ab 1924 als Wirtschaftsgemeinschaft unter dem Namen ‚Aryana-Gesellschaft‘ firmiert. Er gründete die Ontos-Kunstschule und die Ontos-Werkstätten, mit denen er offenbar das Projekt einer ganzheitlichen Kunst- und Lebensschule verfolgt.
Itten hielt Vorträge zur Mazdaznanlehre, unterrichtete Laien an der angegliederten Kunstschule, betreute den zugehörigen Verlag und baute zusammen mit der Bauhäuslerin Gunta Stölzl (1897–1983) die Ontos-Werkstätten für Handweberei und Smyrnateppichknüpferei auf.“ 13)

Die Mazdaznan-Lehre propagierte eine Rassenideologie, nach der die "weiße Rasse" die höchste Kulturstufe des Menschen darstelle und deshalb reingehalten werden müsse. Weil Itten dieser Lehre anhing, wurde 2012 in München die nach ihm benannte Straße umbenannt. 14) (Zur Mazdaznan-Lehre, siehe unter: John-Chretien-Wanderweg.)
Doch schon im Frühjahr 1925 wurden die Ontos-Werkstätten geschlossen. Es gab Unstimmigkeiten innerhalb der Herrrliberger Gemeinde und Itten verließ mit seiner Frau und dem Kind im Herbst 1925 die Gemeinde und zog nach Berlin.

„1926 folgt die Gründung der Modernen Kunstschule in Berlin, in der Itten und andere Lehrer zukünftige Maler, Grafiker, Architekten und Fotografen ausbilden; 1934 wird die Schule durch die Nationalsozialisten geschlossen. Von 1932 bis 1938 ist Itten an der Höheren Fachschule für textile Flächenkunst in Krefeld tätig, wo er alle Bereiche der Textilindustrie unterrichtet; die Schule wird 1938 geschlossen. Seine Bilder werden in der Ausstellung Entartete Kunst gezeigt.“ 15)

Ebenfalls 1938 ließ sich Itten von seiner Frau scheiden und heiratete ein Jahr darauf Anneliese Schlösser (1913-2002). Er hatte sie an der Schule in Krefeld kennengelernt. Sie war eine ehemalige Schülerin und wurde später Lehrerin der Musterweberei. 1941 wurde die gemeinsame Tochter Marion Lichardus-Itten geboren, die später Prähistorikerin wurde. 1944 und 1946 folgten die Geburten von zwei Söhnen.

Im Jahr der Scheidung von seiner ersten Ehefrau wurde Itten 1938 Direktor der Kunstgewerbeschule in Zürich. „Daneben leitete er ab 1943 die Textilfachschule und 1952-56 das Museum Rietberg. Eine Retrospektive im Kunsthaus Zürich 1964 und die Teilnahme an der Biennale in Venedig 1966 brachten ihm breite Anerkennung.“16)

Dora Imhof beschreibt Ittens Kunst wie folgt: „Ittens Œuvre ist gekennzeichnet durch grosse stilistische Vielfalt. Erkenntnisse und Anregungen aus dem Kubismus, Expressionismus und Futurismus werden aufgenommen und verarbeitet. In der Auseinandersetzung mit den Tendenzen der Kunst der Moderne entwickelt Itten eine zielgerichtete Untersuchung der bildnerischen Gestaltungsmöglicheiten, basierend auf einem mathematisch-geometrischen Bildaufbau und Farbkontrasten. Seine künstlerische Tätigkeit steht dabei vor dem Hintergrund einer seit seiner Stuttgarter Zeit erarbeiteten künstlerischen und letztlich lebensanschaulich-philosophischen Theorie. Hatte der junge Itten sich anfangs zur Musik und zur bildender Kunst hingezogen gefühlt, ist sein weiteres Schaffen geprägt durch seine Doppelbegabung und -tätigkeit als Künstler und als Lehrer.“ 17) Und im Historischen Lexikon der Schweiz heißt es über Ittens Schaffen: „I. hat als Maler und Kunstpädagoge die moderne Kunst mitgeprägt. Neben dem stilistisch vielfältigen Œuvre hinterliess er umfangreiche theoret. Schriften und Tagebücher. (…)“. 18)

Nach Ittens Tod förderte Ittens zweite Ehefrau Anneliese Itten die Itten-Forschung und zwar – wie es heißt „mit einer umfangreichen geistigen Zuarbeit (…), aber auch – wie wir heute besser erkennen – beeinflusste und gelegentlich steuerte“ 19) sie sie.