Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Haeckelstraße

Harburg (1950): Prof. Dr. Ernst Haeckel (16.2.1834 Potsdam -9.8.1919 Jena), Zoologe, Gründer des Monistenbundes.


Früher hieß die Straße Marthastraße, benannt 1924.

Haeckel war: „Mitbegründer der nationalistischen, kriegsbejahenden ‚Deutschen Vaterlandspartei‘, in der Forschung wird ihm seine Einstellung gegenüber Eugenik und Euthanasie zur Last gelegt; zusätzlich sind öffentliche antisemitische Äußerungen bekannt“, schreibt die ExpertInnenkommission Straßennamen Graz 2017. 1)

Und in Wikipedia heißt es: „Im Rahmen seiner Auseinandersetzungen mit der Übertragbarkeit rassischer Kategorien auf die gesellschaftliche Entwicklung des Menschen zählt Haeckel – hier klarer Gegner seines Lehrers Virchow [siehe: Virchowstraße] – zu den schließlich entschiedenen Vertretern einer ‚eugenischen‘ Sozialpolitik. Aufgrund seiner Überlegungen zur ‚künstlichen Züchtung‘ des Menschen in modernen Gesellschaften gilt Haeckel als Wegbereiter der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland. Nationalsozialistische Ideologen zogen Ausschnitte seiner Aussagen später als Begründung für ihren Rassismus und Sozialdarwinismus heran, erklärten gleichzeitig aber wesentliche Teile von Haeckels Weltbild als unvereinbar mit der völkisch-biologistischen Sichtweise des Nationalsozialismus.“ 2)

Im Endbericht der ExpertInnenkommission Straßennamen Graz steht über Haeckel, dessen Eltern Charlotte, geb. Sethe und der preußische Oberregierungsrat Carl Haeckel waren: er: „studierte [...] auf Wunsch der Eltern seit 1852 in Berlin, Würzburg und Wien Medizin. [...] Haeckel promovierte 1857 mit einer Dissertation über die Gewebe des Flußkrebses in Berlin, bestand dort 1858 das Staatsexamen und gab danach die Medizinerlaufbahn auf, um sich der vergleichenden Anatomie und Zoologie zu widmen. (…)“ 3)

Mit 28 Jahren wurde Haeckel 1862 zum außerordentlichen Professor an der Medizinischen Fakultät für vergleichende Anatomie in Jena berufen. Im selben Jahr heiratete er seine damals 27jährige Cousine Anna Sethe (1835.1864). Zwei Jahre später starb sie am 16.2.1864. Genau an diesem Tag wurde Haeckel die Cothenius-Medaille verliehen. Wieder ein Jahr später wurde Haeckel 1965 Ordinarius für Zoologie. Er beschäftigte sich mit der Morphologie und Entwicklungsgeschichte der niederen Seetiere.

Wiederum ein Jahr später, 1866, traf Haeckel Charles Darwin, von dessen Lehre er sehr angetan war. 4)

Haeckel verbreitete den Darwinismus im deutschsprachigen Raum. Dazu heißt es im Endbericht des ExpertInnenkommission „Die Inhalte dieser Lehren boten für Haeckel auch gleichzeitig die Möglichkeit, die Institution der Kirche bzw. kirchliche Lehren anzugreifen und auf dieser Basis eine eigene, biologistische Schöpfungstheorie zu entwerfen (…). ‚Sein Ringen um eine Weltanschauung auf naturwissenschaftlicher Grundlage führte Haeckel zur Entwicklung des Monismus [...]‘ (…), einer Weltanschauung, die bei Haeckel quasireligiöse Ausformungen annahm. (…). Der von Haeckel in der Folge gegründete ‚Deutsche Monistenbund‘ (1906) sollte dabei helfen, seine Ideen und seine freidenkerische Lehre zu verbreiten (…). Seine Lehren fanden dabei breiten Anklang in verschiedenen, freidenkerisch orientierten Vereinigungen und Organisationen um die Jahrhundertwende (…). Seine monistische Lehre fand zwar auch starken Anklang in völkischen Milieus, blieb aber nicht auf diese beschränkt. Der Monismus nach Haeckel „lässt sich politisch gesehen [...] nicht auf einen völkischen Nationalismus festlegen.“ (BERGMANN 2009, S. 324) Der Monistenbund selbst wurde als Freidenker-Organisation 1933 in Deutschland verboten (vgl. ebd.). (…).“ 5)

Bevor Haeckel sich dem Monismus widmete, hatte der 33-Jährige 1867 die damals 25jährige Professorentochter Agnes Huschke (1842-1915) geheiratet. Das Paar bekam drei Kinder: Walter, Elisabeth und Emma. In der Neuen Deutschen Biografie wird nur das Geburtsdatum des Sohnes, 1868, angegeben. Zu der Tochter Emma heißt es, sie sei gemütskrank gewesen. Zur Tochter Elisabeth werden nur der Name und die Geburts- und Sterbedaten des Ehemannes genannt. 6)

In der Zeit als Ernst Haeckel Vater kleiner Kinder war, unternahm er ab 1868 „ausgedehnte Forschungsreisen, u.a. in den Orient, nach Skandinavien, Dalmatien, Korfu, Korsika, Frankreich und Großbritannien. Schwerpunktmäßig untersucht er Kalkschwämme, Korallen, Medusen (Quallen) und leistet Grundlagenforschung für die Evolutionsgeschichte von Mensch und Tier.“7) Auch formulierte er die Abstammung des Menschen von affenähnlichen Primaten.

1894 wurde eine Haeckel-Professur für Geologie und Paläontologie eingerichtet.8) 1908 wurde das Museum für Abstammungslehre in Jena eröffnet. Ein Jahr später wurde Haeckel im Alter von 75 emeritiert, ein Jahr darauf trat er aus der Evangelischen Kirche aus, nahm 1911 am ersten Internationalen Monistenkongress in Hamburg teil, da war er bereits 80 Jahre alt. Wieder ein Jahr später starb seine Frau im Jahre 1915. Zwei Jahre darauf veröffentlichte Haeckel 1917 im Alter von 83 Jahren sein letztes Werk „Kristallseelen“. „Die Vorstellung einer vom Körper unabhängigen und unsterblichen Seele lehnt er ab. Er versteht die Seele als einen Komplex von Gehirnfunktionen, der sich durch seine natürliche Entstehung nicht grundsätzlich von einer Tierseele unterscheide.“ 9)

Politisch war Haeckel zuerst noch liberal eingestellt. Doch mit der Zeit begeisterte er sich „immer mehr für Bismarck [siehe: Bismarckstraße] und dessen imperialistisch-orientierte Politik (…). ‚Er gehörte der ‚Deutschen Kolonialgesellschaft‘ und dem ‚Alldeutschen Verband‘ an und war 1917 an der Gründung der nationalistischen, kriegsbejahenden ‚Deutschen Vaterlandspartei beteiligt, obwohl er sich vor dem Ersten Weltkrieg noch stark für den Pazifismus und eine internationale Verständigung engagiert hatte.‘ (…). Haeckels Position gegenüber Juden und Jüdinnen ist in der Forschung umstritten. Im Eintrag von Bergmann im Handbuch des Antisemitismus (2009) wird festgehalten, dass Haeckel das Judentum nie explizit als ‚Reichsfeind‘ deklarierte und so keine antisemitische Hetze betrieb. Allerdings wird er als Befürworter der vollständigen Assimilation der Juden und Jüdinnen in der deutschen Gesellschaft beschrieben. Die Differenzierung, die Haeckel diesen Ausführungen nach vorzunehmen schien, ist jene auf Basis der nationalen bzw. kulturellen Zugehörigkeit und nicht auf Basis der Rasse (vgl. ebd., S. 324f). Kritischer scheint hingegen schon Haeckels Position im Hinblick auf Eugenik und Euthanasie. Bergmann hält hierzu fest: ‚Haeckel popularisierte die Idee, dass degenerative Erscheinungen vor allem in den unteren Schichten durch die Ausschaltung der natürlichen Selektion durch die moderne Medizin verursacht würden und erwähnte in diesem Zusammenhang auch die ‚spartanischen Kindestötungen‘ als Beispiel für erfolgreiche ‚künstliche Menschenzüchtung‘, doch ging er nicht den Schritt von der Theorie zur therapeutischen Praxis im Sinne einer positiven Eugenik. Dieses Desinteresse an der eugenischen Problematik war darin begründet, dass bei ihm wie im frühen Sozialdarwinismus insgesamt das Vertrauen in den regulativen Mechanismus der natürlichen Selektion im Evolutionsprozess größer war als die Furcht vor der Entartung, die spätere Eugeniker antrieb.‘ (ebd., S. 324). Er billigt die Tötung schwer behinderter Neugeborener als zweckmäßige Maßregel und äußert sich kritisch dazu, behinderte Neugeborene, Geisteskranke, unheilbar Kranke usw. ohne Nutzen für die Gesellschaft medizinisch am Leben zu erhalten und tritt in diesen Fällen für eine Tötung auf Verlangen ein. Auch die Todesstrafe hielt er für eine positive selektive Maßnahme.“ (ebd., S. 325) Haeckel rechtfertigte seine Forderung nach Euthanasie sowie einer ‚positiven Eugenik‘ damit, dass er diese Handlungen als Akte des Mitgefühls beschrieb. Ein Mitgefühl, dass der Mensch auch kranken oder alten Tieren zu Teil werden ließe, den Menschen selbst aber verwehren würde. (…) Neben seinen dezidiert publizierten Positionen zur Eugenik und Euthanasie, welche vor allem von der NS-Ideologie aufgegriffen wurde (vgl. BERGMANN 2009, S. 325), positionierte sich Haeckel gegen Ende des Ersten Weltkrieges immer stärker als Vertreter einer strikten Rassenhierarchie. Die ‚weißen‘ Rassen stünden demnach über den andersfarbigen und vor allem der ‚deutschen Rasse‘ sprach er einen besonders hohen Rang in dieser hierarchischen Ordnung zu (vgl. SANDMANN 1990, S. 117f). Bei Bergmann wird abschließend noch angemerkt, dass diese Inhalte Haeckel zwar stark in die Nähe der späteren NS-Ideologie bringen, aber dass dabei „mit der Idee des Rassenkampfes und mythischen Überhöhung der nordischen Rasse zwei wesentliche Momente der völkisch-rassistischen Ideologie“ fehlen würden (vgl. BERGMANN 2009, S. 326).“ 10)