Hansingweg
Heimfeld (1935): Heinrich Hansing (25.12.1794 Harburg – 4.3.1814 bei den Kämpfen zwischen Moorburger Schanze und der Festung Hamburg-Harburg), Leutnant.
Von 1911 bis 1935 hieß diese Verkehrsfläche, die den westlichsten Teil, der durch den Kasernenbau abgetrennte Franckestraße bildet, ebenfalls Franckestraße, benannt nach Robert Francke (1830-1904), Harburger Fabrikant, Mitbegründer der „Harburger Salpeterfabrik E. Eger GmbH“ und der „Palmenfabrik Robert Francke“. Österreichischer-ungarischer Vize-Konsul (siehe: Konsul-Francke-Straße). 1935, in der Zeit des Nationalsozialismus, erhielt dann dieser oben beschriebene Teil der Franckestraße den Namen Hansingweg.
Leutnant Heinrich Hansing war der Sohn des von 1827 bis 1835 amtierenden Harburger Bürgermeisters Johann Gottlieb Hansing, Jurist. (geb.1754 Celle).
Heinrich Hansing wurde als 20-jähriger Soldat auf der Hannoverschen Seite zwischen Moorburger Schanze und Festung Hamburg-Harburg getötet. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur ''Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).
Über Heinrich Hansing äußerte sich der Moorburger Pastor Stüven in seiner Rede am 13.12.1908 zu den Kämpfen um die Moorburger Schanze . Aus seinen Ausführungen wird deutlich, warum das nationalsozialistische Regime solch einen Straßennamen favorisierte: Hurra-Patriotismus und das heldenhafte Sterben für das Vaterland stehen im Mittelpunkt der Hansing Biografie. Auch der Moorburger Pastor Stüven war davon fasziniert. Entsprechend ist der Inhalt seiner Rede gehalten: „Wie so manchen deutschen Jüngling zog es ihn [der eigentlich Jura studieren wollte, R.B.] aber im Drang der Begeisterung, für die Freiheit und Ehre des Vaterlandes alles einzusetzen, aus dem akademischen Hörsaal unter die Fahne des Krieges. Im Lüneburger Bataillon, dem er sich aus nahe liegenden Gründen anschloss, rückte er rasch vom Fähnrich zum Leutnant auf. Aus den von ihm hinterlassenen, pietätvoll in der Familie aufbewahrten Papieren - es sind Briefe, Stammverse, längere Gedichte - spricht ein durchaus edler, für alles Schöne und Hohe früh erschlossener Charakter. Wie auf eine Braut blickte er auf sein Schwert, sehnsüchtig des Augenblicks wartend, wo er es im Kampf für sein Vaterland ziehen konnte, und das um so mehr, als sich am Knauf ein Siegel als Angedenken von lieber Hand befand. Wie sein Herz der freundlichen Geberin, einer Harburger Jungfrau, zugewandt war, hat er selbst in einem an sie aus Harburg unter dem 6. April 1813 gerichteten Briefe in poetischer Form so ausgesprochen:
'In wilden Schlachten will ich auf des Degens Handgriff sehn
Und spornen wird mich dann zu grauser Tapferkeit
Des Siegels prächt'ger Glanz und Wert.
Bis zu des Bergbaus Schachten will ich niedergehn
Und denken an die Ewigkeit,
Zur Seite aber dich mein Weib, das Schwert!'
Das ist etwas von dem Feuer, das in dem bekannten Liede von Theodor Körner [siehe: Theodor-Körner-Weg] stammt:
'Du Schwert an meiner Linken,
Was soll dein heit'res Winken,
Schaust mich so freundlich an,
Hab meine Freude dran.
Hurrah!
Ja, gutes Schwert, frei bin ich
Und liebe dich herzinnig,
Als wärst du mir getraut
Als eine liebe Braut.
Hurrah!'
Dasselbe Gefühl der Liebe zu jener Geberin spricht sich aus in einem in Spiegelschrift gesetzten Stammbuchvers, wenn auch zum Schluss in etwas schalkhafter Weise:
'Der Mamsell Marie Mühle (so heißt die Geliebte) gewidmet.
Diese Myrte möge grünen,
Streben palmenschlank empor
Und zu deiner Freude blühen
Wie viel andre nicht zuvor.
Sei verschwiegen, sage keinem,
Dass ich diese Verse schrieb,
Denn von keinem Mund als deinem
Wäre mir's Auslachen lieb.'
Zuletzt hat der junge Krieger doch geglaubt, aus uns unbekannten Gründen in ernster Selbstverleugnung der Geliebten entsagen zu müssen, die nachher die Frau seines älteren Bruders geworden ist. Aus einem längeren Gedicht sei das Nachfolgende mitgeteilt:
'Du hast die höchste Wonne mir gegeben,
Die Hoffnung sog mein Herz aus deinem Blick,
Doch ach! nach diesem Blick war kalt mein Leben,
Dahin geschwunden alles Erdenglück.
Nie wird mein Arm dich liebevoll umfangen,
Verbrechen ist mein Blick, der Liebe fleht,
So schließ ich denn ins Grab mein glühendes Verlangen,
Dass schützend dich mein reiner Geist umschwebt.
So lebe froh an des Geliebten Seite,
Dem deine Nähe höh're Tugend gibt,
Doch liebet in der ganzen Schöpfungsweite
Kein Herz dich so wie dich das meine liebt.
Du hörest meine Töne sanft verhallen,
Es ist mein letzter Hauch, der zu dir fleht!
Laß auf mein Grab des Mitleids Träne fallen,
Die tröstend dann zu mir hinübergeht!'
Übrigens war der jugendliche Dichter mit seinem älteren Bruder Fritz Hansing in inniger Liebe verbunden, wie aus dem noch erhaltenen Tagebuch des letzteren hervorgeht. Eine Aufzeichnung lautet: ‚Bald nach meiner Ankunft in Hameln hatte ich die Freude, von meinem Bruder Heinrich einen Brief zu erhalten. Wir korrespondierten jetzt fleißig zusammen.‘ Aber dann folgt alsbald der im tiefen Schmerz niedergeschriebene Vermerk, dass es anders mit dem geliebten Bruder gekommen sei, der als Sieger in seine Vaterstadt einzuziehen gedachte, und durch den Tod des früh Gefallenen lange dunkle Trauernacht über die ohnehin schwer geprüfte Bürgermeisterfamilie hereingebrochen sei.
Wie sein tapferer Kamerad Collmann ist auch Leutnant Heinrich Hansing bei dem abendlichen Angriff der Franzosen am 4. März 1814 kühn zur Abwehr auf dem Lauenbrucher Deich gegen den Feind vorgegangen. Aber er sollte sein Vordringen noch teurer bezahlen. Das Moorburger Kirchenbuch enthält über seinen Tod die kurze Notiz: ‚auf Vorposten in Lauenbruch erschossen‘. Dagegen erzählt die mündliche Überlieferung, die sein Andenken bis auf den heutigen Tag erhalten hat, dass er, auf dem Lauenbrucher Deich in jugendlichem Feuer vordringend, auf einen höheren französischen Offizier eingestürmt sei und diesen aufgefordert habe, sich zu ergeben. Da habe sich fast in demselben Augenblick der Degen des sich arglistig verstellenden Feindes zum Todesstoß in die Heldenbrust des Stürmenden gesenkt. Damit summt eine Angabe bei Hülsemann: ‚Vor feiner Vaterstadt, in der sein Vater Bürgermeister, damals Maire war, fiel der Leutnant Hansing, wie mehrere Soldaten versicherten, von einem französischen Offizier durchstochen.‘ Diesen Zeugnissen gegenüber bin ich geneigt, in diesem Fall das Moorburger Kirchenbuch zurückzustellen. So ist denn auch Herr Forstmeister Adolf Peters zu Lüß in der Lüneburger Heide, ein geborener Moorburger, der mit seinem Herzen treu und innig an der alten Heimat hängt, dieser Darstellung gefolgt und hat den Tod des Leutnants Heinrich Hansing in folgender schönen Weise verherrlicht:
Auf, auf Ihr Leut! Der Feind rückt an,
So rief Herr von der Klencke,
Die Jäger eilten rasch heran,
Im Laufen hängte mancher Mann
Erst um sein Wehrgehenke.
Sie hielten nun mit vieler Müh'
Seit langem Moorburgs Schanze.
Nur Zwei Geschütze hatten sie,
Das war die ganze Artillerie,
Der Baß zum Kriegestanze.
Man konnte seitwärts schwer heran,
Das Feld war überflutet,
Und auf des Elbdeichs schmaler Bahn
Da hatte schon gar mancher Mann
Beim Ansturm sich verblutet.
Bald wird es Nacht, da hinterm Wall
Von Harburgs Zitadelle
Wird es lebendig überall,
Es wogt heran ein Menschenschwall
Wie eine schwarze Welle.
Das wälzt sich über Trümmer fort
Durch eklen Rauches Schwaden.
Ihr Braven auf der Schanze dort,
Ihr Moorburgs letzter Schutz und Hort,
Behüt Euch Gott in Gnaden!
Die Schanze schweigt noch. Ist sie leer?
Wo sind denn ihre Streiter?
Schon schallt es drüben: "Fällt's Gewehr!"
Die Luft erbebt vom vive l'empereur,
Sappeur, heran die Leiter!
Kartätschen prasseln hageldicht
Den Stürmenden entgegen,
Doch werden auch die Reihen licht,
Die Grenadiere wanken nicht,
Wie auch die Salven fegen.
Für Euch, Ihr Männer aus dem Wald
Ist jetzt die Zeit gekommen.
Des Leutnants Hansing Stimme schallt:
‚Schnellfeuer!‘ Doch bevor es knallt,
Wird ruhig Ziel genommen.
Und furchtbar in die Feinde fuhr
Das Blei geübter Schützen.
Ha, schlag du nur zum Sturm Tambour,
Nichts kann französische Bravour
Bei solchem Feuer nützen.
Und steh, schon flutet es zurück
Den Weg, den es gekommen.
Jetzt Hansing, nutz' den Augenblick,
Frisch hinterdrein, das Kriegesglück
Nur kühn beim Schopf genommen.
Er bricht mit seinem Zug herfür,
Stürmt nach dem Feind verwegen,
Da dicht vor ihm ein Offizier.
‚Die Waffe her! Ergebt Euch mir!‘
Er greift nach dessen Degen.
Da trifft ihn jäh der Todesstoß,
Doch als er sterbend sinket
In heiß umstrittener Erde Schoß,
Sein Heldenauge klar und groß
Vor Siegesfreude blinket.
In Harburg stand sein Vaterhaus,
Er liegt in Heimaterde.
Auf Moorburgs Friedhof ruht er aus
Nach Kampfesmüh'n und Schlachtenbraus
Von jeglicher Beschwerde.
Doch ob das Blut der Helden all
Auch deutsche Erde feuchtet,
Schon braust ein Ruf wie Donnerhall,
Wie Schwertgeklirr und Wogenprall
Durchs Land. Der Morgen leuchtet,
Wie Heinrich Hansing, tödlich getroffen, in Lauenbruch zusammenbrach, haben französische Soldaten es nicht unterlassen können, ihn seiner Taschenuhr zu berauben. Sie verkauften ihren Raub an einen Uhrmacher in Harburg, der alsbald die Uhr erkannte und an den Vater, Bürgermeister Hansing, aushändigte. Die Kapsel der Uhr wie auch der Federbusch vom Tschako ist noch im Besitz der Familie erhalten. Der Gefallene wurde in das Haus der Moorburger Mairie (Nr. 35) getragen. Dort erwies ihm die Jungfrau Elisabeth Maria Bauer, Tochter des Maire M. H. Bauer, einen letzten schönen christlichen Liebesdienst dadurch, dass sie ihn für die Beerdigung einkleidete, die bei den in Harburg herrschenden Kriegszuständen auf dem Moorburger Friedhof erfolgen musste. Der Domainenpächter Benedix Bauer stellte eine Grabstelle auf seinem Erbbegräbnis Nr. 26 des alten Friedhofs zur Verfügung. Der zum Ehrengedächtnis des jungen Helden errichtete Grabstein trug die Inschrift: ‚Hier ruhet Leutnant Heinrich Hansing. Er starb bei der Blockade von Harburg für das Vaterland.‘ Später ist dieser Stein aus unbekannten Gründen beseitigt, wird aber demnächst seitens der Familie Hansing durch ein würdiges Denkmal ersetzt werden (…). 1)