Hans-Leip-Ufer
Othmarschen (1994): Hans Leip (22.9.1893- 6.6.1983), Schriftsteller, Maler, Grafiker.
Von Leip stammt das Gedicht “Lili Marleen“, das 1941 vertont wurde mit der Sängerin Lale Andersen (23.3.1905 Bremerhaven – 29.8.1972 Wien)
Über Hans Leip schreibt der Historiker David Templin in seiner wissenschaftlichen Untersuchung zur NS-Belastung von Straßennamen: „1893 in Hamburg als Sohn eines Hafenarbeiters geboren, durchlief Hans Leip seit 1908 eine Ausbildung zum Lehrer, die er 1914 erfolgreich abschloss. An der Volksschule in Rothenburgsort begann er als Hilfslehrer zu arbeiten. Im Herbst 1914 wurde er zum Wehrdienst eingezogen und 1915 an der Karpatenfront eingesetzt, die er aufgrund einer Rückgratverletzung nach wenigen Tagen wieder verließ. Seit Januar 1916 arbeitete er als Lehrer an einer Schule in Hammerbrook und besuchte parallel Zeichenkurse an der Kunstgewerbeschule. Von 1917 bis 1919 arbeitete er als Feuilletonredakteur für die Neue Hamburger Zeitung. In der Novemberrevolution fertigte Leip Zeichnungen und Holzschnitte der Ereignisse an, die in der völkisch-konservativen Zeitschrift Deutsches Volkstum veröffentlicht wurden. 1919 schloss er sich kurzzeitig einem Freikorpsregiment an, nachdem seine Frau schwanger geworden war.

1920 veröffentlichte Leip seine ersten Erzählungen, es folgten Gedichte, Schauspiele und 1923 der erste Roman ‚Der Pfuhl‘. (…). In der Folge wirkte Leip als freier Künstler (1924 ließ er sich von der Schulbehörde in den Ruhestand versetzen), was u.a. durch den Mäzen Carl M. H. Wilkens, der ihm von 1921 bis 1931 unentgeltlich eine Wohnung zur Verfügung stellte, gefördert wurde. Vom Hamburger Senat erhielt er Stipendien, (…). Um 1920 zählte er zum avantgardistischen Künstlerkreis der ‚Tafelrunde‘. Darüber hinaus war er Mitglied im Deutschen Schriftsteller-Verband (DSV), in dessen Gesamtvorstand er 1925 gewählt wurde. Er betrieb Lobbyarbeit für Schriftsteller, wandte sich in diesem Zusammenhang u.a. gegen staatliche Zensur und kritisierte den Hamburger Senat für seine mangelnde Förderung von Künstlern. Aus der Idee, eine Ortsgruppe des DSV zu gründen, entstand 1925/26 die ‚Hamburger Gruppe‘ als Zusammenschluss vor allem von Schriftstellern. Sie war politisch heterogen, doch kommt Rüdiger Schütt zu dem Schluss, dass ‚Leips scheinbar politisches Desinteresse [...] und sein Streben nach gesellschaftlichem Ansehen‘ ihn für die konservativ-völkischen ‚Heimatschutz‘- und ‚Volkstums‘-Positionen anderer Mitglieder ‚empfänglich‘ machten. Leip hatte aber auch Kontakt zu kommunistischen Künstlerkreisen. (…). Seit 1927 führte die Gruppe Künstlerfeste durch. Beim Fest 1928 wurde Leips Pantomime ‚Der Raub der ‚Europa‘ aufgeführt, in der sich ‚Afrika‘, der ‚Orient‘ und ‚Europa‘ gegenüberstanden und mit der er zur ‚Rassenmischung‘ aufrufen wollte. Auch in seinen Publikationen ‚Der Nigger auf Scharhörn‘ (1927) und ‚Die Blondjäger‘ (1930) stand die ‚Rassenfrage‘ und das Verhältnis von Weißen zu Schwarzen im Vordergrund, wobei Leip mit Stereotypen arbeitete und in nicht-weißen Menschen Werte wie Vitalität und Ursprünglichkeit, aber auch ‚tierhafte‘ Züge verkörpert sah. Auf Anregung des österreichischen Schriftstellers Robert Hohlbaum biederte Leip sich 1927 bei der österreichischen NSDAP an und schenkte deren Parteibücherei in Wien Ausgaben seiner Bücher. 1930 trat Leip in die SPD ein, nach einem Tag jedoch wieder aus.
Zwischen 1929 und 1931 löste sich die Hamburger Gruppe faktisch auf. Einige ihrer Mitglieder setzten ihre Zusammenarbeit als ‚Hansischer Kreis‘ im PEN-Club fort. Für diesen besuchte Leip im Dezember 1930 eine PEN-Club-Tagung in London, auf der er eine Rede gegen den Versailler Vertrag hielt, der aus seiner Sicht den ‚Frieden in Europe‘ bedrohe. In einer Rede zur ‚Zukunft des Schriftstellers‘ im September 1931 warf er der deutschen Literatur Feigheit und Opportunismus vor und rief Schriftsteller dazu auf, unabhängig, überparteilich und humanistisch orientiert zu bleiben (…) Im Februar 1932 beteiligte sich Leip an dem Künstlerfest ‚Krawall im All‘, bei dem Adolf Hitler in Form einer riesigen aufblasbaren Gummipuppe als ‚Hipp, die ewige Dummheit‘ persifliert wurde.“ 1)
Hans Leip und seine Ehefrau Lina Stellmann
1912 lernte Hans Leip seine zukünftige Ehefrau, die Büroangestellte Lina Stellmann (1895-1969), auf einem Jahrmarkt in Wandsbek kennen. Rüdiger Schütt schreibt: „Sie wirkte zart und zerbrechlich und benahm sich völlig unemanzipiert. Künstlerische Ambitionen hatte sie keine, an kulturellen Dingen zeigte sie wenig Interesse. Leip verliebte sich sofort in sie. Er nannte sie sein ‚Träumekind‘. (…) In den Liebesgedichten, die er ihr gewidmet hat, ist von starken Männern die Rede, die ihre Frauen vor dem ‚Leid der Erde‘ beschützen wollen.“ 2) Die Verlobung der beiden fand 1914 kurz nach seinem Berufseintritt als Lehrer statt – ein Beruf, den er überhaupt nicht liebte. Rüdiger Schütt schreibt weiter über diese Liebesbeziehung: „Doch dämpften Linas Vorstellungen von einer gemeinsamen bürgerlichen Zukunft Leips Gefühle für sie. Er sah sich in seiner Freiheit bedroht und empfand ihre Anhänglichkeit nunmehr als belastend.“ 3) Dennoch heiratete er Lina. Das war im Jahr 1918: Lina gab ihren Beruf auf und wurde Hausfrau. „Schon nach kürzester Zeit fühlte sich Leip eingeengt. Krisen stellten sich ein. Leips Vorstellungen von einer freiberuflichen Existenz als Künstler standen in scharfem Kontrast zum Sicherheitsbedürfnis seiner Frau.“ 4)
Und Rüdiger Schütt weiter: „Leips Unzufriedenheit mit seiner bürgerlichen Existenz als Ehemann und Lehrer verstärkte sich. Als er von Lina erfuhr, daß sie schwanger sei, setzte er sich Hals über Kopf nach Berlin ab. Dort schloß er sich spontan einem Freikorpsregiment an (…).
Im Oktober 1919 lernte Leip [dann] die Puppenspielerin Cläre Popp (21.3.1896 26.7.1978 Hamburg). kennen.“ 5) Sie wurde Leips Muse und Geliebte. Später wurde sie, die im Ersten Weltkrieg als Flugzeugmechanikerin gearbeitet hatte, die Freundin des Juweliers und Kunstmäzens Carl M. H. Wilkens. Dieser besaß an der Ecke Neuer Wall/Jungfernstieg ein Wohn- und Geschäftshaus, in dessen Erdgeschoss Wilkens Juweliergeschäft lag und Wilkens selbst in einer bohèmemäßig ausgestalteten Wohnung lebte. Das zur Wohnung ausgebaute Dachgeschoss stellte er gern Dichtern zur Verfügung. So wohnte hier von 1921 bis 1931 Hans Leip, der diese Wohnung als seine „Himmelsecke“ gezeichnete.
Äußerlich soll Cläre Popp, so Hans Leip, „eine Puppe von Pariser Schnitt, innerlich ironische, tüchtige Hamburgerin“ gewesen sein. Hans Leip trennte sich von seiner Frau Lina mit der er erst seit einem Jahr verheiratet war und die im Februar 1920 die gemeinsame Tochter Grita gebar.
Das Paar lebte 1920 einen Sommer lang in Övelgönne 56 bei der Lotsenfamilie Meyer. Im selben Jahr schrieb er für Cläre Popp, die er Muschemuj nannte, ein Liebesgedicht. Zusammen mit Hans Leip und anderen gründete Cläre Popp 1920 das „Hamburger Puppenspiel“. Die Idee dazu hatte Hans Leips Chef Hans W. Fischer, der Leiter des Feuilletons bei der „Neuen Hamburger Zeitung“ gehabt, für die Hans Leip als Kunstkritiker tätig war. Das Puppentheater sollte kein Kaspertheater, sondern zwischen Dada und Expressionismus angesiedelt sein. Zusammen bastelten Hans Leip und Cläre Popp Köpfe, Hände, Dekorationen, Kostüme. Im Raum 143 der Hamburger Kunstgewerbeschule baute der befreundete Architekt Kurt F. Schmidt eine Puppenbühne. Claire Popp, die während des Ersten Weltkrieges Mitarbeiterin bei der Puppenbühne von Albert Schlopsnies in München gewesen war, bei dem sie auch das Bauen und Entwerfen von Marionetten erlernt hatte, machte tatkräftig bei den Vorbereitungen für die erste Aufführung eines Puppenspiels mit. Der Kostenplan für die Puppenbühne war sehr hoch angesetzt. „Von der angestrebten Summe kam aber lediglich ein Bruchteil zusammen, der gerade mal zur Fertigstellung der Puppenbühne und für eine Aufführung auf dem Künstlerfest ‚Die Gelbe Posaune der Sieben‘ am 7. Februar 1920 im Curiohaus reichte.“ 6) Die Aufführung des Puppenspiels „Der betrunkene Lebenskelch oder wider Willen ins Grab zurück“ musste jedoch abgebrochen werden, weil es im Festsaal zu unruhig wurde und die Akteure zu betrunken waren. Zu weiteren Aufführungen kam es nicht mehr.
Das Ende der Liebe zwischen Hans Leip und Cläre Popp kam 1921, nachdem sich beide auf einer Puppenbühne erzürnt hatten. Cläre Popp fuhr ohne Abschied mit Wilkens nach Innsbruck.
Im Alter wurde Cläre Popp sehr krank und soll, so Hans Leip: „bei ihrer Schwester von langen Halluzinationen erlöst worden“ sein. 7). Claire Popp wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof bestattet. Heute steht für sie ein Erinnerungsstein im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof.
Hans Leip und seine weiteren Ehefrauen
In zweiter Ehe war Leip seit 1925 mit der Modeschneiderin Gretel Haalck (1895-1939) verheiratet. Das Paar bekam zwei Töchter: Lore (1925-?) und Hilke (1928-1993). Als Gretel Leip an Krebs verstarb, hieß es in der Trauerrede, dass sie sich „bis an den Rand der Aufopferung für ihren Ehemann eingesetzt hätte: Sie hätte ihr eigenes schöpferisches Talent zurückgestellt ‚um ganz für das größere Werk des Gatten zu leben und als der waltende Geist des Hauses ihm alle Tage auch die bangen des Ringens und der Schaffensnot, zur guten Stunde zu wandeln.‘“ 8)
Ein Jahr nach dem Tod seiner zweiten Frau heiratete Leip 1940 die Schwester seiner zweiten Frau, die Klavierlehrerin Ilse Haalck (1902-1993). Sie zog die beiden Töchter aus der zweiten Ehe auf.
Während dieser Ehezeit hatte Leip eine Beziehung mit seiner Lektorin und stellvertretenden Geschäftsführerin des Cotta-Verlages Kläre Buchmann (1908-1945) in Stuttgart. 1944 bekam sie von Leip ein Kind: Agathe. Leip trennte sich nicht von seiner dritten Frau Ilse, pendelte zwischen Stuttgart und Hamburg hin und her, bis sich Kläre schließlich das Leben nahm.
1949 heiratete Leip erneut: Kathrin (Käthe) Bade (1914-1992): Sie war Journalistin und Lektorin. Nach der Heirat machte sie eine Ausbildung zur Diätköchin. Im Jahr der Hochzeit mit Kathrin wurde er von Ilse geschieden.
Hans Leip und die Frauen
Dazu schreibt Rüdiger Schütt: „Ein Familienmensch und treusorgender Vater ist Leip nie gewesen. Er war ein egozentrischer ‚Womenizer‘, der seinen Frauen gegenüber stets kompromißlos war und rücksichtslos seine eigenen Wege verfolgte.“ 9)
Hans Leip und sein Verhältnis zum Nationalsozialismus
Hans Leip „schrieb schon am 12. März 1933 an seinen neuen Bürgermeister: ‚Ich atme mit auf in dem rauschenden Zug einer neuen Zeit. Der Geist, der aus ihren Worten spricht, ist lebendig und auftrecht (…). Es scheint mir wahrhaft hansischer Geist zu sein.‘“ 10) Hans Leip veröffentlichte Gedichte „in Goebbels‘ Renommierblatt Das Reich. Mit weit über 50 Texten im NS-Kampfblatt Krakauer Zeitung, das ‚Blatt des Generalgouvernements‘, NS-Ehrung für literarische Verdienste: Am 1.9.1942 von Hitler Kriegsdienstkreuz II. Klasse, Begründung: ‚Seit Beginn des Krieges unermüdlich im besetzten Gebiet und im Frontbereich als Werber der großen Ostidee des Reiches tätig.‘“ 11)
Und Maike Bruhns schreibt in ihrem umfangreichen Buch „Kunst in der Krise“ unter der Überschrift „Angeblich Verfolgte“ über Hans Leip: „Da er seine Zeichnungen (..) heiter, oft tänzerisch beschwingt und volksnah gestaltete, hatte er für seine Kunst in der NS-Zeit keine Schwierigkeiten zu befürchten. Als Literat allerdings erfuhr er Reglementierungen. Sein Buch ‚Godekes Knecht‘ (1924) und die Erzählung ‚Der Nigger auf Scharhörn‘ wurde auf Betreiben des eifrigen Schuldirektors Bruno Peyn 1933 wegen kommunistischer und rassischer Tendenz aus den Hamburger Schulbiotheken entfernt. (…) Sein Antikriegsbuch ‚Idothea‘ wurde verboten. Wahr ist auch, daß Hans Leip sich einige Freiheiten leistet. So schrieb er 1935/36 in der Hamburger Illustrierten über die verfemten Künstler Barlach und Wield (..). Er trat ‚als Hamburger‘ nicht in die Partei ein, verweigerte Lesungen in den Etappen und im Ausland. Gleichwohl war er als Schriftsteller Mitglied der Reichsschrifttumskammer. Als nach 1945 ein Streit um seine Haltung im ‚Dritten Reich‘ entbrannte, führte er immer wieder angebliche Beweise für seine Verfolgung an, die sich allerdings nicht nachweisen lassen. (…) Das NS-Regime bemühte sich um ihn,. Er war mit Krogmanns befreundet, verkehrte in ihrem Haus (…). An die Nazis richtete er Ergebenheitsadressen. [siehe oben] (…). Noch 1941 schrieb er einen lobhudelnden Artikel über das Regime. (….)
Als einer der wenigen nicht emigrierten kosmopolitischen Künstler war Leip nicht nur geduldet, er wurde gefördert und ausgezeichnet. Er konnte beliebig publizieren, bekam ausreichend Papier, verdiente gut an sieben Feldausgaben seiner Werke.
Daß es ihm gelang, gegenüber der Reichsschrifttumskammer eine gewisse Unabhängigkeit zu wahren, war keine Form der ‚inneren Emigration‘, wie er später behauptete, er musste dafür keine Nachteile in Kauf nehmen., Der Schriftsteller bewegte sich auf einer unpolitischen, human-positiven Ebene, die jeden zeitkritischen Ansatz vermied. Seine Abrechnung mit der Diktatur begann erst 1944 mit dem Oratorium ‚ Der Mitternachtsreigen‘; das 1947 erschien. (…) Kenner werten Leips ‚Verfolgung‘ eher als Schutzbehauptung beziehungsweise als dichterische Freiheit. Seine wiederholte Abreise aus Hamburg scheint weniger von Gestapo-Verfolgung hervorgerufen als von familiären Schwierigkeiten und der Absicht, dem Luftschutzdienst zu entgehen. Heinrich Christian Meier, Carl Albert Lange und Hans Henny Jahnn [siehe: Hans-Henny-Jahnn-Weg] verhinderten 1948 eine Aufnahme Leips in den PEN-Club und wehrten seinen Anspruch auf den Vorstand der norddeutschen Gruppe ab unter Verweis auf die Unhaltbarkeit der Verfolgungslegende, die Leip kreiert hatte.“ 12)
David Templin äußert zu Leips Aktivitäten während der NS-Zeit: Leip veröffentlichte Kurzgeschichten, Zeichnungen und Gedichte in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften (u.a. im Völkischen Beobachter) sowie mehrere eigene Bücher, die – wie Schütt betont – sich in einer weitgehend politikfreien Sphäre abspielten. Mitunter bediente sich aber auch Leip nationalsozialistischer Sprache, etwa wenn er anlässlich seines Schauspiels ‚Blankenese ahoi!‘ 1934 in den Altonaer Nachrichten von der ‚Verbundenheit mit Blut und Boden‘ sprach. 1934/35 arbeitete Leip hauptamtlich in der Schriftleitung der Hamburger Illustrierten und setzte sich dabei u.a. für den von den Nationalsozialisten angegriffenen Künstler Ernst Barlach an. 1935 veröffentlichte er eine Biographie des Boxers Max Schmeling. Im selben Jahr durfte er an einer Fahrt der NS-Organisation ‚Kraft durch Freude‘ (KdF) nach Norwegen teilnehmen, musste dafür im Gegenzug aber einen Text für eine KdF-Werbebroschüre verfassen.
Zwischen 1937 und 1939 wirkte Leip an rund zehn Drehbüchern für die Ufa mit, von denen drei verfilmt wurden. Auch wenn es sich bei den meisten um vordergründig unpolitische Abenteuerfilme und Komödien handelte, stellte Leip sich damit in den Dienst der NS-Filmindustrie. (…). Von der 1939 publizierten Erzählung Leips ‚Die Bergung‘ erschien 1942 eine Sonderausgabe mit einer Auflage von 200.000 als ‚Dr. Goebbels-Spende für die Wehrmacht‘. Für die von Goebbels herausgegebene Zeitschrift Das Reich verfasste er im März 1941 auf eine Aufforderung hin einen Artikel, in dem er das Regime für ‚die Anwendung erzieherischer Aufklärung und Leitung‘ lobte. Im seit 1939 herausgegebenen NS-Kampfblatt Krakauer Zeitung erschienen über 50 Texte von ihm. Leip drückte in einem Brief vom April 1941 sogar seine Bewunderung für Hitler aus, den er in die Nähe von Christus rückte. Dennoch gab es seitens verschiedener NS-Stellen auch Vorbehalte gegen ihn, das Amt Rosenberg setzte ihn 1937 auf eine Liste unerwünschter Autoren.
Im Herbst 1938 nutzte Hans Leip seine Kontakte zur Ehefrau Krogmanns, um die Entlassung des von der Gestapo verhafteten jüdischen Fabrikanten und Mäzen Oscar Isey aus dem KZ Oranienburg zu bewirken. Bereits fünf Tage nach Leips Brief kam Isey frei.
1938 wurde Leips Gedicht ‚Lili Marleen‘, das er bereits 1915 verfasst hatte, vertont und als Schallplatte veröffentlicht. Seine Ausstrahlung im Belgrader Soldatensender 1941 machte es schlagartig berühmt – mit rund 30 Übersetzungen auch international und auf beiden Seiten der Front. Zu seinem 50. Geburtstag erhielt Leip für das Gedicht vom Präsidenten der Reichsschrifttumskammer das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse ohne Schwerter verliehen. Auf Druck Goebbels ́ wurde die Ausstrahlung des Liedes in Soldatensendern 1944 kurzzeitig verboten.
Leip ging zunehmend auf Distanz zum Krieg, was sich auch in seinen Arbeiten niederschlug. 1941 verfasste er das Schauspiel ‚Tamerlan‘, das eine Parodie auf Allmachtsphantasien von Herrschern darstellte, dessen Veröffentlichung aufgrund offensichtlicher Parallelen zu Hitler jedoch vom Verlag abgelehnt wurde. Im selben Jahr veröffentlichte Leip das Schauspiel ‚Idothea oder die ehrenwerte Täuschung‘, eine Komödie über den Trojanischen Krieg mit kriegskritischen Untertönen, die sich auch auf den Zweiten Weltkrieg beziehen ließen. Nach der Uraufführung am Deutschen Theater in Berlin im April 1942 und weiteren Aufführungen sowie begeisterten Kritiken wurde das Stück als ‚staatsgefährdend‘ verboten. In einem privaten Schreiben fragte Leip: ‚Wann endet der Irrsinn der Welt?! Wann lassen sich die Völker nicht mehr bieten [...] so schikaniert zu werden?‘ Im selben Jahr gab er im Auftrag der Wehrmacht einen Band mit Laienspielen heraus. 1943 unternahm er auf Druck des Propagandaministeriums eine Lesetournee durch Pommern und Ostpreußen. Nach der Zerstörung weiter Teile Hamburgs in der alliierten ‚Operation Gomorrha‘ 1943 schrieb Leip das Gedicht ‚Lied im Schutt‘, in dem er sein Entsetzen über die Zerstörungen zum Ausdruck brachte.
Auf Seiten der NS-Behörden bestand Misstrauen gegenüber Leip, wie etwa in einem Schreiben der Hauptstelle Kulturpolitisches Archiv vom April 1943 zum Ausdruck kommt, in der ‚gewisse Bedenken gegen die Persönlichkeit Leips‘ geäußert wurden. Diese seien allerdings ‚nicht so konkret umrissen, daß wir uns veranlaßt sehen müßten, seinen Einsatz völlig zu unterbinden‘, insbesondere ‚mit Rücksicht und Bedarf an volkstümlichen und aufmunternden Dichterlesungen‘. Auch das Reichspropagandaministerium sah die Wirkung von Leips Werk positiv, da es die Bevölkerung von Alltagssorgen ablenke. (…).
1944 erschien zu Ehren Leips eine Festschrift des Cotta-Verlages. Im Frühjahr 1944 übersiedelte er nach Tirol, wo er einen kriegskritischen Gedichtzyklus schrieb, der unter dem Titel ‚Der Mitternachtsreigen‘ erst 1947 publiziert wurde. In einem privaten Brief schrieb er 1944, die Zeit ekle ihn an: ‚dieses ganze würdelose und verlogene und dumme Vernichtungsspiel des weißen Mannes. Leider sind wir hundertfach darein verstrickt.‘“ 13)
Über Leips Zeit nach 1945 schreibt David Templin: „(…). In den 1940er, 1950er und 1960er Jahren veröffentlichte Leip zahlreiche, darunter auch historische, Romane sowie Gedichtsammlungen. In ‚Der große Fluß im Meer‘ (1954) kritisierte er den Kolonialismus und befürwortete die Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung. Für die Hamburger Wirtschaftsbehörde erstellte Leip Mitte der 1950er Jahre einen Bildband über Hamburg. Seit Ende der 1950er Jahre entstanden zahlreiche Malereien und Zeichnungen.
Die Freie Akademie der Künste gab 1958 einen Sammelband zu Ehren Leips heraus. 1961 verlieh der Hamburger Senat Hans Leip die Medaille für Kunst und Wissenschaft, verbunden mit einer ‚Ehrengabe‘ über 3.000 DM mit Rücksicht auf dessen unsichere Einkünfte. Leip bat in diesem Zusammenhang auch um die Verleihung des Professorentitels an ihn, der ihm 1973 auch verliehen wurde. Zuvor erhielt er 1968 vom Senat den ‚Verfassungsportugaleser‘ , 1978 folgte die Biermann-Ratjen-Medaille. (…).
1983 starb Hans Leip. Noch im selben Jahr organisierte das Museum für Hamburgische Geschichte eine ‚Gedächtnisausstellung‘. 1985 wurde die Hans-Leip-Gesellschaft gegründet. Zu seinem 100. Geburtstag 1993 gab es u.a. eine Ausstellung und eine Sonderbriefmarke. (…)
Als Leip in einem Sammelband für Hans Henny Jahn 1960 von seiner ‚inneren Emigration‘ sprach (in der Welt schrieb er von ‚selbstverständlichster innerster Reserve‘), empörte sich seine frühere Freundin Frida Lange-Dudler und warf ihm in einem Brief Unehrlichkeit vor: ‚Man wird [...] nicht in solchen Zeiten gedruckt und gesungen, wenn man ein Gegner und in der inneren Emigration ist.‘ Leip erklärte, seine innere Emigration sei ‚echt‘ gewesen, auch wenn sich sein Mut in Grenzen gehalten habe und er ‚willens [gewesen sei], durchzukommen‘. Er verwies auf seinen Einsatz für Isey und erklärte, eine ‚Halbjüdin‘ aufgenommen zu haben: ‚Gern hätte ich mehr getan, aber andere Gelegenheiten fanden sich nicht.‘“ 14)