Hebebrandbrücke
Winterhude (1974): Prof. Dr. Ing. Werner Hebebrand (27.3.1899 Elberfeld -18.10.1966 Hamburg), Oberbaudirektor.
Siehe auch: Leistikowstieg
Siehe auch: Hebebrandstraße
Zu Hebebrands 65. Geburtstag schrieb der Architekt Walter Schwagenscheidt (1886-1968) in einer, im ironischen Ton verfassten Hommage: „ich habe die Ehre, in derselben Stadt wie Hebebrand geboren zu sein (…). Ich habe Klein-Hebebrand in Elberfeld nie gesehen. Da waren so viele Jungen, aber kein Werner Hebebrand. (…)
Der Name Hebebrand war in unseren Kreisen sehr geläufig. Es gab eine große Fabrik Hebebrand. Dort wurde Wassergarn verarbeitet. (…) Einige meiner älteren Schwestern haben in der Fabrik Hebebrand gearbeitet. Die Hebebrands müssen toll reich gewesen sein, denn das große Fabrikgebäude war ganz und gar mit gelben Verblendplättchen verkleidet. (…)
Meine Schwestern haben also wohl dazu beigetragen, dass der junge Hebebrand Regierungsbaumeister werden konnte. Und später Oberbaudirektor. Und Professor. Und Ehrendoktor. Und Preisrichter. Dieses an die tausend Mal. Mir hat er nie einen Preis gegeben. Das hätte er meinen Schwestern zuliebe schon mal tun sollen, die sich für das Fabrikantensöhnchen abgeschuftet haben. Ich bin aber trotzdem nicht böse. Das muss jeder Preisrichter vor sich selbst verantworten, wenn er mir keinen Preis gibt.
Ich habe Hebebrand erst Ende der zwanziger Jahre in Frankfurt persönlich kennengelernt. Er war bei Elsässer, ich bei May. Es begann sich zu der Zeit, dass wir uns an dem Wettbewerb des Tuberkulose-Krankenhauses in Marburg beteiligten. Gropius war u. a. Preisrichter, Hebebrand bekam den 1., ich den 2. Preis. Hebebrand baute das Krankenhaus. Dadurch wurde Hebebrand in Russland Spezialist für Krankenhausbau. Hätte ich den 1. Preis bekommen, wäre ich die Krankenhauskanone geworden. – Schicksal.
Im Jahre 1930 zogen wir mit einer Reihe von Kollegen mit May nach Russland. (…) Wir planten Städte, Viele. Und bauten einiges weniges davon.
Alle wohnten zusammen in einem Haus. Wir hörten das Radio von Hebebrands, sie das unsrige. Wir rochen was Hebebrands kochten, sie was wir kochten. Wir trafen uns auf der Treppe, um gemeinsam den Gang durch Moskau zur Arbeitsstätte zu machen. (…) Wir arbeiteten drei Jahre zusammen in einem Raum und wälzten gemeinsam Probleme, wie wohl eine sogenannte sozialistische Stadt beschaffen sein müsste. Wir drängelten uns gemeinsam in die überfüllten Straßenbahnen und trugen, er für seine Familie, Ich für die meinige, Wanzen und Flöhe in unseren warmen Mänteln mit nach Hause. So erlebten wir manches gemeinsam.
Dann mochte es für mich genug sein. Wir trennten uns in Moskau. Ich ging nach Kronberg im Taunus, Hebebrand blieb noch im Lande der Bolschewiken.
Hebebrand wurde dann später eine bedeutende Persönlichkeit. Ich glaube, er hat das immer schon selbst gewusst, dass er das werden würde. Jedenfalls, wo Hebebrand ist, da ist der Mittelpunkt. (…)
Jeder kennt Hebebrand. Ich glaube, alle, fast alle, mögen ihn. Die Hebebrand kennen, sind stolz darauf, ihn zu kennen; manche bilden sich was darauf ein.
An seinem 65. Geburtstag sagt Hebebrand sicher: ‚So, die 65 hätten wir hinter uns‘.
Zu seinem 60. Geburtstag habe ich Hebebrand geschrieben, es stünde bei mir immer eine Flasche, wohltemperiert, für ihn bereit. Das wiederhole ich hiermit. Was kann man mehr für einen Freund tun?“1)
Werner Hebebrand war der Sohn des Fabrikanten Joseph Hebebrand und der Elisabeth Hebebrand, geborene Scheele.
Nach dem Abitur, und nachdem er als Soldat des Ersten Weltkriegs 1919 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, studierte Hebebrand Architektur an der Technischen Hochschule Darmstadt. Nach seiner Diplomprüfung 1922 und dem 2. Staatsexamen schlug er die Laufbahn eines Baubeamten ein.
1924 heiratete der damals 25-Jährige Elena Varnesi (geboren um 1905), die Tochter des Professors für dekorative Plastik an der TH Darmstadt.
„1925 bis 1929 war er Mitarbeiter beim Frankfurter Hochbauamt und war in dieser Stellung am Projekt Neues Frankfurt unter Ernst May und Martin Elsaesser beteiligt. Hebebrand errichtete unter anderem 1928 das Hauptzollamt in der Frankfurter Altstadt. 1929 schied er aus dem öffentlichen Dienst aus und gründete ein eigenes Architekturbüro.“ 2)
Im Januar 1930 heiratete der damals 30-jährige Werner Hebebrand in Frankfurt die damals 36-jährige Margarete (Grete) Leistikow (5.7.1893 Elbing- 9.10.1989 München), Tochter des Apothekers Johs. Leistikow und der Katharina, geborene Zachler. Grete Leistikows Bruder Hans wurde Maler und vom Frankfurter Stadtbaurat May 1925 in dessen Team geholt und zum Leiter des grafischen Büros der Stadt gemacht. Grete war ausgebildete Fotografin und hatte zum Beispiel in Breslau, wo sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern nach dem Tod des Vaters gewohnt hatte, 16 Jahre lang im Fotostudio von Elfriede Reichelt, der ersten studierten Berufsfotografin Deutschlands gearbeitet. 1927 folgte sie ihrem Bruder Hans nach Frankfurt am Main. Dort eröffnete sie eine „Photographische Werkstatt“.
„Grete und Hans Leistikow waren zwei der aktivsten Avantgarde-Gestaltenden der 20er und 30er Jahre. Sie als Fotografin und später auch als Gestalterin der Zeitschrift ‚Das neue Frankfurt‘, bei dem ihr Bruder ebenfalls als Gestalter tätig war. (…)
Grete L. fotografierte für die Zeitschrift die Siedlungen des neuen Frankfurt, das Wohnhaus von Ernst May, das Hauptzollamt am Dom, die Siedlung Höhenblick (…), das Hallenbad in Fechenheim (von Martin Elsaesser), das Elektrizitätswerk mit Prüfamt in der Gutleutstraße (von Adolf Meyer) und das umgebaute Gesellschaftshaus im Palmengarten (von Martin Elsaesser und Ernst May unter Mitarbeit von Werner Hebebrand) und die Uniklinik. Zudem dokumentierte sie zahlreiche Ausstellungen fotografisch wie zum Beispiel von 1927 bis 1929 die Frühjahrsmessen, die Schau ‚Musik im Leben der Völker‘ 1927 und die Ausstellung ‚Der Stuhl‘ 1929. Die letztere erscheint auch in der 2. Ausgabe im Februar 1929 in „Das neue Frankfurt“ für das Grete L. und ihr Bruder Hans L. zusammen eine Collage für das Cover gestalten. (…).
Gretes Name tauchte zwar im Impressum auf, allerdings lediglich als ‚Geschwister Leistikow‘ für Titelblatt und Layout. (…)
Während der Name von Grete L. oftmals nicht als Urheberin in der Zeitschrift auftaucht, werden in der gleichen Ausgabe die Namen ihrer männlichen Kollegen Paul Wolff und Hermann Collischonn immer als Fotografen benannt“ 3)
Nach der Hochzeit mit Werner Hebebrand gab Grete Leistikow ihren Beruf als Fotografin auf, wurde Hausfrau und Mutter und gebar im August 1930 den Sohn Karl Hebebrand.
1930 gingen das Ehepaar Hebebrand mit ihrem zwei Monate alten Sohn sowie Margarete Hebebrands Bruder Hans und andere Architekten mit Ernst May in die „Sowjetunion, um sich an der rasanten Neubautätigkeit ganzer Städte zu beteiligen. Zunächst war Hebebrand als Architekt und Stadtplaner im Volkskommissariat der Schwerindustrie tätig. Nachdem Ernst May die Sowjetunion 1933 verlassen hatte, blieb Hebebrand dort und befasste sich mit der Planung und dem Bau von Krankenhäusern. Im Großen Terror Stalins wurde Hebebrand als Ausländer 1937 verhaftet und ausgewiesen.“4)
Hebebrand kehrte mit seiner Familie in ein Deutschland zurück, in dem die Nationalsozialisten herrschten. Das war kein Hinderungsgrund, eine Anstellung zu finden. Diese bekam er im „Architekturbüro von Herbert Rimpl, der durch Aufträge für die Messerschmidt-Flugzeugwerke und die Hermann-Göring-Werke zum wichtigsten Industriearchitekten im Dritten Reichs avancierte.“5)
Jan Lubitz erklärt sich die Anstellung Hebebrands bei Rimpl so: „Gezielt beschäftigt Rimpl eine große Anzahl modern gesinnter Architekten, und so wird Hebebrand aufgrund seiner städtebaulichen Erfahrungen, trotz seiner in politischer Hinsicht heiklen Tätigkeit in der UdSSR, an der Planung der Stadt der Hermann-Göring-Werke, dem späteren Salzgitter, beschäftigt.“ 6)
Ab 1942 wurde Hebebrand als ausgewiesener Spezialist für Krankenhausbauten mit der Planung für Ausweichlazarette beschäftigt und war auf diesem Gebiet Berater für den von Albert Speer ins Leben gerufenen Wiederaufbaustab. „1944 wurde Hebebrand in Albert Speers Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte berufen.“ 7)
In dem Buch „Hommage a Werner Hebebrand“, das 1964 zu Hebebrands 65. Geburtstag erschien, wurden Hebebrands Tätigkeiten während der NS-Zeit in seinem tabellarisch aufgeführten Berufsweg nicht erwähnt.
Grete Hebebrand arbeitete in der NS-Zeit „als Angestellte der Fotografin Dore Barleben in Berlin.“ 8)
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus arbeitete Hebebrand zunächst als Privatarchitekt in Marburg, wurde aber bereits 1946 von der amerikanischen Besatzungsmacht als Stadt- und Kreisbaurat in Marburg eingesetzt. „1946-48 war er Stadtbaudirektor und Leiter des Stadtplanungsamtes in Frankfurt/Main.“ 9)
In dieser Zeit hatte Werner Hebebrand eine Affaire mit „seiner schwer kranken Cousine Sally, was zu einer Krise in der Ehe führt Trotz dessen pflegt Grete L. sie bis zu ihrem Tod 1946. Im Jahr 1948 lassen die beiden sich scheiden.“ 10)
Werner Hebebrand kündigte im Jahr der Scheidung seine Posten in der Behörde aufgrund von Unstimmigkeiten in Fragen des Wiederaufbaus. Er arbeitete nun als freier Architekt. „1950 berief man ihn auf den Lehrstuhl für Städtebau an die Technische Hochschule Hannover, wo er zwei Jahre die Professur innehatte.“ 11)
1950 ging Werner Hebebrand seine dritte Ehe ein, diesmal mit Lore Zipperlin (geboren 1912), Tochter eines Forstrats.
Von 1952 bis 1964 arbeitete Hebebrand als Oberbaudirektor in Hamburg.
„In seinem Aufbauplan von 1960 wurde für Neubauten in der City eine Geschossflächenzahl von 2,0 vorgegeben, große Verwaltungsgebäude sollten in die ab 1961 geplante City Nord ausweichen. Auch die Planung der Siedlung Osdorfer Born ging auf diesen Aufbauplan zurück. Hebebrand hatte zudem maßgeblichen Anteil daran, dass die zuvor unter Denkmalschutz stehenden, im Krieg nur leicht beschädigten klassizistischen Häuser an der Hamburger Esplanade des Stadtbaumeisters Carl Ludwig Wimmel (1786–1845) [siehe: Wimmelsweg] im Jahr 1958 abgerissen wurden, um sie durch ‚Hochhauskörper‘ zu ersetzen. Der Abriss wurde von Kritikern im Nachhinein ‚mit der Zerstörung einer Gutenberg-Bibel‘ verglichen.“ 12)
Jan Lubitz schreibt in seiner Biografie über Hebebrands weiteren beruflichen Weg: „Nach seiner Pensionierung 1964 ist Hebebrand wieder als freischaffender Architekt und Gutachter tätig und plant als Leiter des städtebaulichen Seminars der Stiftung Regensburg dort modellhaft den Erhalt und die Sanierung des historischen Altstadtkerns. Im Alter von 67 Jahren verstirbt Werner Hebebrand in Hamburg. Mit seinen streng rationalen städtebaulichen Ansätzen hat Hebebrand die Entwicklung dieser Disziplin nach dem 2. Weltkrieg maßgeblich beeinflußt, deren konsequente Durchführung allerdings auch den Verlust charakteristischer urbaner Eigenschaften zur Folge hat.“ 13)
Grete Hebebrand ließ sich in ihrer Urne „dem Grab ihres Ex Mannes auf dem Marburger Hauptfriedhof beisetzen. Hier sind auch Werner Hebebrands Cousine Sally und seine letzte Ehefrau Lore, geb. Zipperlin bestattet. 14)