Helma-Steinbach-Weg
Horn, seit 1920, benannt nach Helma Steinbach (1.12.1847 Hamburg – 7.7.1918 Glünsing/Lauenburg), Gründungsmitglied der „Produktion“
Siehe auch: Adolf-von-Elm-Hof, Eißendorf (1925) und Von-Elm-Weg, Horn (1929): Adolf von Elm (1857-1916), Sozialpolitiker und Mitbegründer der „Volksfürsorge“ und der „Produktion“ (Pro).
Wegen „wahrscheinlich jüdisch“ wurde In der NS-Zeit der Helma-Steinbach-Weg 1938 in Oskar-Körner-Weg umbenannt, ein nationalsozialistischer Politiker, der beim Hitler-Ludendorff-Putsch starb. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde der Weg 1947 rückbenannt. Registratur Staatsarchiv Az. 1520-3/0. Antwort auf Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prosch (CDU), Straßen mit Namen jüdischer Bürger, Bürgerschaftsdrucksache 11/2389 vom 7.5.1984.)
Für Helma Steinbach steht ein Erinnerungsstein im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof.

Die erste Straße, mit der in Hamburg eine Gewerkschaftsfunktionärin geehrt wird, heißt seit 1929 Helma-Steinbach-Weg. 2010 folgte eine weitere Straße, der Frieda-Wieking-Stieg.
Bis auch Frauen sich in größerer Anzahl in Gewerkschaften organisierten, dauerte es seine Zeit. Zu Lebzeiten Helma Steinbachs war nur ein kleiner Teil der Arbeiterinnen – ca. 2% – in Vereinen und Fachverbänden organisiert.
Durch die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges – besonders im Hinblick auf Ausbeutung, Hunger und Not – erhielten mehr Arbeiterinnen Zugang zu den Gewerkschaften. Der Anteil der Frauen, die in den freien Gewerkschaften organisiert waren, stieg von 1914 bis 1919 von 9% auf 24%. Damals gehörten 59.400 Frauen dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund an. Allerdings nutzten die Gewerkschaften dieses Potenzial nicht; sie kümmerten sich zu wenig um die Belange ihrer weiblichen Mitglieder. So verweigerte der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund in den 1920er-Jahren die Unterstützung der Forderungen seiner weiblichen Mitglieder nach gleichem Recht auf Arbeit und gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit. Kein Wunder, dass die Mitgliederzahl unter den Gewerkschafterinnen sank. 1929 gab es im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund nur noch 29.400 Frauen – sprich 14%.
Helma Steinbach wurde geboren als Tochter der verarmten Hamburger Kaufmannsfamilie Steiner. Da die Familie den wirtschaftlichen Bankrott vor der Gesellschaft verbergen wollte, wuchs Helma unter großen Opfern und Entbehrungen auf. Eine vermutlich aus finanziellen Gründen geschlossene Ehe verlief unglücklich; schon nach kurzer Zeit ließ Helma Steinbach sich scheiden.
Wie die meisten bürgerlichen Mädchen ihrer Zeit hatte auch Helma Steinbach eine Erziehung in Haushaltsführung und Handarbeit erhalten, konnte rechnen, lesen und schreiben. Daher war sie nach ihrer Scheidung in der Lage, sich ihren Lebensunterhalt als Wirtschafterin, Näherin, Schneiderin, Plätterin (Bügelfrau) und Vorleserin bei den Hamburger Zigarrenarbeitern selbst zu verdienen. Anfang der 1880-er Jahre lernte Helma Steinbach den aus dem Exil in den USA zurückgekehrten Zigarrensortierer Adolf von Elm (siehe: Adolf-von-Elm-Hof) kennen, den späteren Gewerkschaftsführer, sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten (1894-1907), Mitbegründer der Genossenschaft „Produktion“ und der Versicherungsgesellschaft „Volksfürsorge“. Zwischen ihnen entwickelte sich eine fast dreißig Jahre dauernde tiefe Freundschaft.
In den 1880-er Jahren schloss sich Helma Steinbach der politischen Bewegung der Arbeiter und Arbeiterinnen an. Besonders aktiv war sie im Verein der Hand-, Weiß- und Maschinennäherinnen Hamburgs, einem 1887 ins Leben gerufenen Fachverein, der aus dem 1885 gegründeten Verein für Vertretung der gewerblichen Interessen der Frauen und Mädchen Hamburgs (mit 150 Mitgliedern) hervorgegangen war. Dort wurden die Arbeiterinnen nicht nur in ihren gewerblichen Interessen unterstützt, es fand auch Aufklärungs- und Erziehungsarbeit im Sinne der Sozialdemokratie statt. Helma Steinbach bekam jedoch Schwierigkeiten mit den Genossinnen wegen ihres „unweiblichen“ Auftretens und wurde bereits 1888 wegen „Eigenmächtigkeit“ aus dem Verein ausgeschlossen. Im Februar 1890 gründete sie den Zentralverein der Plätterinnen, der ca. 1.000 Mitglieder besaß.
Als 1890 das Sozialistengesetz aufgehoben wurde, konnte in Halle der erste sozialdemokratische Parteitag abgehalten werden. Von den fünf weiblichen Delegierten ergriffen nur Emma Ihrer und Helma Steinbach das Wort. Als eine von vier Frauen unter 208 Delegierten nahm die 55-jährige Helma Steinbach 1892 am ersten Gewerkschaftskongress in Halberstatt teil und vertrat dort die Interessen der Arbeiterinnen. In einer Resolution, die gegen eine Stimme angenommen wurde, vertrat sie die Ansicht, Frauen sollten gemeinsam mit Männern in einer Organisation arbeiten. Außerdem forderte sie die Gewerkschaften auf, auch Frauen als Mitglieder aufzunehmen und gezielt um sie zu werben.
Helma Steinbach hielt nicht viel von Frauengewerkschaften und Arbeiterinnen- und Frauenbildungsvereinen, ihrer Ansicht nach „Klatsch- und Zankvereine“. Sie wollte, dass Frauen und Männer Seite an Seite marschieren. Auch forderte sie die Aufgabe des Sonderrechtes, wonach Frauen spezielle Frauenvertreterinnen zu den Parteitagen entsenden konnten.

Als im November 1896 ein wilder Streik unter Hamburgs Hafenarbeitern ausbrach, wurden auch für die Frauen der streikenden Hafenarbeiter und Seeleute Versammlungen organisiert, um die vom Streik genauso hart betroffenen Frauen zu unterstützen und für den Streik zu gewinnen. An der Frauenagitation beteiligte sich auch Helma Steinbach. Als das Geld in der Streikkasse knapp wurde, entstand die Idee, die Streikenden künftig durch Lebensmittel zu unterstützen, die en gros und damit preisgünstig eingekauft werden sollten. Der Streik musste zwar mangels finanzieller Mittel erfolglos aufgegeben werden, die Idee einer Großeinkaufsmöglichkeit blieb jedoch bestehen, und es entwickelte sich daraus eine Initiative für einen Konsum- und Sparverein. Im August 1897 wurde ein Ausschuss von neun Personen, darunter Helma Steinbach als einzige Frau, gewählt, den Satzungsentwurf für eine Kosumgenossenschaft auszuarbeiten. Am 3. Februar 1899 wurde die „Produktion“ ins Handelsregister eingetragen. Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, war ihnen der 1929 benannte Helma-Steinbach-Weg ein Dorn im Auge. Helma Steinbach war in ihren Augen eine Marxistin. Aus diesem Grunde machten im Januar 1937 das Ingenieurwesen und das Hamburgische Staatsamt im Rahmen der Aktion „Umbenennung der nach Juden oder Marxisten benannten Straßen in Hamburg“ den Vorschlag, den Helma-Steinbach-Weg in Souchonstraße umzubenennen, denn: „Admiral Souchon, der die ,Goeben‘ und ,Breslau‘ durch die Straße von Messina nach Konstantinopel führte [hat] (…)dadurch mit (…) [beigetragen], daß die Türkei auf die Seite der Mittelmächte trat.“ Auch wurde der Vorschlag unterbreitet, den Helma-Steinbach-Weg in Oskar-König-Weg umzubenennen, einem Opfer der „nationalen Erhebung“ – also den Nationalsozialisten zuzurechnen. Eine Umbenennung fand nicht statt.
Text: Helene Götschel