Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Hilgendorfweg

Blankenese (1949): Robert Wilhelm Hilgendorf (31.7.1852 Schievelhorst bei Stepenitz/Pommern – 4.2.1937 Hamburg), Kapitän, segelte 66 Mal um Kap Hoorn.


Siehe auch: Laeiszstraße

Vor 1949 hieß die Straße Fichtenweg. Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Kapitän-Hilgendorf-Weg umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1949 bei Fichtenweg. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)

1285 Robert Hilgendorf
Robert Hilgendorf; Quelle: via Wikimedia Commons

Schon Hilgendorfs Vater war zur See gefahren. Dieser war „Kapitän auf kleinen Schiffen am Stettiner Haff [gewesen] und fuhr Fracht, unter anderem Torf. So kam es, dass Hilgendorf schon als Kind im Sommer mit an Bord war und die Seemannschaft wie selbstverständlich erlernte. Bereits im Alter von 12 Jahren durfte Robert Hilgendorf den Kutter seines Vaters selbstständig führen. 1867 verließ Hilgendorf die Heimat und heuerte auf einem Frachtsegler an, der neben der Ostsee auch die Nordsee befuhr. Bereits zwei Jahre später wurde Hilgendorf Vollmatrose.

Es folgte ein dreijähriger Dienst bei der Kaiserlichen Marine 1873-1876. Hilgendorf fuhr auf der SMS Arcona, einer gedeckten Korvette mit zusätzlichem Schraubenantrieb. Er stieg aus den Mannschaftsrängen auf und schied nach zwei Jahren als Bootsmannsmaat aus. Danach besuchte er die Navigationsschule (Hamburg), an der er die Steuermannsprüfung mit Auszeichnung bestand. Nachdem er auf der Blankeneser Barkentine Nautik gefahren war, bestand er am 29. August 1879 die Prüfung zum Kapitän auf großer Fahrt mit Auszeichnung. Er bewarb sich bei der Hamburger Reederei F. Laeisz und wurde angenommen. Er fuhr zunächst als Steuermann, bevor er 1881 sein erstes Kommando auf der Parnass erhielt“ 1), heißt es in Wikipedia.

Heino Brockhage, Vorstandsmitglied der Schifffahrtsgeschichtlichen Gesellschaft Bremerhaven, schreibt 2015 im Vorwort zu seinem Buch „Kapitän Robert Hilgendorf“: „Der seglerische Draufgänger Robert Hilgendorf war der berühmteste aller Laisz-Kapitäne [siehe: Laeiszstraße]. Er war zu seiner Zeit ein international bekannter und hoch angesehener Hamburger Segelschiffkapitän.“ 2)

Hilgendorf fuhr auf frachtfahrenden Großseglern. Geladen waren in der Hauptsache Chile-Salpeter und Guano. Der Abbau des Chile-Salpeters erfolgte von überwiegend indigenen Wanderarbeitern unter katastrophalen Arbeitsbedingungen. „Die Knochenarbeit, das Einatmen des giftigen Salpeterstaubs bei Sprengungen und die extremen Temperaturschwankungen in der Wüste schlugen sich auf die Gesundheit nieder. Kinderarbeit ab dem achten Lebensjahr war üblich. Gegen die schlechten Arbeitsbedingungen wehrten sich die Arbeiter in den Jahren 1901 bis 1907 immer wieder erfolglos. 1907 kam es zu einem Aufstand von Salpeterarbeitern. (…). In der Schule Santa Maria wurden sie von Heerestruppen und Marineeinheiten niedergemetzelt (…). Die etwa 3.600 Toten wurden verscharrt oder ins Meer geworfen.

Erst 1920 wurden die Arbeitsbedingungen der Arbeiter durch die Einführung des Achtstunden-Arbeitstages und das Verbot der Kinderarbeit verbessert. 1924 verpflichtete der chilenische Staat die Minenbesitzer, den Lohn der Arbeiter in der offiziellen Landeswährung auszuzahlen“ 3)

Hamburger Unternehmen waren im Chile-Salpeter Geschäft mit hohen Gewinnen beteiligt, wie zum Beispiel die Firma Sloman (siehe: Slomanstraße).

Um zu den chilenischen Häfen zu kommen, mussten die Segelschiffe Kap Horn umrunden. Durch die dort herrschenden stürmischen Westwinde war dies für die Schiffe und deren Besatzung sehr gefährlich.
In den über zwanzig Jahren, die Hilgendorf im Dienst der Reederei Laeisz auf Schiffen fuhr, umrundete Hilgendorf als Kapitän 59 mal das Kap Horn 4) „und erzielte auf diesen Reisen erstaunlich hohe und vor allem gleichmäßige Geschwindigkeiten, was ihm die Bezeichnung ‚Teufel von Hamburg‘ (‚Düwel von Hamborg‘) einbrachte. Dazu stellte er wissenschaftliche Berechnungen und Betrachtungen an, (…). Während seiner Zeit als Kapitän der Potosi entwickelte er zusammen mit der Hamburger Optikfirma C. Plath einen Nachtsicht-Sextanten.“ 5)

Hilgendorf, der Alkohol verabscheute und auch das Kartenspiel ablehnte, galt als extrem hart gegenüber seiner Crew, aber auch als gerecht. „Gerecht aber hart“, das waren Eigenschaften, die einen Mann in Führungsposition auszeichneten. Dazu Heino Brockhage: „Er war ohne Zweifel ein besonders harter Kapitän. Aber es kann, gestützt auf die Aussagen seiner eigenen Männer, auch kein Zweifel daran bestehen, dass er gleichermaßen gerecht war. Bereits damals galt der Ausspruch, das Neid die höchste Form der Anerkennung ist. Robert Hilgendorf war ein berühmter, erfolgreicher Mann und hatte folglich auch ungezählte Neider. Seine Männer respektierten ihn jedoch und zollten ihm hohe Achtung. Anhand der Besatzungslisten der POTOSI lässt sich nachweisen, dass keiner von ihnen desertierte.“6) Solches kam damals häufig vor, so dass Kapitäne für die Heimfahrt große Mühe hatten, eine zahlenmäßig ausreichende Mannschaft zusammenzubekommen.

Kurz vor seinem 50. Geburtstag beendete Hilgendorf seine seemännische Laufbahn und wurde wenige Tage später vom Hamburger Senat zum Schifferalten und Nautischen Sachverständigen für Hamburg ernannt. Hilgendorf arbeitete nun als „Besichtiger und Sachverständiger für Havarien und Ladungsschäden für mehrere Seeversicherungsgesellschaften – eine Aufgabe, die er (…) fast 25 Jahre lang (…) ausfüllte. In dieser Tätigkeit, die er bis zu seinem 75. Lebensjahr in bester Gesundheit ausübte, wurde Hilgendorf ein sehr geschätzter nautischer Sachverständiger, der nicht als väterlicher Freund an Bord kam, sondern in seiner Aufsichtsfunktion.“ 7)

Verheiratet war Hilgendorf auch und er war auch Vater, nämlich von acht Kindern. Im Alter von 28 Jahren hatte Hilgendorf 1880 die Kaufmannstochter Helene Johanne Ernestine Müller (3.3.1860 Altona – 23.12.1934 Hamburg) geheiratet. Über das Eheleben schreibt Heino Brockhage. „Es gab nur einen einzigen Menschen, der diesen unnahbaren, für seine Härte berüchtigten Mann nicht fürchtete – seine Ehefrau. Wenn diese rief, war der ‚Düwel von Hamburg‘, wie Robert Hilgendorf ehrfurchtsvoll von den Seeleuten in den Kneipen rund um den Hamburger Hafen genannt wurde, unverzüglich zur Stelle. In der Kegelrunde der alten Schiffsmänner, die ihn auf seine Stellung im Hause hochnahmen, soll Robert Hilgendorf einmal erwidert haben: ‚Auch zu Hause bin ich der Kapitän, und meine Frau hat mir erlaubt, dass ich das hier in der Runde so sagen darf!‘“. 8)

Zu Hause war Hilgendorf aber nur sehr selten. „Sein Privatleben hatte immer zurückstehen müssen. Bei all seinen langen Reisen waren kaum einmal mehr als drei Wochen pro Jahr für die Familie übrig geblieben. Acht Kinder, fünf Jungen und drei Mädchen, zwischen 1882 und 1893 geboren, hatten – durch dessen Beruf bedingt – von ihrem Vater nicht viel gehabt.“ 9)

Bei der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war Hilgendorf 82 Jahre alt. Weder in der NSDAP-Zentralkartei noch in der NSDAP-Gaukartei des Berlin Document Center im Bundesarchiv findet sich eine auf Robert Hilgendorf ausgestellte Mitgliederkarte, sodass sich eine Parteimitgliedschaft darüber nicht nachweisen lässt.

Hilgendorf, der in seinem Haus am Eidelstedter Weg 29 lebte, starb als Witwer im Alter von 85 Jahren „an den Folgen einer schweren Krankheit in seinem Wohnhaus in Eimsbüttel. Seinem letzten Willen entsprechend wurde er unter dem Ölgemälde seiner POTOSI, einem Geschenk seines Reeders Carl Laeisz, aufgebahrt.“ 10)