Slomanstraße
Veddel (1929): Robert M. Sloman, der Jüngere (30.7.1812 Itzehoe - 30.10.1900 Othmarschen), Reeder, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (Nationalliberale Partei), Mitglied des Reichstages. „Sloman-Burg“ am Harvestehuder Weg 5-6
Robert Miles Sloman jr. begann im Alter von 16 Jahren eine Lehre in der Firma seines Vaters Robert Miles Sloman sr. Dieser hatte im Jahr 1800 die Schiffsmaklerei seines aus England stammenden Vaters, Kapitän William Sloman, übernommen und dazu eine Reederei gegründet. Während Robert Miles Sloman sr. die Reederei leitete, übernahm der Junior 1841 das Maklergeschäft. Drei Jahre zuvor hatte er 1838 Christine Amalia Rosalia, geb. von Stephani, geheiratet. Sie war die Tochter des Freiherrn und Obersten von Stephani und Lydia Amalie, geb. Westphalen. Das Paar bekam fünf Töchter. Robert Miles Sloman regelte nicht nur den Verkauf von Schiffen, sondern vermittelte vor allem Verladungen zwischen Erzeugern, Spediteuren und Empfängern, sorgte also dafür, dass Handel und Schifffahrt reibungslos ineinandergriffen. Erste Probefahrten nach Nordamerika hatten gezeigt, dass zwar die Rückfahrten nach Hamburg mit Landeserzeugnissen voll beladen werden konnten, die Hinfahrten jedoch weitgehend leer blieben. So kam Robert Miles Sloman sr. auf die Idee, „heimatmüde Menschen“ zu befördern. Ab 1828 verschiffte die Sloman-Reederei auswandernde Passagiere nach New York und zu weiteren Häfen in Nord- und Südamerika sowie nach Australien und Südafrika; ab 1836 gab es regelmäßige Paketfahrten von Hamburg nach New York. Nach dem Tod des Vaters 1867 fiel Robert Miles Sloman jr. auch die Reederei zu. Nun sollte das „Frachtgut Mensch“ maximalen Profit bringen, und so wurden möglichst viele Passagiere in den Zwischendecks zusammengepfercht. Die Reisebedingungen in den kleinen Zwischenräumen waren lebensgefährlich. Zum Skandal geriet eine Fahrt im Jahr 1867: Auf der 70-tägigen Reise des Seglers Leibnitz starben 108 von 544 Passagieren. Vor dem Obergericht Hamburg bezeugten die ärztlichen Begutachter, dass bei der Fahrt Typhus ausgebrochen war aufgrund von „(…) mangelhafte(r) Ventilation, Reinlichkeit, nicht angemessener ärztlicher Hülfe, ungenügender Nahrung und Mangels an Wasser“. Ihr Fazit fand klare Worte: „Wir wollen den Gegenstand nicht verlassen, ohne unsere Entrüstung und unsern Abscheu gegen die Urheber dieses brutalen Mordes auszusprechen. Nichts scheint die Menschen rascher in Bestien zu verwandeln als die Aussicht, aus armen, vergleichungsweise hilflosen Menschen, wie die Passagiere des Leibnitz es waren, einen außergewöhnlichen großen Profit zu machen.“ Das deutschsprachige New Yorker Journal betitelte: „Sloman‘s Totenschiffe wieder einmal“. Die Deutsche Gesellschaft der Stadt New York warnte von nun an deutsche Auswanderer „ernstlich“, „für ihre Reise nach den Vereinigten Staaten sich den Schiffen des Hrn. R. M. Sloman in Hamburg anzuvertrauen.“ Das Verfahren endete dennoch in Freispruch, da nach Auffassung des Gerichts ein Verschulden der Reederei nicht nachgewiesen werden konnte.
Das profitable Geschäft mit Chilesalpeter lockte weitere Familienmitglieder an. Henry Brarens Sloman, Sohn eines anderen Familienzweigs, sein Schwager Hermann Conrad Fölsch und der Deutsch-Chilene Federico Martin hatten in der Wüste Atacama in Nordchile mehrere Salpeterminen gegründet. Die Reederei Rob. M. Sloman übernahm für seinen Neffen die Verschiffung des Salpeters. Im 19. Jahrhundert nahm die Bevölkerung in Deutschland rapide zu, und das Salpeternitrat konnte den enormen Bedarf an Pflanzendünger decken, die Landwirtschaft ankurbeln und damit Hungersnöten entgegenwirken. Salpeter diente aber auch zur Herstellung von Sprengstoff und Schießpulver, die Verwendung in den Kolonialkriegen in Afrika und Asien fanden.
In der nordchilenischen Wüste Atacama waren über ein hundert Salpeterminen von englischen und deutschen Unternehmen gegründet. Die Arbeitsbedingungen für die rund 70.000 überwiegend indigenen Wanderarbeiter waren katastrophal. Die Knochenarbeit, das Einatmen des giftigen Salpeterstaubs bei Sprengungen und die extremen Temperaturschwankungen in der Wüste schlugen sich auf die Gesundheit nieder. Kinderarbeit ab dem achten Lebensjahr war üblich. In den Barackensiedlungen mussten die Familien auf engstem Raum wohnen, häufig ohne Betten und sanitäre Anlagen. Es gab kaum medizinische Versorgung und Schulen. Der Akkordlohn wurde nicht in Geld, sondern in speziellen Münzen ausgezahlt, die nur in den überteuerten Läden der Minengesellschaft Gültigkeit besaßen. 1907 streikten zehntausende Minen- und Hafenarbeiter für bessere Arbeitsbedingungen. Chilenische Truppen, von preußischen Offizieren ausgebildet, massakrierten über zweitausend Aufständische. Der bolivianisch-chilenische Historiker Claudio Castellón Gatica kommentiert: „Kein Zweifel, dass auch Sloman Anteil hatte an dem, was man die größte Ausbeutung des Menschen durch den Menschen bezeichnen kann.“
Zwischen 1870 und 1900 sind einigen wenigen Hamburger Kaufleuten und Reedern aus dem Salpetergeschäft mehrere Milliarden Mark zugeflossen. Nach der Jahrhundertwende lag ein Viertel des gesamten Salpeterabbaus in ihren Händen. Allein im Jahr 1905 importierte Hamburg über 500.000 Tonnen Chilesalpeter, allen voran Sloman und Fölsch. Verladen wurde auch Guano von der Küstenregion. Die Minenbesitzer mussten in Chile keine Einkommenssteuer entrichten. In den chilenischen Hafenstädten schwelgten die Salpeter-Magnate im Luxus und ließen sich prächtige Villen und Theater bauen. Henry Brarens Sloman kehrte 1898 nach Hamburg zurück. „Lex Sloman“, das 1900 erlassene Gesetz, das Rückwanderer von der Einkommenssteuerpflicht ebenso in Hamburg befreite, trug dazu bei, dass der „Salpeterbaron“ 1912 als der reichste Mann der Stadt galt. So konnte er sich auch den Bau des renommierten Chilehauses leisten, an dessen Fassade er Symbole seines Reichtums verewigen ließ. Trotz der Skandale und Negativschlagzeilen hatte Robert Miles Sloman weiterhin auf Passagierbeförderung gesetzt. 1882 gründete er die kurzlebige Australia-Sloman-Linien-AG, die Auswanderungswillige nach Australien und im Gegenzug Gefrierfleisch nach Hamburg befördern sollte. Doch Sloman gab die unrentable Schiffslinie schnell wieder auf und gründete 1888 mit Carl Ferdinand Laeisz (siehe: Laeiszstraße) und weiteren Hamburger Reedern und Kaufleuten die Aktiengesellschaft Deutsch-Australische Dampfschifffahrtsgesellschaft (DADG), die mit zeitweise 56 Schiffen Deutschlands größte Reederei war. Nach wie vor hatten die Auswanderertransporte einen schlechten Ruf, Klagen über schlechte Ventilation und verdorbenes Essen auch auf den DADG-Schiffen drangen an die Öffentlichkeit. Das Reiseangebot der Schiffslinie wurde kaum angenommen, die Auslastung lag teilweise bei fünfzig Prozent oder weniger, so dass die Reederei 1894 alle Passagierfahrten einstellte. 1891 kam es zu Verhandlungen vor Seeämtern und einer Debatte vor dem Reichstag, als Vorkommnisse auf dem DADG-Dampfer Sommerfeld bekannt wurden: Auf zwei Fahrten waren mehrere Heizer und Kohlentrimmer über Bord gegangen, einige an Bord verstorben, mehrere wurden vermisst, große Teile der Mannschaft waren an den Häfen „desertiert“, die gesamte Besatzung hatte bei Ankunft in Hamburg abgemustert. Beklagt wurde die mangelnde Luftzirkulation im Kesselraum, die bei den Feuerleuten in vielen Fällen zu Hitzschlag, Verbrennungen, Psychosen und Selbsttötungen führte, ferner ungeregelte Arbeitszeiten, der psychische Druck und die brutalen Misshandlungen durch vorgesetzte Maschinisten. Zwischen 1888 und 1898 ist auf deutschen Handelsschiffen von etwa 300 Suiziden auszugehen, die allermeisten der Opfer waren Kohlenzieher, die häufigsten Skandale auf den Schiffen der Hamburger und Bremer Reedereien. Hafenarzt Bernard Nocht (siehe:Bernhard-Nocht-Straße) forderte effektive Ventilationssysteme unter Deck, doch die Reeder dachten nicht daran, in solch teure Einbauten zu investieren, eher gaben sie dem nach ihrer Auffassung „missmutigen“ und „arbeitsscheuen“ Heizpersonal, dem „moralisch verkommenen Menschenmaterial“ die Schuld. Nun wurden auch ungelernte Arbeiter aus China, Indien, Afrika und dem arabischen Raum angeheuert. Die Schiffseigner behaupteten, die Menschen aus dem Süden seien hitzeunempfindlicher. Damit bedienten sie sich eines in der Kolonialzeit gängigen rassistischen Vorurteils und rechtfertigten die Ausbeutung des nichteuropäischen Personals. Selbstredend, dass auch die nichteuropäischen Heizer und Kohlenzieher vor den Feuern genauso unter Verbrennungen, Hitzschlag und darauf folgenden Halluzinationen litten, und die Suizidrate unter ihnen lag sogar noch höher. Im Verhandlungsfall des DADG-Schiffs Sommerfeld 1892 stellte sich das Seeamt Hamburg trotz aller Evidenzen auf die Seite der Reeder und Aktionäre. Im Bericht wurden die bestehenden Ventilationsanlagen unter Deck als durchaus angemessen bezeichnet. Um einer harten Konkurrenz unter den Hamburger Reedereien aus dem Weg zu gehen, kam es zu zahlreichen Fusionen und Beteiligungen.
1888 übernahm die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) die Carr-Linie, an der Sloman beteiligt war. Eigene Unternehmungen, etwa die Mittelmeerfahrt sowie weitere Beteiligungen, so am Bremer Norddeutschen Lloyd (NDL) und an der Hapag, vergrößerten Slomans Geschäftsfeld. Am 20. August 1894 erlitt das DADG-Schiff Erlangen, aus Australien und Singapur kommend, eine Totalhavarie an den Malediven. Geladen hatte der Dampfer Kolonialwaren: Tee, Reis, Kautschuk, Rattan, Teakholzplanken, Silbererz und Kupferrohstein, Kokosgarne, Kokosnüsse und Kokosnussöl. Bis 1914 verlor die DADG fünf weitere Schiffe auf den Ozeanen. Als Sloman 1890 aus der Firmenleitung ausschied, hinterließ er seinen Nachfolgern prosperierende Unternehmen. Vor dem Ersten Weltkrieg bestand die firmeneigene Sloman-Flotte aus 22 Schiffen. Ab 1914 setzten die britischen Seeblockaden den gewinnbringenden Kolonialwarenimporten und Salpeterfahrten ein jähes Ende. Derweil wurde in Deutschland die kriegswichtige synthetische Salpeterherstellung eilig vorangetrieben. In den 1950er-Jahren waren Kühlschiffe im Einsatz, die Südfrüchte aus Brasilien und Ecuador importierten. Die Union Afrika-Linie, die Sloman seit 1951 mit anderen Reedereien betrieb, wurde bereits 1954 von den Deutsche-Afrika-Linien (DAL), dem Nachfolger der Woermann-Linie, (siehe zu Woermann unter: Cornelius-Fredericks-Stieg) übernommen. Die 1886 gegründete Union-Linie verkaufte Sloman 1995 an Hapag. Das Slomanhaus am Baumwall ist seit 1910 der repräsentative Sitz der Reederei-Holding Rob. M. Sloman & Co, während Sloman-Neptun-Schiffahrts-AG seit 1973 von Bremen aus operiert. 1855 hatte Robert Miles Sloman sen. das bankrotte Hamburger Stadt-Theater als Spekulationsobjekt erworben, knapp zwanzig Jahre später gelang es dem Sohn, dieses für mehr als das Doppelte des Kaufpreises zu veräußern. Robert Miles Sloman jr. trieb die Gründung einer Seefahrtsschule voran und förderte die Geographische Gesellschaft in Hamburg, die sich in erster Linie nach den Wirtschaftsinteressen der Kolonialkaufleute richtete. Sloman war auch der Initiator einer gemeinnützigen Baugesellschaft, die eine Gartenstadt-Siedlung für Hafenarbeiter und ihre Familien baute. Die Sloman-Siedlung mit 200 Einfamilienhäusern wurde zwischen 1878 und 1900 fertiggestellt. Schon nach dreißig Jahren musste sie dem städtischen Neubauprogramm und der Hafenerweiterung weichen. Angeregt durch seinen Freund, dem pietistischen Theologen Johann Heinrich Wichern (siehe: Wichernsweg), unterstützte der tiefgläubige Sloman karitative Einrichtungen wie das Sanatorium Friedeburg für Hamburger Arbeiterkinder. Robert Krieg, Filmemacher und Nachkomme der Sloman- und Fölsch-Familiendynastien, kann es kaum nachvollziehen, dass seine Vorfahren mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten, einerseits christliche Hilfswerke in Hamburg zu fördern und andererseits unempfänglich zu sein gegen das harte Los und das Leid der Minenarbeiterfamilien in Chile.
Text: HMJokinen, Mitarbeit: Frauke Steinhäuser
Tochter, Schwester, Urenkelin, Großnichte von Robert M. Sloman: Stephani, verh. Brödermann; Eliza Wille, Annemarie Schwarzenbach; Mary Lavater-Sloman
Eine der Töchter des Ehepaares Sloman jun. war Stephani (4.4.1848 Hamburg -9.1.1945 Reinbek bei Hamburg), verheiratet seit 1867 mit Carl Alphons Brödermann, Teilhaber der Firma Ro. M. Sloman jr. Stephani Brödermann. Sie lebte in einer Villa an der Magdalenenstraße 65 B.
Wie so viele „Damen der Gesellschaft“ engagierte sie sich während des Ersten Weltkriegs auf patriotische Weise: sie versorgte das Hamburger Regiment mit „Liebesgaben“.
Robert M. Sloman jun. war zu Lebzeiten Vorstandsmitglied einer 1878 gegründeten gemeinnützigen Gesellschaft gewesen, deren Ziel der Bau kleiner Siedlungshäuser für Arbeiter gewesen war. Sloman hatte sich mit einer großen Summe am Bau der Häuser beteiligt. Nach seinem Tod kümmerte sich Stephani Brödermann auf karitative Weise um die Siedler auf der Veddel.
Eine Schwester von Robert M. Sloman jun. war die Dichterin Eliza Wille, geb. Sloman (9.3.1809 Itzehoe - 23.12.1893 Meilen). Sie durfte keine Schule besuchen, ebenso ihre Schwestern nicht. „Ein Hauslehrer und eine Erzieherin besorgten den Unterricht. Sie lernten mehrere Sprachen (…). Außerdem wurden sie in der Erdkunde und Geschichte, im Zeichnen und in der Kenntnis der europäischen Literatur ausgebildet.“ 1) Eliza Wille betätigte sich bald mit der Schriftstellerei und der Dichtung. Ihr erstes Werk veröffentlichte sie 1856 noch anonym, ihr zweites Werk ein Jahr später dann schon unter ihrem eigenen Namen.
Nachdem sie lange einer unerfüllten Liebe nachgetrauert hatte, lernte sie im Alter von 30 Jahren ihren zukünftigen Ehemann, den politischen Journalisten Francoise Wille (20.2.1811 Hamburg – 7.1.1896 Meilen, Redakteur der „Hamburger Börsenhalle“, leitete einige Zeit auch die Hamburger Neue Zeitung) kennen; „aus einer Besprechung, die er ihren ‚Dichtungen‘ widmete, ergab sich ihre Mitarbeit an der von ihm geleiteten Wochenschrift ‚Die Zeit‘ und die persönliche Bekanntschaft“. 2) Sechs Jahre nach dem ersten Kennenlernen heiratete das Paar 1845. „Die ersten Jahre dieser Ehe standen ganz im Zeichen der politischen Gärungen und Umtriebe, der Hoffnungen und Enttäuschungen, die die Zeit um 1848 in wechselvollem Zug mit sich brachte. Die Märzrevolution mit ihren blutigen Folgen, der mißlungene Freiheitskampf Schleswig-Holsteins hinterließen Gram und Bitterkeit im Herzen des Volkes. Wille, der als Abgesandter an der Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt teilnahm, stand mit klarem Kopf, doch stets zu überlegtem Einsatz bereit über den Dingen. Eliza, die bald Mutter wurde, sah indes ein, daß sie ‚wenig von der Natur des spartanischen Weibes habe‘. Ihr Geständnis: ‚Ich, die ich mein Leben lang für Freiheit und Menschenrechte geglüht hatte, sollte schaudern lernen vor den Schrecknissen und dämonischen Mächten, welche hervorgebrachen in den Märztagen 1848‘, wird um so begreiflicher, als Wille ihr im Jahre 1849 nach der gesetzgebenden Versammlung in Hamburg mit durchschossenem Arm ins Haus gebracht wurde; er war von dem Führer der Hamburger Linken im Verfassungsrat wegen seiner offenen Meinungsäußerung auf Pistolen gefordert worden,“ 3) schreibt 1953 Christian Jenssen in seinem Buch „Lob der Frauen. Schicksalsgefährtinnen großer Männer“ und verdeutlicht damit gleichzeitig seine Einstellung zu den Rollenmustern der Geschlechter und seine eigene politische Einschätzung der damaligen politischen Situation.
„Enttäuscht von der langsamen Entwicklung der Verfassungsreformen in Hamburg verließen sie 1851 die Stadt und erwarben das Gut Mariafeld am Züricher See [Willes Vorfahren stammten aus der Schweiz, R. B.]. Hier übten sie eine weitgehendste Gastfreundschaft. Besonders politische Flüchtlinge, wie Gottfried Semper [siehe: Semperstraße], Georg Herwegh, Richard Wagner [siehe: Wagnerstraßenbrücke], den Eliza schon vorher in Dresden kennengelernt hatte, fanden in Mariafeld Asyl. (…) Auf Mariafeld reifte Elizas schriftstellerisches Wirken zu höchster Vollendung. Im Jahre 1850 gab sie ihren Roman ‚Felicitas‘ heraus, 1871 den Erziehungsroman ‚Johannes Olaf‘, 1878, mit 69 Jahren, ihr bestes und reifstes Werk, die Novellensammlung ‚Stillleben in bewegter Zeit.‘ (:..) In der Deutschen Rundschau erschienen 1887 ihre ‚Erinnerungen an Richard Wagner‘.“ 4) Dieser besprach mit Eliza Wille alles, was ihn menschlich und künstlerisch bewegte, so auch seine Liebestragödie mit Mathilde Wesendonk. Aber er nutzte sie auch aus und geringschätzte ihre Hausfrauen- und Mutterarbeit – wie so viele Männer seiner und der folgenden Generationen.
Als Wagner einmal wieder bei den Willes zu Gast war und an einem Abend „aus seiner neugeschaffenen Nibelungendichtung vorlas, (…) fühlte er sich bitter gekränkt“, als sie [Eliza Wille],„zwischendurch das Zimmer verließ, weil ihr jüngster Sohn fieberte und nach ihr rief. Wagner „meinte vorwurfsvoll, es habe doch keine Todesgefahr gedroht, und nannte Eliza mit beziehungsvollem Spott ‚Fricka‘. Noch einmal tauchte diese Bezeichnung im Frühjahr 1864 auf, als Wagner während einer seiner Lebenskrisen sich für längere Zeit in Mariafeld einquartierte. Der Umgang mit ihm, der sich von seiner Frau getrennt hatte, zur Arbeit unlustig, höchst reizbar war, die seltsamsten Ansprüche stellte und allein noch von außen her eine Besserung seiner Lage erhoffte (…), verlangte von Eliza erhebliche Opfer. Sie war damals mit ihren beiden heranwachsenden Söhnen allein – Wille war mit seinem Studienfreund Fritz Reuter in den Orient gereist – und gab dem Gaste zuliebe Bequemlichkeit, häusliche Ordnung, Freudentage mit ihren Jungen und manches andere auf; sie ging auf alle seine Launen ein und stand ihm stets als dankbare Zuhörerin zur Verfügung, ohne ihn jedoch ins Gleichgewicht zurückbringen zu können. Eines Tages fand er sie mit Handarbeiten für den Hausputz beschäftigt, die sie auf seine Frage als ‚Frühlingsarbeiten‘ bezeichnete. ‚Frühlingsarbeiten‘, meinte Wagner geringschätzig, ‚ich meinte, das sei Veilchenpflücken.‘ Eliza entgegnete: ‚Wenn man zu alt ist zum Veilchenpflücken – nützliche Arbeit ist auch was wert.‘“ 5)
Eliza Wille war auch eine Vertraute ihres Vaters Robert Miles Sloman (1783-1867). Er weihte sie in alle seine Erfindungen rund um die Schiffe ein. Über Eliza Wille erfahren wir auch etwas über das Privatleben ihrer Eltern Robert M. Sloman (senior) und Lena Sloman, geborene Brarens, aus Tönning stammend. Ihr Vater war Lotseninspektor gewesen.
Eine Urenkelin von Eliza Wille war die Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach.
Eine Großnichte von Robert Miles Sloman jun. war die Schweizer Schriftstellerin Mary Lavater-Sloman, geb. Sloman (14.12.1891 Hamburg – 5.12.1980 Zürich). Sie war die Tochter des Reeders Friedrich Loesener-Sloman und Mary Sloman, geb. Albers.
Text: Dr. Rita Bake