Laeiszstraße
St. Pauli (1861): Ferdinand Laeisz (2.1.1801 Hamburg – 7.2.1887 Hamburg), Reeder, Konsul. Ihren Namen erhielt die Straße im Jahr der Einweihung des von Laeisz begründeten Ferdinand-Laeisz-Stifts, das sich dort befand.
Siehe auch: Amsinckufer
Siehe auch: August-Bolten-Weg
Siehe auch: Am Ballinkai, Ballindamm
Siehe auch: Hilgendorfweg
Siehe auch: Siemssenstraße

Nach kurzer Schulzeit absolvierte Laeisz in Berlin eine Lehre als Buchbinder. Dabei lernte er, Zylinderhüte aus Seide anzufertigen. 1824 kehrte er nach Hamburg zurück, um das väterliche Geschäft mit Lumpen und Commissionen in der Straße Kurze Mühren zu übernehmen. 1826 erwarb er das Hamburger Bürgerrecht. Das Geschäft lief jedoch mehr schlecht als recht, und so konzentrierte er sich ganz auf die Herstellung farbiger Seidenzylinderhüte. Damit war er so erfolgreich, dass ihn die Hamburger Hutmacherzunft 1826 als Meister anerkannte, und so konnte er einen Hutladen mit Fabrikation am Jungfernstieg eröffnen. Mit 27 Jahren war Laeisz schon 1828 auf Expansionskurs: Er weitete sein Geschäft auf den südamerikanischen Markt aus, da dort ein Markt mit wohlhabenden Kolonialhändlern und Großgrundbesitzern vorhanden war. In Bahia/Brasilien eröffnete er eine Filiale für Zylinderhüte und Gemischtwaren. Auch die Handelsniederlassungen in Chile, Peru, Ecuador und auf den Philippinen entwickelten sich ganz positiv, während das Geschäft in Venezuela ein Misserfolg wurde. Viele Kunden bezahlten in Naturalien, die sie den langen Weg über den Atlantik schickten, und so sattelte Laeisz um: Für sein neues Im- und Exportgeschäft ließ er 1840 ein eigenes Segelschiff für 42.000 Mark Banco bauen. 1847 war er Mitgründer der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag);mehr als zehn Jahre gehörte er zum Direktorium dieser führenden Reederei. Die Hapag richtete einen Liniendienst zwischen Hamburg und New York ein; aus Nordamerika kamen Rohstoffe, die von den Sklavenplantagen stammten: Baumwolle, Tabak und Reis; die daraus veredelten Waren gingen zurück. Die Fertigprodukte nach Übersee nahmen weitaus weniger Cargoraum ein, so dass auswandernde Passagiere mitgenommen werden konnten. Die Passagierbeförderung erwies sich schließlich als weitaus profitabler als der Warenverkehr. Um möglichst viele Menschen im Schiffsraum unterzubringen, zogen die Reedereien Zwischendecks ein, die sich bei Bedarf schnell wieder abbauen ließen. Die Reisebedingungen für die Passagiere, die sich nur eine Fahrkarte unter Deck leisten konnten, waren kaum auszuhalten: Platzmangel, schlechte Belüftung, armselige Ernährung und Hygiene. Nicht wenige Reisende überlebten die wochenlange Überfahrt nicht. Sohn Carl Heinrich Laeisz, der 1852 in die Firma einstieg, gründete die eigene Reederei F. Laeisz. 1870 betrieb das Familienunternehmen sechzehn Segelschiffe, die Kolonialwaren aus Jakarta, Singapur, Hongkong und Australien holten. Aus Honolulu wurden Zucker und Walöl importiert, aus Mexiko Kupfer- und Silbererz, aus Costa Rica Kaffee. Carl Laeisz gehörte zu den Gründern der Deutsch-Ostafrika-Linie, war Anteilinhaber an der Afrikanischen Dampfschiffs-Actiengesellschaft Woermann-Linie und Mitglied des Kolonialvereins; sein Nachkomme Carl Ferdinand Laeisz wirkte im Flottenverein und in der Deutschen Kolonialgesellschaft in Hamburg mit. Die drei Generationen, die nun zusammenarbeiteten, beteiligten sich an zahlreichen weiteren Schifffahrtsunternehmen. Um 1860 wurden in der Atacama-Wüste im heutigen Nordchile umfangreiche Salpeter-, Silber- und Kupfer-, in der Küstenregion riesige Guanovorkommen entdeckt. Für die aus Salpeter und Guano gewonnenen Nitrate, aus denen Pflanzendünger, Schießpulver und Sprengstoff hergestellt werden konnten, eröffnete sich ein enormer Markt auf den großen Latifundien in Südchile, in der Landwirtschaft in Deutschland und auch in den Kolonialkriegen in Afrika. Deutsche, englische und chilenische Gesellschaften überzogen die Wüste mit über hundert Salpeterminen. Zu den großen Salpeterminenbesitzern gehörten die Hamburger Handelshäuser Rob. M. Sloman (siehe: Slomanstraße) sowie Fölsch & Martin. Unter der Flagge der Reederei F. Laeisz fuhr 1862 der erste eigene Schiffsneubau die chilenische Hafenstadt Valparaiso an. Bald verkehrten die Frachtschiffe von F. Laeisz regelmäßig zwischen Chile und Hamburg. Seit 1938 erinnert die Valparaisostraße in Bahrenfeld an die „überseeischen Handelsbeziehungen“. Während die „Salpeterbarone“ in den chilenischen Hafenstädten im Luxus lebten und die Salpeterfahrten den Reedereien hohe Erträge einbrachten, waren die Arbeits- und Wohnverhältnisse für die etwa 70.000 überwiegend indigenen Wanderarbeiterinnen und -arbeiter katastrophal. Die Salpeterminen befanden sich in einer der trockensten Gegenden der Erde: tagsüber sengende Hitze, nachts Temperaturen um den Gefrierpunkt. „Überall, wohin man blickt, nur Sand und Steine, Schutt und Geröll und weißer Salpeter, der in der Sonne glitzert“, beschrieb 1919 der Reisende Kurt Faber die trostlose Wüste, „Hier, in dieser Einöde, ist die Einsamkeit selbst zu Hause.“ In den Barackensiedlungen lebten die Arbeiterfamilien auf engstem Raum, häufig ohne Betten und hygienische Vorrichtungen. Der Akkordlohn wurde nicht in Geld ausgezahlt, sondern in betriebseigenen Münzen, die nur in den überteuerten Läden der Minengesellschaften gültig waren. Pablo Neruda, Dichter, Nobelpreisträger und Senator für die nordchilenischen Provinzen, bereiste in den 1940er-Jahren die Atacama-Wüste und prangerte die ungesunden Arbeitsbedingungen an, die noch immer in den verbliebenen Minen herrschten. Mit seinem Gedicht setzt er zugleich dem Minenarbeiter, den er Maestro Huerta nennt, ein trauriges Denkmal: „Antimon zerfraß seine Innereien. / Er wurde so mager, dass man Angst bekam. / Die Beine zerlöchert, / konnte er kaum noch laufen. / Und er war so groß, / ein klappriger Geist / (...) Sein dreißigstes Geburtsjahr überlebte er nicht, / frage nicht, wo sein Grab liegt, / keiner wird es wissen, / der Wind nagt an den Kreuzen, / der Sand deckt sie zu.“ Die britische Seeblockade im Ersten Weltkrieg bereitete den Salpeterfahrten der Hamburger Reedereien ein jähes Ende, und mit der Erfindung des synthetischen Nitrats kam der Salpeterimport ganz zum Erliegen. Pedro Bravo Elizondo, Schriftsteller aus der Hafenstadt Iqueque, beschreibt die große Hungersnot, welche die Schließung der nordchilenischen Salpeterminen zur Folge hatte: „Eine lange Karawane von Frauen und Kindern, alten und jungen Männern vagabundierte durch die Straßen und flehte um Barmherzigkeit (...) Ich sah die Bürger erzittern, die Schacherer der Siedlung. In panischer Angst befürchteten sie, dass das Heer der Hungernden ihre Geschäfte und Geldschränke plündern würde. (...) Aber das Volk ging an den aristokratischen Palästen, an den schamlos ausgestellten Waren vorbei, ruhig und ernst. Dieser Bericht wird eine Auslese des proletarischen Elends sein, eine schallende Ohrfeige in das Gesicht einer Schurkengesellschaft (...).“ Ab 1907 nahm die Reederei F. Laeisz Fahrten nach der deutschen Kolonie Kamerun auf. 1912 gründete der Firmenpartner Paul Ganssauge im Kontorhaus Laeiszhof an der Trostbrücke die Afrikanische Frucht-Compagnie (A.F.C.), die große Bananenplantagen am Kamerunberg aufkaufte. Ab 1914 importierte die A.F.C. auf zwei mit modernen Kühlanlagen ausgerüsteten Dampfschiffen die „deutsche Kamerun-Banane“ nach Hamburg. Auch hier unterbrach der Erste Weltkrieg die Fahrten, und der als Bananendampfer gebaute Pungo wurde zum Hilfskreuzer Möwe umgerüstet und für Kampfhandlungen in Ostafrika eingesetzt. 1925 erlaubte die Siegermacht Großbritannien den deutschen Gesellschaften den Rückkauf der Bananenplantagen. 1929 begann der Bau einer eigenen Bananenflotte, 1930 wurden die Reederei F. Laeisz, die A.F.C. und die firmeneigene Westafrikanische Pflanzungsgesellschaft Bibundi WAPB in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 1939 importierte das Unternehmen 3,6 Millionen Büschel Bananen; etwa 35 Prozent wurden mit den Schiffen derA.F.C. aus Kamerun verschifft. 1940 unterbrach der Zweite Weltkrieg das einträgliche Kolonialgeschäft. Sohn Willi Ganssauge unterstützte NS-kolonialinteressierte Ämter in Hamburg. Nach der Okkupation Frankreichs hatte Ganssauge schon die Einverleibung der französischen Unternehmen in Kamerun vor Augen. Ab 1945 baute er die zerbombte Firma in Hamburg und die überseeischen Pflanzungen wieder auf. Die A.F.C. importiert heute die Banane der Marke „Onkel Tuca“ aus Südamerika. 1999 übernahm die Familie Schües alle Gesellschaftsanteile der Reederei F. Laeisz. 2003 ging das erste Bananenvollcontainerschiff der Welt vom Stapel. Insgesamt hat die Reederei F. Laeisz in ihrer hundertjährigen Geschichte 86 Segelschiffe (Flying-P-Linie) sowie 90 Dampf- und Motorschiffe betrieben. Ferdinand Laeisz war lange Zeit Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft und ab 1871 mehrmals ihr Alterspräsident. Wie so viele Hamburger Kaufleute, die im Kolonialgeschäft reich geworden waren, spendete auch Laeisz für wohltätige Zwecke: für das Schiffsrettungswesen und 1860 für den Bau eines Armenstifts an der Straße, die ein Jahr später nach ihm benannt wurde. Carl Heinrich Laeisz verfügte in seinem Testament die Stiftung von 1,2 Millionen Mark für den Bau der Laeiszhalle (Musikhalle Hamburg), seine Witwe Sophie Laeisz stockte die Spende auf zwei Millionen Mark auf.
Text: HMJokinen, Mitarbeit: Frauke Steinhäuser
Frauen der Familie Laeisz
Ferdinand Laeisz war seit 1826 verheiratet mit Johanna Ulrike Catharina Creutzburg (1806-1889), Tochter des Hutmachers Nicolaus Carl Heinrich Creutzburg und seiner Frau Magdalena Schüll. Das Paar, das in der Auguststraße 15 auf der Uhlenhorst lebte, bekam einen Sohn: Carl Heinrich.
Frauen aus den Gesellschaftskreisen des sogenannten gehobenen Bürgertums hatten oft die gesellschaftliche Verpflichtung, sich karitativ zu betätigen. Frau Laeisz „gründete 1890 den Laeisz’schen Frauenverein, in dem reiche Uhlenhorster Frauen für Wöchnerinnen kochten, Konfirmanden einkleideten und Weihnachtsbescherungen durchführten, um so ihren bedrängten Mitbürgern zu helfen,“ 1) schreibt Henny Wiepking in ihrem Buch „Uhlenhorst in vier Jahrhunderten“. Die Fragen nach den Ursachen von Armut und Reichtum wurden dabei außen vor gelassen.
Carl Heinrich Laeisz (1828-1901) war seit 1852 mit Sophie Christine, geb. Knöhr (30.6.1831 Hamburg – 2.2.1912 Hamburg) verheiratet, Tochter eines Schiffsmaklers. Wegen ihrer krausen Haare wurde sie Pudel genannt. Später wurde sogar auf einem Giebel des 1897/98 erbauten Kontorhauses, des „Laeiszhofes“ an der Trostbrücke 1, die Figur eines Pudels gesetzt. Auch begannen die Namen aller 84 Laeisz-Segler mit dem Buchstaben „P“ (Flying-P-Liners).
Und auch das erste Segelschiff von Ferdinand Laeisz, das 1856 in der Hamburger Stülcken-Werft vom Stapel lief, ließ Ferdinand Laeiz nach seiner Schwiegertochter benennen.
Sophie Laeisz bekam mit ihrem Mann Carl Heinrich den Sohn: Carl Ferdinand (1853-1900). Dieser heiratete Clementine, geb. Klée (1861-1890), Tochter des Kaufmanns Rudolf Klée und Clementine, geb. Walte. Das Paar bekam zwei Söhne, die nach dem Tod der Eltern von der Großmutter Sophie Laeisz aufgezogen wurden. Ein Jahr nach dem Tod des Sohnes verstarb auch Sophie Laeszs Ehemann. Sophie Laeisz wurde Inhaberin der Firma F. Laeisz.
Bis zum Tod ihres Mannes hatte Sophie L. mit ihm am Neuen Jungfernstieg gewohnt und im Sommer am Harvestehuder Weg. Nachdem sie Witwe geworden war, ließ sie sich als Altersruhesitz eine Villa am Harvestehuder Weg 8a bauen. Dort wohnte sie im Erdgeschoss und ihre Enkel teilten sich das Obergeschoss. Sophie Laeisz beschäftigte eine Gesellschafterin, die ihr bei der Erziehung der Enkel half. Diese Frau hieß Ida Neubauer. Sie hatte einst im Frauenchor von Brahms gesungen (siehe: Brahmsallee).
Kurz vor dem Tod des Gatten war 1901 die Sophie-Laeisz-Stiftung gegründet worden, deren Vorsitzende Sophie Laeisz bis zu ihrem Tod war. Der Zweck der Stiftung bestand in der Unterhaltung und Fortführung des F.-Laeisz-Stiftes. Hierbei handelte es sich um ein Wohnstift für ca. 90 Menschen, die durch unverschuldetes Unglück in Bedrängnis geraten waren.
Carl Laeisz und seine Frau hatten außerdem testamentarisch eine Summe von 1.200.000 Mark für eine Art Denkmalsetzung, den Bau der Hamburger Musikhalle, bestimmt. Der Bau erforderte aber weitaus höhere Summen, die Sophie Laeisz nach dem Tode ihres Mannes großzügig nachbewilligte.
Darüber hinaus war sie auch im Frauenhilfsverein tätig und erhielt dafür 1871 das Eiserne Kreuz für Frauen. Über das soziale Engagement der Laeisz‘ schreibt Johannes Gerhardt: „Es bleibt festzuhalten, dass Ferdinand, Carl und Sophie Laeisz – ganz typisch für in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geborene Angehörige des Wirtschaftsbürgertums – soziales Elend nicht als strukturelles, sondern als privates Problem aufgefasst haben. Deshalb setzten sie sich für eigeninitiatives Handeln vermögender Privatpersonen ein. Die Schutzbedürftigkeit der Betroffenen sahen sie dementsprechend in erster Linie als eine individuelle im Rahmen der Armenfürsorge.“ 2)
Text: Dr. Rita Bake