Hünefeldstraße
Tonndorf (1933): Günther Freiherr von Hünefeld (1.5.1892 Königsberg – 5.2.1929 Berlin), Flugpionier.
Siehe auch: Kronprinzenstraße
Laut Hamburger Adressbuch von 1934 1) wurde die Hünefeldstraße nicht vor 1933, 2) wie Beckershaus in seinem Buch über die Hamburger Straßennamen schreibt, sondern 1933 nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten benannt.
Vor 1933 hieß die Straße Erzbergerstraße, nach Matthias Erzberger (1875-1921), Zentrumspolitiker und Reichstagsabgeordneter, der von seinen politischen Gegnern ermordet wurde.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde 1945 in Ottensen eine Straße nach Erzberger benannt (siehe: Erzbergerstraße). Die Hünefeldstraße verblieb.
Günther Freiherr von Hünefeld war der Sohn der ledigen Elisabeth Lachmann und des preußischen Majors Julius von Hünefeld. Er blieb zeit seines kurzen Lebens ledig und hatte offenbar auch keine Kinder.
In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über den Lebensweg von Günther Freiherr von Hünefeld u. a.: „Das kurze Leben H.s war überschattet von ständigem Kampf gegen Krankheiten. Gerade deshalb beseelten ihn Tatendrang und Wagemut.“3)
Hünefeld war von Geburt auf dem linken Auge blind. Später konnte er auf dem rechten Auge nur mit Hilfe eines Monokels sehen.
Im Alter von 14 Jahren wurde er schwer krank. „Wegen einer Nephritis musste er mehrfach den Schulbesuch aussetzen und ging schließlich vorzeitig vom Gymnasium ab. Nach Privatunterricht absolvierte er dann noch die Primareife und hoffte, mit diesem Abschluss später Philosophie studieren oder einen Doktorgrad erlangen zu können.“ 4)
In der Neuen Deutschen Biographie heißt es: „In der Auseinandersetzung mit seinem Schicksal entfalteten sich seine dichterische Begabung und sein Leistungswille. Nach einigen philosophisch-literarischen Studien an der Universität Berlin widmete er sich zunächst schriftstellerischen und künstlerischen Tätigkeiten. Daneben begeisterte ihn die Fliegerei.“ 5)
Ausführlicher steht dazu in Wikipedia: „In den Morgenstunden begeisterte er sich für die Fliegerei auf dem Flugplatz Johannisthal bei Berlin, auf dem viele der Flugpioniere der ersten Stunde ihre Werkstätten hatten und wo er auch eine erste fliegerische Ausbildung erhielt. (…). Tagsüber besuchte er dann an der Berliner Universität Vorlesungen in Philosophie und Literaturgeschichte oder arbeitete als Dramaturg bei einem Bühnenverlag. Die Abendstunden und Nächte verbrachte er mit Flieger- und Literatenfreunden zumeist im Café Größenwahn am Kurfürstendamm, damals der zentrale literarische Treffpunkt der Stadt. (…). Hünefeld sah sich zu dieser Zeit als Teil der Bohème und führte trotz seiner angeschlagenen Gesundheit ein exzessives Leben, das ihm den Beinamen ‚Der tolle Baron‘ einbrachte. Über seinen damaligen Lebenswandel schrieb er: ‚Wir fliegen! Morgen für Morgen in Johannisthal. Der Schlaf der Nächte? Wer jung ist, braucht keinen Schlaf. Und die Arbeit des Tages – wozu gibt es Zigaretten?; sie halten wach.‘“6)
Gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs meldete sich von Hünefeld als Kriegsfreiwilliger, wurde aber wegen seines gesundheitlichen Zustandes ausgemustert. Daraufhin wurde Hünefeld Mitglied eines Freiwilligen-Kraftfahrerkorps, das „jeden Nicht-Militärpflichtigen mit eigenem Kraftrad [auf]nahm“7) Hünefeld „lieh (…) sich kurzentschlossen ein Motorrad, absolvierte binnen fünf Tagen in Eilkursen den Führerschein und zog als Kradmelder Ende August 1914 an die Westfront. Hünefeld zeichnete sich durch einige gewagte Fahrten aus und kam bei der raschen Auflösung des Freiwilligen-Korps in Offiziersstellung ohne bestimmten Rang zum Stab der Marinedivision bei Mechelen. Dort wurde er bei einer Meldefahrt am 30. September 1914 durch Schrapnelle schwer verwundet. Verletzungen an beiden Beinen fesselten den jungen Mann beinahe ein Jahr ans Bett und führten zu einer bleibenden Gehbehinderung, da sein rechtes Bein um vier Zentimeter verkürzt war.“8) Später ließ er sich aus dem längeren Bein ein Stück Knochen entfernen, um somit seine Gehbehinderung zu mildern. Das Stück Knochen diente ihm als Knauf seines Gehstockes.
Nun nicht mehr als Kradfahrer eingesetzt, „leitete er für eine Hilfsorganisation die Aufführung eines Theaterstücks zu Gunsten von türkischen Kriegsblinden. Über diesen Auftrag (…) kam er in Kontakt mit dem Auswärtigen Amt, das ihn zu diplomatischen Missionen (…)“ 9) im kulturellen Bereich verpflichtete.
Dazu heißt es in der Neuen Deutschen Biographie: „Dank seiner natürlichen Geschicklichkeit im Umgang mit fremden Völkern erledigte er die Aufgaben des Auswärtigen Amts so gut, daß er 1916 als Vizekonsul nach Maastricht berufen wurde.“10)
Als dann Kaiser Wilhelm II. abdanken musste und der mit Hünefeld befreundete Kronprinz ( siehe: Kronprinzenstraße) 1918 ins niederländische Exil ging, legte der kaisertreue Hünefeld „sein Amt nieder. Er blieb anderthalb Jahre beim Kronprinzen in Holland im Pfarrhaus von Wieringen auf einer Insel im Wieringermeer. Von dort veröffentlichte er seinen Gedichtband Insel der Verbannung sowie Aufsätze zu politischen Themen in verschiedenen Zeitungen.“11) 1920 kehrte er nach Deutschland zurück und ließ sich in Bremen nieder. Dort arbeitete er zuerst in der Finanzverwaltung. Schon 1923 wurde er Presse- und Propagandachef des Norddeutschen Lloyd. „Hünefeld stand in Kontakt zu vielen wichtigen Entwicklern und Entscheidungsträgern des damaligen Verkehrswesens und der Luftfahrt. Seinem Arbeitstempo und seinem Auftreten in der Gesellschaft soll es nicht anzumerken gewesen sein, dass er seit 1925 an Magenkrebs litt, was zahlreiche Operationen nach sich zog, bei denen u. a. die Hälfte seines Magens entfernt wurde. Gleichwohl hat er diese Erfahrungen in weiteren Gedichten verarbeitet. Er war sich bewusst, dass er dem Krebsleiden schließlich erliegen musste.“ 12)
Hünefeld glaubte an einen Ausbau und an eine Steigerung der Langstreckenflüge. Von West nach Ost war der Nordatlantik schon überflogen worden – doch von Ost nach West – auf der meteorologisch schwierigeren Strecke - war der Nordatlantik mit Motorflugzeugen noch nicht bezwungen worden. Hünefeld hatte die Idee, solch einen Verkehrsweg zwischen Europa und Amerika zu installieren. Dazu in der Neuen Deutschen Biographie: „Durch Wagemut und Organisationstalent gelang ihm die Vorbereitung des ersten Nordatlantikflugs von Osten nach Westen. Als der eigentliche geistige Initiator führte er ihn zusammen mit dem Nachtflugleiter der Deutschen Lufthansa, Hermann Köhl, und dem irischen Fliegeroffizier James Fitzmaurice (1898–1965) vom 12. - 13.4.1928 durch. Die einmotorige Junkers W 33 ‚Bremen‘ benötigte für diesen historischen Flug auf der Strecke von Baldonnel (Irland) nach Greenly Island (Labrador) 36 ½ Stunden.“ 13) Ihr Ziel: New York verfehlten sie um 1.600 km, denn sie landeten auf einem gefrorenen Teich auf Greeny Island. Dennoch: sie hatten es geschafft, den Nordatlantik in westlicher Richtung zu überfliegen.
Noch einen weiteren Luftweg probierte Hünefeld aus – und zwar den Luftweg nach Osten. Am 19.9.1928 startete er, nachdem er eine schwere Krankheit überstanden hatte, „mit dem schwedischen Flieger Lindner auf der ‚Europa‘ über Sofia - Bagdad - Kalkutta und die gewaltigen Höhen des noch nie überflogenen Shangegebirges nach Tokia. Davor und danach widmete er sich verstärkt der schriftstellerischen Arbeit.
Fünf Monate später stirbt Ehrenfried Freiherr von Hünefeld am 5. Februar 1929 in Berlin im Alter von 36 Jahren nach einer erneuten Operation an Krebs.“ 14)