Justus-Brinckmann-Straße
Bergedorf (1947). Justus Brinckmann (23.5.1843 Hamburg – 8.2.1915 Hamburg), Direktor und Gründer des Museums für Kunst und Gewerbe.
Siehe auch: Chrysanderstraße
Siehe auch: Eckmannsweg
Vor 1947 hieß die Straße Hindenburgstraße. Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Justus-Brinckmann-Straße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1947 bei HIndenburgstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg: 133-1 II, 38. Anlage 2. Große Umbenennung von 1938. Die neu vorgeschlagenen Straßennamen nach Stadtteilen geordnet unter Angabe der verwendeten Benennungsmotive)

In der Online-Version der Bergedorf Chronik heißt es zur Straßennamensentwicklung der Justus-Brinckmann-Straße: „Prof. Dr. Justus Brinckmann war längjähriger Bürger Bergedorfs. Interessant ist der Namenswechsel dieser Straße, die von der Holtenklinker Straße bis zum Doktorberg (früher Hohler Weg) führt. 1912 erhielt der alte Fußweg unterhalb des Allgemeinen Krankenhauses den amtlichen Namen Jungfernstieg. 1930 hieß sie Friedrich-Ebert-Straße bis zur August-Bebel-Straße und die Verlängerung Rathenaustraße (der Name Friedrich-Ebert-Straße wurde später in Hindenburgstraße umgetauft). Am 23.9.1947 erhielt jetzt der ganze Straßenzug den einen Namen ‚Justus-Brinckmann-Straße‘“.1)
Justus Brinckmanns Vater, ein Hamburger Anwalt und Heidelberger Privatdozent, starb, als Justus Brinckmann knapp zwölf Jahre alt war. „In den für ihn entscheidenden Jahren wuchs er unter der Obhut seiner Mutter Mary [geb. Justus, 1814–1865] in wohlhabenden Verhältnissen auf, und er teilte schnell die Passion seiner Mutter für die Natur. Sie äußerte sich in einem wahren Sammeltrieb, der über gängige knabenhafte Neigungen bald hinausführte, gerichtet auf das für ihn Erreichbare an Insekten, Muscheln und Steinen,“ 2) berichtet Heinz Spielmann in seinem Porträt über Justus Brinckmann.
1866 verlobte sich Brinckmann mit der Südtirolerin Ida Laura Anna Marie von Froschauer (1841–1872). 1868 heiratete das Paar. Damals war Brinckmann als Anwalt - er hatte Jura studiert – zugelassen. Doch er war von der Idee besessen, ein Museum für Kunst und Industrie zu gründen. Heinz Spielmann schreibt: „Auch nach seiner Heirat im März 1868 mit Ida von Froschauer wurde Brinckmanns Leben in erster Linie von der Identifikation mit seinem Museum bestimmt. Persönliches trat in den Hintergrund, Privates gelangte selten in die Öffentlichkeit. Das Glück seiner Ehe begleitete die hoffnungsvollen Jahre, in denen der Ausbau der Sammlungen erste Fortschritte machte. Mit seiner Frau hatte er drei Kinder: die 1869 geborene und später als Textillehrerin erfolgreiche Tochter Maria [1869-1936, Lehrerin für Stickerei und Weberei an der Kunstgewerbeschule/Kunsthochschule am Lerchenfeld in Hamburg, unverheiratet und kinderlos, R. B.], den 1871 auf die Welt gekommenen und später als Anwalt und Vizepräsident der Hamburger Bürgerschaft tätigen Wolfgang [1871-1930] sowie die zum Teil ebenfalls als Textilkünstlerin arbeitende 1872 geborene Ida. Bei der Geburt des dritten Kindes starb Brinckmanns Frau. Entschlossen, seiner Familie ein geordnetes Leben zu erhalten, heiratete er deren jüngeren Schwester Maria [Maria Pia Adele von Froschauer, 1848–1899]. Auch mit ihr hatte er Kinder. Zwei Jungen und zwei Mädchen, jedoch blieb das Verhältnis zu seiner zweiten Frau nicht ungetrübt, wie die Entwicklung der neunziger Jahre zeigen sollte. Ungewöhnlich war die Toleranz Brickmanns und seiner Frauen in religiösen Fragen, die beiden Schwestern kamen aus einem katholischen Haus, Man fand für die kirchlichen Bindungen eine nicht selbstverständliche Lösung: Die Mädchen wurden katholisch, die Knaben evangelisch erzogen.
Wie weit privates Umfeld und Museumsinteressen auch das Familienleben bestimmten, wie wenig sie voneinander zu trennen waren, zeigte sich daran, daß Justus Brinckmann seine Töchter Maria, Ida und Carlotta zu aktiven Textilkünstlerinnen ausbilden ließ und daß einer seiner Söhne, der 1877 geborene Albert, bereits um die Jahrhundertwende das Kestner-Museum in Hannover leiten sollte.“ 3)

Und weiter schreibt Spielmann über das Eheleben von Justus Brickmann und Maria: „Aus keinem der zwischen den achtziger Jahren und der Jahrhundertwende geschriebenen Berichten Brinckmanns ist zu spüren, daß seine privaten Verhältnisse während dieser Zeit in eine Krise geraten waren. Das Verhältnis zu seiner zweiten Frau Maria verschlechterte sich nach der Geburt der Tochter Okara und nach dem Tod ihres Zwillingsbruders im Jahre 1882, führte jedoch erst dann zu einem Bruch, als er während einer Reise die an seine Frau und seine Geliebte adressierten Briefe verwechselte. Auf diese Weise erfuhr Maria Brinckmann, daß er mit der 1862 geborenen dänischen Malerin Henriette Hahn (12.9.1862 Kopenhagen – 2.4.1934 Hamburg Bergedorf) ein gemeinsames Kind, ein Mädchen hatte. Die Tochter Stefanie war 1893 in Paris zur Welt gekommen, wo damals Henriette Hahn lebte und wirkte. Brinckmann hatte seiner Ehefrau das Liebesverhältnis zu Henriette Hahn verschwiegen und nur von der Zusammenarbeit mit der Malerin bei der Edition seines 1897 erschienenen Buches über den berühmten japanischen Keramikkünstler Kenzan Ogata gesprochen“ 4).
Henriette Hahn war die Tochter des Segelschiffkapitäns Christian Heinrich Carl Hahn (1837–1889) und der Caroline Wilhelmine, geb. Nielsen (1839–1933). Nach dem Besuch der Tegneskolen for Kvinder (Zeichenschule für Frauen), wo Henriette Hahn 1885/86 selbst Zeichenunterricht gab, war sie 1887 nach Hamburg gezogen, wo sie bis 1872 als Zeichenlehrerin an der Gewerbeschule für Mädchen tätig wurde. Zwischen 1892 und 1894 weilte sie zu Studienzwecken in Dresden und Paris. 1894 zog sie zurück nach Hamburg, um hier als freischaffende Künstlerin wirken zu können. 1896 eröffnete sie ein Atelier für Zeichenunterricht. Sie malte Miniaturen auf Elfenbein und bekam u. a. Aufträge vom Museum für Kunst und Gewerbe. Auch fertigte sie Entwürfe für Wandteppiche für die Scherrebeker Kunstwebschule und Illustrationen für Museumspublikationen sowie Farbholzschnitte an. 1900 und 1902 erhielt sie auf den Weltausstellungen in Paris und Turin Medaillen.
Nach dem Tod von Justus Brinckmanns zweiter Ehefrau, die 1899 verstarb, heirateten Henriette Hahn und Justus Brinckmann 1901 und zogen nach Bergedorf an den Reinbeker Weg 56. Das Paar bekam im Laufe seiner Ehe vier Kinder.
Zu Beginn ihrer Ehe beteiligte sich Henriette Hahn-Brinckmann: „etwa durch die Herstellung von Fayencefliesen mit Vierländer Motiven für ein neu errichtetes Vierländer Haus, das Brinckmann als Hamburgs Beitrag zur 3. Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung 1906 in Dresden präsentierte, nochmals am öffentlichen Kunstleben. Doch war sie bis zu Brinckmanns Tod (1915) nur noch selten, etwa mit Portraits von Familienangehörigen, künstlerisch tätig“,5) heißt es im Bergedorfer Personen Lexikon. Was war die Ursache für Henriette Hahn-Brinckmanns künstlerische Abstinenz? Kurz nachdem Justus Brinckmann und Henriette Hahn geheiratet hatten, verbot der Ehegatte seiner Frau weiterhin künstlerisch tätig zu sein. Er vertrat, wie viele Männer seiner Zeit, die Vorstellung, dass Frauen zwar im Kunsthandwerk, doch nicht in der Kunst wirken sollten. Die Kunst sollte den Männern vorbehalten bleiben. Henriette Hahn malte jedoch heimlich weiter und nahm nach Brinckmanns Tod im Jahre 1915 ihre Tätigkeit als Malerin wieder auf (Miniaturenmalerei und Farbholzschnitte).