Kaulbachstraße
Groß Flottbek (1910): Wilhelm von Kaulbach (15.10.1804 Arolsen -7.4.1874 München), Maler.
Siehe auch: Corneliusstraße
Die Kunsthistorikerin Sigrun Paas schreibt über Kaulbachs Kunst, indem sie sein Bild „Wer kauft Liebesgötter?“ (Bleistift und Feder) interpretiert, wobei diese Interpretation viel über Kaulbach Einstellung zu Frauen aussagt: „Die aus der Antike überlieferten Venusfeste hat Kaulbach zum Vorwand einer typischen ‚Männerphantasie‘ genommen. Als Satire verkleidet, anspielend auf die zahlreichen erotischen Szenen der Kunst des Rokoko, täuscht der sexuelle Libertinismus des Blattes, der Frauen in allen möglichen Koitus-Positionen zeigt, doch nicht über die zutiefst konventionelle Haltung des Idealisten Kaulbach hinweg: Die Hingabe der Frauen an den antiken Gott Priapus, oder an das, was als seine Verkörperung angesehen wurde (…), kritisiert die angeblich sexuelle Unersättlichkeit des Weibes. Die flatternden Liebesgötter, ein Konzentrat des männlichen Potenz-Gebarens, geben wegen ihrer Kleinheit dem Betrachter die Chance, ‚genauer‘ zuzusehen. Nicht zuletzt bezieht das Blatt seine Pikanterie aus dem Widerspruch zwischen ‚hohem‘ klassizistischem Stil und den ‚niederen‘ pornographischen Motiven. Entgegen der naiven Sinnenfreudigkeit des Altertums (angeblich opferten die Römerinnen öffentlich an allen möglichen Altären dem Fruchtbarkeitsgott), scheinen in Kaulbachs Zeichnung (Männer)Ängste ausgedrückt: Der Orgasmus wird als individuelles Erlebnis der Frau dargestellt, der erotische Alleingang der Frauen wird nicht, wie in der Antike, mit einer kultischen Handlung begründet, sondern allein mit Lüsternheit (und Geschäftstüchtigkeit: die Händlerin). Der Mann bleibt ausgespart, Zeichen einer erotischen Entfremdung zwischen den Geschlechtern.
In der bürgerlichen Ideologie des 19. Jahrhunderts, die die Frauen in Kategorien wie Heilige oder Hure spaltete, wird die männliche Wahrnehmung nach diesem Klischee ausgerichtet, ebenso aber die weibliche Verhaltensweise: die eine durfte nicht, was die andere sollte. Diese Spaltung der Frau entsprach dem kapitalistischen System der Arbeitsteilung, die ‚Spezialisierung‘ hatte die Einschränkung und verschärfte Ausbeutung der Frau zur Folge. Gerade in der Kunst der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts findet solch doppelte Moral ihren Niederschlag. ‚Bordellgeruch‘ spürte Fuchs (…) auch in den Werken Wilhelm von Kaulbachs und seiner Schüler: Hier ‚entstand geradezu klassisch jene bürgerliche Wohlanständigkeit, die offiziell den höchsten Tugenden und den ‚ewigen Idealen‘ dient, sich aber im Hinterzimmer wiehernd mit Zötchen rächt.‘“ 1)
Wilhelm von Kaulbach trat in die Fußstapften seines Vaters und wurde ebenfalls Maler. Während der Vater Philipp Karl Friedrich Kaulbach (1775–1846) das Metier nicht erlernt hatte, sondern von Beruf Goldschmied und Stempelschneider war, der sich selbst Kupferstich und Ölmalerei beigebracht hatte und sich verkannt fühlte und Geld hauptsächlich mit Gelegenheitsarbeiten und privatem Zeichenunterricht verdiente, so dass die Familie meist in Armut lebte, studierte der Sohn Wilhelm Kaulbach ab 1822 bei Peter von Cornelius (siehe: Corneliusstraße) an der Düsseldorfer Akademie.
Zuvor war Wilhelm Kaulbach von seinem Vater, der mit Therese Engelbracht verheiratet war, in Kunst unterrichtet worden.
In der Neuen Deutschen Biographie schreibt Otto Zirk über Kaulbachs weiteren beruflichen Werdegang: „Bereits 1823 erhielt er ein Stipendium (…). Cornelius förderte ihn in jeder Weise. Als K. wegen eines Streits mit einem Studienkollegen Düsseldorf verlassen mußte, folgte er Cornelius nach München, wo ihn dieser an den Fresken im Odeon und in den Hofgartenarkaden mitarbeiten ließ. Freskenaufträge für das Herzog-Max-Palais und die Residenz folgten.“ 2)
1831 heiratete Kaulbach die Münchner Kaufmannstochter Josefine Sutner (1809– 3.4.1896 München). Das Paar bekam vier Kinder.
Kaulbach galt als „nationalliberal, christlich und entschieden antiklerikal, was ihm den Bruch mit Jugendfreunden wie Clemens Brentano [siehe: Brentanostraße] und heftigste Polemik von kirchentreuen Kreisen beschert. Brentano soll den freundschaftlichen Zugang zu Kaulbachs Haus missbraucht haben, um Kaulbachs Ehefrau von ihm weg und zurück auf den Weg der katholischen Tugend zu führen.“3)
Vier Jahre nach der Hochzeit unternahm Kaulbach eine Reise nach Venedig: „Die erste Italienreise nach Venedig 1835 stellte eine entscheidende Weiche für K.s fernere Entwicklung: Statt für die großen italienischen Meister begeisterte er sich für die italienische Landschaft und brachte Zeichnungen und Skizzen von lebendiger Naturtreue mit, die sein eigentliches Talent deutlich verrieten. Aber Cornelius lehnte diese Art künstlerischer Weltbetrachtung strikt ab, und K., ihn verehrend und zu Dankbarkeit verpflichtet, folgte seinem Rat, bei der von klassizistischen Idealen getragenen Monumentalkunst zu bleiben. Im Auftrag von Graf Raczynski, seines späteren Förderers und Bewunderers, entstand 1834-37 die ‚Hunnenschlacht‘ (circa 5,5 x 6, 5 m; Posen, Muzeum Narodowe), die K.s Ruhm begründete. (…).“ 4)
1836 wurde Kaulbach Vater einer Tochter. Ein Jahr später „wurde K. von Ludwig I. von Bayern zum Hofmaler ernannt. Es begann sein kometenhafter Aufstieg zu einem der berühmtesten Maler seiner Zeit. 1838/39 lebte er in Rom. 1841 schloß der Verleger Cotta in Stuttgart einen Vertrag mit K. über Illustrationen zu Goethes ‚Reineke Fuchs‘. Damit war K. wieder in seinem eigentlichen Element. Er hat auch später als Zeichner und Illustrator mehr geleistet als in seiner Malerei, (…). Die weite Verbreitung durch den Druck sowie weitere Aufträge für Monumentalwerke sicherten ihm hohe Einnahmen. Schon 1844 konnte K. eine große Villa in der Münchener Gartenstraße, der heutigen Kaulbachstraße, errichten.“5)
1846 wurde Kaulbach Vater eines Sohnes, der später ebenfalls Maler wurde.
Kaulbach bekam mehrere Aufträge von König Ludwig I. und König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. „Trotz K.s Ruhm erhoben sich schon damals Stimmen, die die Theatralik und die Farbgebung seiner Monumentalmalerei rügten.
1849 wurde K. Direktor der Münchener Akademie. (…) Als großer Zeichner, der die visuellen Erscheinungsformen der Wirklichkeit im Griff hatte, war K. auch ein guter Porträtist. (…)“6)
1851 kam eine weitere Tochter auf die Welt. Die Geburtsdaten der dritten Tochter stehen nicht fest.