Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Lassallestraße

Harburg (1945): Ferdinand Lassalle (11.4.1825 Breslau – 31.8.1864 Carouge), Publizist, Politiker, Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins.“


Siehe auch: Theodor-Yorck-Straße
Siehe auch: Geibweg

1875 wurde diese Straße in Zweite Wilstorfer Straße benannt, 1927 dann umbenannt in Lasallestraße. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurde sie wieder umbenannt, diesmal in Schlageterstraße. „Albert Leo Schlageter (* 12. August 1894 in Schönau im Schwarzwald (Baden); † 26. Mai 1923 auf der Golzheimer Heide, Düsseldorf) war Soldat im Ersten Weltkrieg und Angehöriger verschiedener Freikorps. Schlageter war Mitglied der NSDAP-Tarnorganisation Großdeutsche Arbeiterpartei. Während der französisch-belgischen Ruhrbesetzung war er militanter Aktivist und wurde wegen Spionage und mehrerer Sprengstoffanschläge von einem französischen Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Schlageter wurde in der Weimarer Republik nach seiner Hinrichtung nicht nur von rechten Kreisen zur Märtyrerfigur erhoben, sondern erfuhr ‚über Parteigrenzen hinweg‘ erhebliche Sympathien. Die NS-Propaganda machte aus Schlageter den ‚ersten Soldaten des Dritten Reiches‘ und begründete einen ‚Schlageter-Kult‘. Nach 1945 beschränken sich Ehrungen Schlageters auf den rechten Rand des politischen Spektrums. Schlageters heutige Rezeption in der Öffentlichkeit wird durch ‚Desinteresse und Despekt‘ bestimmt.“ 1)
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde die Straße rückbenannt in Lassellestraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).

1665 Stamps of Germany Brd 1964 Lassalle
Briefmarke 1964 der Deutschen Bundespost; Quelle: via Wikimedia Commons

Zur Vita von Ferdinand Lassalle:
„Als Hauptinitiator und Präsident der ersten sozialdemokratischen Parteiorganisation im deutschen Sprachraum, des 1863 gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV), zählt er zu den Gründervätern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), die 26 Jahre nach seinem Tod aus der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) hervorging. Die SAP ihrerseits war aus der Fusion des ADAV und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) entstanden.

Lassalles Idee des Sozialismus war genossenschaftlich und preußisch-nationalstaatlich orientiert. Damit geriet er in einen Gegensatz zu der von Karl Marx und Friedrich Engels dominierten Lehre, die revolutionär und internationalistisch ausgerichtet war. Noch zu Lassalles Lebzeiten führte dieser Konflikt zu Zerwürfnissen innerhalb des ADAV und wenige Jahre nach seinem Tod zur Aufteilung der deutschen Sozialdemokratie in zwei Richtungen und Parteien. Die Spaltung in ‚Lassalleaner‘ (ADAV bzw. LADAV) und ‚Eisenacher‘“ (SDAP) konnte 1875 beim gemeinsamen Parteikongress in Gotha durch den Zusammenschluss zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) zumindest organisatorisch überwunden werden.“ 2)

Über Lasalles Herkunft heißt es in Wikipedia: „Ferdinand Lassalle war Sohn des wohlhabenden jüdischen Seidenhändlers Heymann Lassal (… 1791–1862). Seine Mutter war Rosalie Lassal, geb. Heizfeld (* 8. Mai 1797; † 13. Februar 1870). (…).

Lassalles kämpferische Grundeinstellung lässt sich an Handlungen des kindlichen und jugendlichen Ferdinands erkennen: Schon als 12-Jähriger forderte er einen Nebenbuhler um die Gunst eines 14-jährigen Mädchens schriftlich zu einem Duell; dasselbe Verhalten führte 27 Jahre später zu seinem Tod.“ 3)[

Bevor Lassalle, sein letztes Duell wegen einer Frau führte, hatte er einen bewegten Bildungsweg hinter sich gebracht: Er „verließ die Handelsschule vorzeitig, weil es ihm nicht genügte, sein Leben einzig und allein dem Handel zu widmen. Er wolle sich mit intellektuelleren Dingen beschäftigen und diese studieren. Mit dieser Motivation beschloss er am 26. August 1840, Schriftsteller zu werden und sich für die Freiheit und Rechte der Menschen und der Völker einzusetzen. 1843 legte er in Breslau die Reifeprüfung ab. Er kehrte gegen den Willen des Vaters ins Elternhaus zurück (für den Geist der damaligen Zeit ungewöhnlich) und versteckte sich mit der Deckung von Mutter und Schwester in einem Dachstübchen. Dort studierte er die Texte, die er brauchte, um das Examen zu bestehen, damit er sich an der Universität Breslau bzw. später in Berlin (…) für die Fächer Geschichte, Archäologie, Philosophie und Philologie einschreiben konnte. Er bestand dieses Examen und präsentierte nun seinem Vater das Ergebnis. Der gab daraufhin, wenn auch widerwillig, sein Einverständnis zum Universitätsstudium. Er war in Sorge, sein Sohn könne sich mit diesen Studien nicht ernähren.“ 4)

1665 Sophie Von Hatzfeldt
Porträt der Gräfin Sophie von Hatzfeld, nach einer retuschierten Fotografie (etwa 1860/61); Quelle: via Wikimedia Commons

Im Alter von zwanzig Jahren lernte Lassalle 1844 die damals 39-jährige Sophie Josephine Ernestine Friederike Wilhelmine Gräfin von Hatzfeldt-Wildenburg-Schönstein, geb. Gräfin von Hatzfeldt-Trachenberg (10.8.1805 Trachenberg – 25.1.1881 Wiesbaden) kennen. Sie war ebenso wie Lassalle Sozialistin. 1822 war sie mit ihrem gewalttätigen Cousin zwangsverheiratet worden. Damit erhofften sich die Eltern, dass die damals bestehenden Familienstreitigkeiten zwischen den Linien Hatzfeldt-Trachenberg und Hatzfeldt-Wildenburg beendet würden. Doch der Ehemann, so Astrid Künzler in ihrem Porträt über Sophie von Hatzfeldt, „verbot ihr oft den Ausgang, entzog ihr sämtliche Finanzen und wurde sogar körperlich tätlich. Sophie verbrachte auf diese Weise viele einsame Jahre auf Schloss Kalkum. Einziger Trost waren ihre drei Kinder Alfred (1825-1911), Melanie (1828-1901) und Paul (1831-1901), die ihr von Edmund jedoch zunehmend entfremdet wurden. Den Demütigungen entfloh Sophie, wann immer es möglich war, in Reisen und Liebesabenteuer. Seit 1833 lebte sie faktisch von ihrem Mann getrennt. Es folgten mehrere so genannte ‚Versöhnungsversuche‘, die hauptsächlich Sophie dazu verpflichten sollten, sich standesgemäß zu verhalten und nicht gegen ihre Ehe aufzubegehren. Sophies Verhalten war eine Auflehnung gegen die Moralvorstellungen des Adelsstandes, die ihr vorschrieben, sich in ihre Ehe zu fügen. Sie pochte darauf, als Frau eine eigenständige Persönlichkeit mit eigenen Rechten zu sein; eine zu Beginn des 19. Jahrhunderts unerhörte Forderung.“ 5) Glücklicherweise kam es für Sophie Josephine Ernestine Friederike Wilhelmine Gräfin von Hatzfeldt-Wildenburg-Schönsteinikam zur Scheidung, der allerdings ab 1846 eine acht Jahre andauernde gerichtliche Auseinandersetzung vorausgegangen war, „die vor über 30 verschiedenen rheinischen Gerichten geführt wurde. Unterstützt wurde Sophie dabei von dem 20 Jahre jüngeren Ferdinand Lassalle (1825-1864), der ihr 1846 vom Grafen Kayserlingk vorgestellt worden war. Lassalle sah den Prozess als politisches Betätigungsfeld in seinem Kampf gegen die soziale Unterdrückung“, 6) so Astrid Künzler. Und sie berichtet weiter: „Der Scheidungsprozess wurde von beiden Seiten mit großer Härte und allen erdenklichen legalen und illegalen Mitteln geführt. Unsummen wurden für Bestechung und Spionage ausgegeben, um falsche Zeugenaussagen zu bekommen und die andere Seite zu kompromittieren. Das Verfahren zog sich auch deshalb so lange hin, weil Sophie neben der Scheidung für ihr finanzielles Auskommen kämpfte. Ohne Alimente ihres Mannes war sie mittellos. (…) Ende Juli 1851 wurde die Ehe von Sophie und Edmund von Hatzfeldt schließlich rechtskräftig geschieden. Sophie verlor damit die ihr bis dahin zustehende Alimentation in Höhe von jährlich 8.000 Talern. 1854 schließlich kam ein Vergleich zustande, der Sophie ein regelmäßiges Einkommen garantierte. Davon profitierte auch Ferdinand Lassalle, dem Sophie nun sein Honorar auszahlen konnte.“ 7)

Durch Lassalle war Sophie von Hatzfeldt politisiert worden: „Bereits während der Märzrevolution war ihre Düsseldorfer Wohnung ein Anlaufpunkt für Verfechter der demokratischen Sache und politisch Verfolgte. (…). 1859 folgte Sophie Lassalle nach Berlin, um ihn bei seinen politischen Aktivitäten zu unterstützen. (…) Sophie unterstützte ihn entweder dadurch, dass sie ihn zu seinen Auftritten begleitete oder als Stützpunkt für die junge Arbeiterbewegung in Berlin agierte. (…) Sophie war für Lassalle nicht nur eine politische, sondern auch eine wichtige moralische Stütze. Über das enge Verhältnis der beiden ist viel spekuliert worden. Allein die Tatsache, dass die adlige Gräfin mit einem 20 Jahre jüngeren bürgerlichen Juden ohne Trauschein zusammenlebte, war für die damalige Zeit skandalös. Sie waren zwei enge Vertraute, die einander brauchten, ohne ein Liebespaar zu sein. (…).“8)

1665 Helene Doenniges 1872 Klic
Portrait von Helene von Dönniges, gemalt von Karel Klíč; Quelle: via Wikimedia Commons

Eine Liebesbeziehung, die tödlich für Lasalle endete, hatte dieser mit der Schriftstellerin Helene von Dönniges (21.3.1843 Berlin - 1.10.1911), verh. von Racowitza, verh. Friedmann, verh. von Schewitsch, die er während eines Kuraufenthaltes kennengelernt hatte. Als sie Ferdinand von Lassalle begegnete, löste sie ihre Verlobung mit Janco Gregor von Racowitza (Iancu Racoviţă) auf und verlobte sich 1864 mit Lassalle, allerdings ohne den Segen ihres Vaters Wilhelm von Dönniges, ein bayerischer Diplomat. Dieser widerrief die Verlobung und Lassalle forderte ihn daraufhin zum Duell. Dönniges ließ wegen seines Alters das Duell von Helenes früherem Verlobten Racowitza übernehmen. Beim Duell wurde Lassalle schwer verletzt und starb wenige Tage später. Helene von Dönniges heiratete daraufhin ein Jahr später dann doch ihren früheren Verlobten, der allerdings wenige Monate später verstarb.

Wie ging es nun mit den beiden Frauen weiter, die für Lassalle bis zu seinem Tod eine wichtige Rolle gespielt hatten? Die junge Witwe Helene von Dönniges ging nach Berlin, um Schauspielerin zu werden, heiratete 1868 ihren Lehrer Sigewart Friedmann. Das Paar ließ sich fünf Jahre später scheiden. In diesen fünf Jahren bekam sie einige wenige Rollen, war aber mehr durch die Duellgeschichte bekannt. Schließlich lernte sie den Sozialisten Sergej von Schewitsch kennen. Das Paar heiratete und ging 1877 nach Amerika. Dort trat Helene als Schauspielerin auf, ihr Mann war bei der New Yorker Volkszeitung tätig. 1892 kehrte das Ehepaar nach München zurück, wo er sich literarisch betätigte und sie sich mit Theosophie beschäftigte. Schließlich geriet das Ehepaar in finanzielle Schwierigkeiten, was dazu führte, dass Helenes Mann Wechselbetrug beging. Noch vor der Verurteilung starb er 1911. Helene sah sich in einer ausweglosen Situation und nahm sich wenige Tage später das Leben.
Sophie gab nach dem Tod Lassalles seine nachgelassenen Schriften heraus und war auch in dem von Lassalle gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein aktiv, wollte ihn als „heimliche Präsidentin weiterzuführen, da sie sich als einzig berechtigte Verwalterin des Vermächtnisses Lassalles sah. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand der anderen führenden Mitglieder des Vereins.“ 9) So „gründete sie eine Gegenpartei, den Lassalleschen Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (LADAV) (…). Als (..) der Versuch, den LADAV mit dem ADAV zu vereinigen, (…) misslang, sank sie politisch in die Bedeutungslosigkeit. (…) Nach weiteren rastlosen Jahren starb sie am 25.1.1881 in einem Hotel in Wiesbaden. Ihr Wunsch war es, ‚daß neben seinem [Lassalles] großen Namen der meinige einen bescheidenen Platz behalte als den seines besten und einzigen Freundes‘. Diese Ehre wurde ihr bisher nicht zuteil. (…)“. 10)

Ferdinand Lassalle war ein Vertreter des proletarischen Antifeminismus. Dazu schreibt Daniela Weiland: „Unter dem proletarischen Antifeminismus wird die frauenfeindliche Haltung der Arbeiterbewegung der sechziger Jahre des 19. Jhs. verstanden. Ziel war die Verdrängung der Frauen aus der Fabrikarbeit und aus den Werkstätten. (…) Sie entsprang vor allem der Furcht vor der lohndrückenden weiblichen Konkurrenz. Der von Ferdinand Lassalle (…) im Jahre 1863 gegründete ‚Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) plante 1866 sogar Abwehrstreiks der Männer, um die Frauenfabrikarbeit zu verhindern. Der ADAV bezog sich hier auf Lassalles Theorie des ‚ehernen Lohngesetzes‘, die von der wissenschaftlich unhaltbaren Prämisse ausging, dass es in der Volkswirtschaft einen bestimmten konstanten Lohnfonds gäbe, den sich die Arbeiter zu teilen hätten. Als Resultat der Rückführung der Frauen ins Haus versprach man sich eine erhöhte Beschäftigung der Männer und die Steigerung der Löhne in der Annahme, dass die Arbeit und der Lohnanteil der Frauen nun den Arbeitern zufallen würden.

Die Lassalleaner, die dem Grundsatz ‚die Lage der Frau kann nur verbessert werden durch die Lage des Mannes‘ folgten, vergaßen schlichtweg die Tatsache, dass es auch unverheiratete Frauen gab, die von etwas leben mussten. Diese Einstellung, konterte Louise Otto-Peters 1866, spräche aller ‚Gesittung und Humanität Hohn‘, denn ‚selbst wenn man annehmen wollte, es entstände eine Konkurrenz, es würden manche Männer weniger Arbeit und Verdienst haben als jetzt durch das Angebot weiblicher Arbeitskräfte – nun so bleibt es ja ganz gleich, ob Männer oder Frauen feiern und hungern: die Anforderung auf Brot haben sie doch miteinander unbestreitbar gemein!‘ (…) Höhepunkt der antifeministischen Bewegung war der auf dem ‚Allgemeinen deutschen sozialdemokratischen Arbeiterkongress‘ in Eisenach (1869) eingebrachte Antrag auf Abschaffung der Frauenarbeit. Er wurde nur knapp abgelehnt. Allerdings hatte nicht die Einsicht, dass Frauen ein Recht auf Erwerb hatten, zu diesem positiven Ergebnis geführt, sondern die Befürchtung, dass die notleidenden Frauen zur Prostitution gezwungen würden. Erst unter dem Einfluss von August Bebels (siehe: August-Bebel-Straße) Buch Die Frau und der Sozialismus (1879) kam es zur allmählichen Überwindung des proletarischen Antifeminismus. Bebel, der schon früher Kontakte zur bürgerlichen Frauenbewegung besaß, befürwortete die Frauenarbeit. Auf der II. Sozialistischen Internationale 1889 in Paris war es Clara Zetkins Verdienst, dass der Kongress sich schließlich für die Berufsarbeit der Frau aussprach.“ 11)