Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Linckestraße

Rahlstedt (1951): Paul Lincke (7.11.1866 Berlin – 3.9.1946 Hahnenklee), Operettenkomponist.


Siehe auch: Gilbertstraße
Siehe auch: Kolloweg

Früher hieß die Straße Körnerstraße.
(vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).

Viele seiner Lieder sind auch heute noch bekannt, so z. B. „Schenk` mir doch ein kleines bißchen Liebe“, „Bis früh um fünfe, kleine Maus“, „Heimlich, still und leise kam die Liebe“ – und das Berlin Lied „Berliner Luft“.

Paul Lincke war der Sohn von Emilie Lincke, geborene Schub und des Magistratsboten August Lincke.

In der Neuen Deutschen Biographie schreibt Anton Würz über Linckes Werdegang: „Der frühe Tod des Vaters zwang L.s Mutter zum Arbeiten als Weißnäherin. L. fand einen Freiplatz in einer privaten Realschule und erhielt von seinem 9. Lebensjahr an Violinunterricht. Früh zur Wahl des Musikerberufs entschlossen, wurde er nach der Schulzeit von Musikdirektor Kleinow in Wittenberge als Lehrling des Stadtorchesters angenommen und als Fagottist ausgebildet. Das Klavierspiel eignete er sich autodidaktisch an. Nach drei Lehrjahren wieder in Berlin, mußte er sich zunächst mit aushilfsweiser Mitwirkung in kleineren Kapellen durchschlagen. Gesichertere Tätigkeit bot sich ihm schließlich im Centraltheater, dann im Ostendtheater, wo er auch als Korrepetitor und Vertreter des Dirigenten beschäftigt wurde. (…). Der Aufstieg (…) kam für L. 1893 mit seiner Verpflichtung als 1. Kapellmeister und Hauskomponist an das ‚Apollo‘ (Varieté)-Theater. Bald wurde er ein führender Mann auf dem Gebiet der Unterhaltungsmusik als attraktiver Dirigent wie als Komponist von rasch populär werdenden Liedern, deren Tonfall dem Geschmack des Berliner Publikums besonders entsprach.“ 1)

1893 heiratete Paul Lincke die Soubrette Anna Müller (8.4.1869 Berlin – 24.1.1935 Berlin), die später als Anna Müller-Lincke auftrat. Sie war damals schon eine bekannte Soubrette und Bühnenschauspielerin und spielte u. a. im Ostend-Theater in Berlin in der Großen Frankfurter Straße, wo sie 1885 Paul Lincke kennengelernt hatte, der damals noch als Fagottspieler seinen Lebensunterhalt bestritt. Das Paar hatte keine Kinder.

1897 führte Paul Lincke seine erste Operette „Venus auf Erden“ auf. Im selben Jahr wurde er für zwei Spielzeiten als Kapellmeister ans Folies Bergères-Theater in Paris verpflichtet. In dieser Zeit kam es 1898 zur Scheidung von seiner Frau, die ab 1910 in Stumm- und später auch in Tonfilmen als Schauspielerin Karriere machte.

Eine weitere Ehe ging Lincke nicht mehr ein.

Ein Jahr nach der Scheidung erlebte er mit der Uraufführung (1899) seiner Operette „Frau Luna“ „und ihren Liedern ‚Laßt den Kopf nicht hängen‘, ‚O Theophil, 0 Theophil‘ den durchschlagenden Bühnenerfolg.

1901 hatte sich Paul Lincke in die Schauspielerin Ellen Sousa – eigentlicher Name Frida Klara Bertha Tilmes – verliebt. Ein Jahr später wurde sie von Paul Lincke schwanger. 1902 gebar sie einen Sohn. Paul Lincke verlangte, dass Ellen Sousa ihre Bühnenarbeit zugunsten ihrer „Mutterpflichten“ aufgebe. „Sie rang ihm eine Bedenkzeit ab und versuchte sich in ihrer neuen Rolle als Hausfrau, Mutter und ewig Wartende. Paul Lincke erlebte in dieser Zeit eine weitere Welle des Erfolges, (…). Weiterhin verbrachte er die Abende, wenn nicht am Theater, in illustren Runden oder großen Gesellschaften, welchen Sousa nicht beiwohnen konnte. Lincke forderte nun eine Antwort von Sousa und erklärte, dass er sie und ihren gemeinsamen Sohn nicht mehr sehen wollte, sollte sie sich für die Bühne entscheiden. Er gab ihr zehn Tage Bedenkzeit, fuhr in dieser Zeit zu einem Gastspiel, und als er nach sechs Tagen zurückkehrte, waren Sousa und das Kind ausgezogen. Jahre später heiratete Ellen Sousa einen Großkaufmann (…), der ihren Sohn, ohne Einwände Linckes, adoptierte. Dies war das endgültige Ende der Beziehung zu Ellen Sousa und seinem Sohn. Aus jenen Ereignissen stammt der Walzer ‚Verschmähte Liebe‘,“ 3) heißt es in Wikipedia.

Linckes Liebesbeziehungen, so Jan Kutscher in seiner Lincke Biografie: „verliefen (…) stets nach demselben Schema: Eine sehr junge und hübsche Frau wird von ihm ‚wachgeküsst‘, der ‚Rohdiamant geschliffen‘ – mit dem Ziel, die für sie vorgesehene Rolle als Hausfrau und Mutter, die dem Gatten ebenso treu ergeben wie auch bei gesellschaftlichen Anlässen vorzeigbar ist und ihn weiterhin anhimmelt, perfekt auszufüllen.

Dementsprechend blieben die Geliebten auch bei fortschreitendem Alter Linckes stets ähnlich jung. Nach damaliger Gesetzeslage waren sie oft nicht einmal volljährig, da sie das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Dadurch erhielt Lincke stets quasi automatisch auch Familienanschluss zu deren erziehungsberechtigten Eltern, insbesondere zu deren Müttern, wonach er sich ausgesprochen sehnte. (…).“ 3)

Da Lincke sich seine jungen Geliebten meist aus der Theaterwelt „holte“, nutzten einige die Beziehung, um selbst in ihrer Bühnenkarriere weiterzukommen. Andere Frauen wurden während der Liebensbeziehung: „schlicht erwachsen und selbstständig. Die weibliche Emanzipation war ganz offensichtlich für Linckes Ehekonzept zu weit fortgeschritten“, 4) so Jan Kutscher.

Besonders jung war Lilly Fricke, als Lincke sich in sie verliebte. Er, damals um die 40 Jahre alt, sie 15 Jahre und am Quedlinburger Theater engagiert. Mit 16 Jahren zog sie zu ihm in seine Wohnung in Berlin. Das Paar lebte eine Zeitlang zusammen, was Lincke aber nicht daran hinderte bei Abwesenheit seiner Geliebten, sich anderen Frauen hinzuwenden. Die Beziehung scheiterte, als Lilly Fricke die Ehe forderte.

Auch wenn die vielen Liebesbeziehungen in die Brüche gingen, für seine Rundumbetreuung hatte Lincke gesorgt, indem er stets eine Haushälterin angestellt hatte, so Elsa Neuhaus oder auch Johanna Hildebrandt (1896-1961). Letztere trat vor dem Ersten Weltkrieg ihren Dienst bei Lincke an und blieb bei ihm bis zu seinem Tod. Dazu Jan Kutscher: „Beide Haushälterinnen mühten sich auch darum, dass Paul Linckes unkonventionelles Liebesleben der Öffentlichkeit, so gut es ging, verborgen blieb – was er ihnen nicht immer dankte. In einem Brief an seine Geliebte Editha Stolzenberg berichtete Lincke beispielsweise am 12. Oktober 1928 über ‚natürlich wieder große Auseinandersetzungen‘, die er offenbar mit Johanna Hildebrandt bezüglich seiner Beziehung als 61-Jähriger zu einer 19-Jährigen hatte.“ 5)

Über Linckes weitere Popularität heißt es in der Neuen Deutschen Biographie: „Mit dem 1. Weltkrieg endete jedoch die beste Zeit seines künstlerischen Schaffens. In den späteren Jahren zehrte er, obwohl weiterhin (auch für Rundfunk und Film) tätig, vorwiegend vom Wertbestand seiner früheren Werke. Die neuen, nun in Mode kommenden Tanzrhythmen verlockten ihn nicht zur Preisgabe der ihm gemäßen traditionellen Formen.“6)
1928 lernte Paul Lincke die Schauspielerin und Sängerin Editha Stolzenberg kennen, sie damals 19 Jahre jung, er 61 Jahre alt. Die Beziehung der beiden Menschen hielt bis 1936. Danach blieb eine gute Freundschaft.

Paul Lincke in der Zeit des Nationalsozialismus
In Wikipedia heißt es: „Lincke war von Anfang an Mitglied und im Vorstand der Kameradschaft der Deutschen Künstler e.V., die 1933 unter der Schirmherrschaft von Joseph Goebbels gegründet wurde. Ab 1933 war er im Ehrenvorstand des Neuen Deutschen Bühnen- und Filmklubs, ab 1936 Ehrenpräsident des Berufsstandes der Deutschen Komponisten. 1933 komponierte er u. a. den Marsch Unsere braunen Jungens, der dann zum Repertoire der SS-Leibstandarte Adolf Hitlers gehörte. Dem folgten weitere Kompositionen mit ähnlichen Titeln (…). Er war nie Mitglied der NSDAP. Gleichzeitig verbanden ihn persönliche, teilweise sehr enge Kontakte zu verschiedenen prominenten Nationalsozialisten wie dem Kulturfunktionär Hans Hinkel, dem sogenannten ‚Reichsbühnenbildner‘ Benno von Arent und Magda Goebbels, der Ehefrau des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels. Goebbels überreichte Lincke 1937 die Silberne Ehrenplakette seiner Heimatstadt Berlin sowie zu seinem 75. Geburtstag am 7. November 1941 in Anwesenheit aller Ratsherren, Kreisleiter und des Gauleiters Staatsrat Artur Görlitzer im Auftrag von Adolf Hitler die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft, die damals ‚höchste Auszeichnung des deutschen Kunstschaffens‘ und den Ehrenbürgerbrief der Reichshauptstadt. Goebbels hielt dazu auch die Laudatio. Linkes Musik erlebte während der Zeit des Nationalsozialismus eine Renaissance, wodurch sich zwischen 1934 und 1940 sein Einkommen ungefähr verdreifachte.“ 7)

In Ernst Klees Kulturlexikon zum Dritten Reich ist über Linckes Aktivitäten noch Weiteres nachzulesen: „1940 Kriegslied ‚Deutschland muss siegen‘. Oktober 1940 Uraufführung seiner einzigen in der NS-Zeit komponierten Operette ‚Ein Liebestraum‘ am Theater an der Reeperbahn in Hamburg. Auftritte im ‚Wunschkonzert für die Wehrmacht‘. Goebbels‘ Radiosendung zwecks Hebung der Truppenmoral und Leidensbereitschaft der Heimatfront. Juni 1941 Uraufführung der Musikfilmgroteske ‚Frau Luna‘. “ 8)

Beurteilung des Straßennamens in anderen deutschen Städten
Die Straßennamenkommission der Landeshauptstadt Saarbrücken, wo sich ebenfalls eine Paul-Lincke-Straße befindet, kam bezüglich Paul Linckes Verhalten in der NS-Zeit u. a. zu folgender Einschätzung: „Die britische Besatzungsmacht unterstellte ihm 1946 ein freundschaftliches Verhältnis zu Goebbels und seiner Frau. Lincke unterstützte durch seine Kunst das NS-System – wie viele andere Künstler auch, die nicht emigrierten. Es gibt keine Belege einer NSDAP-Mitgliedschaft. Zu beachten ist, er hat seine Kunst in den Dienst des NS-Staates gestellt und dabei Propagandalieder komponiert wie 1933 ‚Unsere braunen Jungens‘ (wurde zum Repertoire der Leibstandarte Adolf Hitler), 1935 ‚Unsere braunen Mädels‘, 1940 ‚Deutschland muss siegen‘ und 1942 die Infanteriemusik ‚Lili Marleen Marsch.‘ Nach 1945 erließen die westlichen Besatzungsmächte ein Aufführungsverbot gegen ihn. Er war in der NS-Zeit ein sehr gefragter Künstler, gleichwohl sieht Jan Kutscher, der sich umfassend mit ihm beschäftigte, eine gewisse Unklarheit, irgendwie sei er auch für den NS-Staat suspekt gewesen.

Lincke war von Anfang an Mitglied und im Vorstand der unter der Schirmherrschaft Joseph Goebbels stehenden Kameradschaft der Deutschen Künstler e.V. Sein Komponieren für Propagandazwecke kann maßgeblich für eine Umbenennung herangezogen werden. Lincke ist ein Grenzfall. Bezüge zu Saarbrücken sind nicht erkennbar. Aus Saarbrücker Perspektive gibt es keinen Grund, eine Straße nach ihm zu benennen und bei Kompositionen wie ‚Unsere braunen Jungens‘ ist es schwer vermittelbar, an der Benennung festzuhalten. Lincke war finanziell so aufgestellt, dass er nicht für die Nazis hätte tätig werden müssen, im Jahr 1933 war er 67 Jahre alt.

Voten der Vertreter*in des Bezirksrates:
ROT/Umbenennung: (3)
Brass/Schrickel (Die Grünen): Ein populärer Künstler, der der politischen Propaganda diente.
Jacob (Die Linke): Politische Belastung schwerwiegend wegen Propagandadiensten.
Stamm (AfD): Folgt Stadtarchiv.
GELB/Beibehaltung mit Erläuterung: (2)
Radewahn (CDU): Umbenennung ist unverhältnismäßig.
Dr. Klotz (SPD): Ebenso, Aufklärung ausreichend.
Grün/Keine Umbenennung: (1)
Feeneis (FDP): Umbenennung völlig unverhältnismäßig. Populäre Melodien. Von einer Umbenennung sollte abgesehen werden, da er nicht NSDAP-Mitglied gewesen sei und das Unpolitische in seiner Biografie klar dominiere. Im Gutachten sei klarzustellen, er sei kein NSDAP-Mitglied gewesen.“9)

Über Linckes weiteren Weg nach der Befreiung vom Nationalsozialismus steht in Wikipedia: „Nach Kriegsende wollte der von der Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei bedrohte Lincke nach Berlin zurückkehren. Lange bemühte er sich vergebens um die Zuzugsgenehmigung der Alliierten, die man damals auch als gebürtiger Berliner benötigte.

Mit Hilfe des amerikanischen Generals John Leonard Pierce (1895–1959) übersiedelte er zunächst mit seiner Haushälterin Johanna Hildebrandt, die bereits 35 Jahre für ihn gesorgt hatte, in das zur amerikanischen Besatzungszone gehörige, nicht weit von Marienbad entfernte oberfränkische Arzberg. (…)

In Oberfranken herrschte für den gesundheitlich bereits angeschlagenen Lincke nicht das richtige Klima, daher sorgten Freunde in Lautenthal für eine Übersiedlung nach Hahnenklee (…). Dort starb er kurz vor Vollendung seines 80. Lebensjahres.“ 10)