Bacherweg
Niendorf, seit 1982, benannt nach Clara Bacher (15.10.1898 Hamburg – am 19.7.1942 deportiert nach Theresienstadt) und Dr. Walter Bacher (30.6.1893 – am 19.7.1942 deportiert nach Theresienstadt), politisch und rassisch verfolgtes Ehepaar. Motivgruppe: Opfer des Nationalsozialismus
Stolpersteine für beide vor dem Wohnhaus Gottschedstraße 4; Stolperstein für Clara Bacher vor ihrer Wirkungsstätte Gymnasium Klosterschule, Westphalenweg 7. Stolperstein für Walter Bacher vor seiner Wirkungsstätte Talmud Tora Schule, Grindelhof 30. Mahnmal: Tisch mit 12 Stühlen, siehe dazu bei Georg-Appel-Straße
Clara Bacher: Lehrerin an der Privatschule Hofweg 88, Mitglied der SPD. Dr. Walter Bacher: Studienrat an der Klosterschule, SPD-Mitglied.
Clara Bacher: Geboren in der Overbeckstraße 4a, Parterre. Tochter des Kaufmanns Gustav Haurwitz und seiner Frau Bertha, geb. Hauer. Die Eltern gehörten der jüdischen Religionsgemeinschaft an, ließen aber ihre fünfjährige Tochter Clara am 29. Juli 1903 evangelisch taufen. Mit sieben Jahren trat Clara in die erste Klasse der angesehenen „Unterrichtsanstalten des Klosters St. Johannis“ ein, der ersten Höheren Mädchenschule der Stadt Hamburg, und machte dort zehn Jahre später ihren Lycealabschluss. Noch im selben Jahr (1915) wechselte sie in das der Schule angegliederte Lehrerinnenseminar über. Als sie es 1920 verließ, standen die Zeiten schlecht für die frisch examinierte Lehrerin: in den politischen und wirtschaftlichen Krisen der Nachkriegszeit war es fast aussichtslos, eine Anstellung zu finden. So taucht Clara Haurwitz’ Name erst 1922 in der Personalliste einer Schule, des Lyceums von Fräulein Predöhl am Hofweg 88, auf – mit einem inflationsbedingten Gehalt von 2256,55 Reichsmark.
An dieser kleinen, neunklassigen Privatschule unterrichtete Clara Haurwitz in den folgenden Jahren verschiedene naturwissenschaftliche Fächer. Eine spätere Schülerin ihres Mannes schilderte sie als „lebenslustig und gut aussehend“. Schmal sei sie gewesen, schwarze Haare hätte sie gehabt und blaue Augen. Im Jahre 1929 erscheint sie auf der Gehaltsliste ihrer Schule mit einem neuen Familiennamen: Clara hatte den Studienrat Dr. Walter Bacher geheiratet, der seit einigen Jahren an ihrer alten Schule Latein und Griechisch unterrichtete.
Auch er hatte jüdische Eltern, war evangelisch getauft, war – wie Clara – Mitglied der SPD und teilte ihre politischen Überzeugungen: Zusammen mit Claras Bruder Rudolph nahmen die Bachers Ende der 1920-er, Anfang der 1930-er Jahre aktiv an den Veranstaltungen und Ausflügen der sozialdemokratischen Volksheimbewegung und der Sozialistischen Arbeiterjugend teil. Dann endeten mit einem Schlag die guten Jahre. Wenige Wochen vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten war Clara Bacher noch in den Vorstand der neugegründeten Vereinigung ehemaliger Klosterschülerinnen gewählt worden. Ein dreiviertel Jahr später vermeldet das Protokoll, dass „Herr Dr. Bacher (...) beurlaubt“ und „Frau Dr. Bacher aus der Vereinigung ausgetreten“ sei. Die sofort mit Hitlers Ernennung einsetzende Repression gegen politische Gegner und Judinnen und Juden hatte auch das Ehepaar Bacher nicht verschont: Walter Bacher wurde, möglicherweise auf Grund einer Denunziation aus Kollegenkreisen, im Mai 1933 beurlaubt und im Juli aus dem Schuldienst entlassen; Clara Bacher musste ihren Sitz im Vorstand räumen, während sich die restlichen Mitglieder noch bei derselben Zusammenkunft „rückhaltlos zu der Staatsauffassung (bekennen), wie sie von der Regierung des Reiches und des hamburgischen Staates vertreten wird“. Ein halbes Jahr später – ihr Mann hatte sich vergeblich um eine Anstellung an der jüdischen Knabenschule Talmud Tora beworben – verlor auch Clara Bacher ihre Arbeit: Das Lyceum von Fräulein Predöhl schloss wegen finanzieller Schwierigkeiten seine Pforten.
In den folgenden Jahren lebte Clara Bacher mit ihrem Mann, der infolge der Auswanderung anderer jüdischer Lehrerinnen und Lehrer schließlich doch an der Talmud-Tora-Schule angenommen worden war, und ihrer kranken Schwiegermutter in der Gottschedstraße 4 im Stadtteil Winterhude. Zeitweilig unterrichtete sie nebenamtlich Rechnen und Mathematik in der Fortbildungsschule, aber ihre Bemühungen um eine reguläre Anstellung blieben erfolglos.
Auch ihre Auswanderungspläne – wohl zu spät verfolgt – zerschlugen sich. Ihr Bruder, Dr. Rudolph Haurwitz, der ihr und ihrem Mann eng verbunden war, musste sein Anwaltsbüro schließen. Er hielt sich noch einige Zeit mit einem Radiogeschäft über Wasser. Eines Tages nahm er sich mit einem Pistolenschuss das Leben. Auch seine und Claras Mutter schied 1941 durch Freitod aus dem Leben.
Nachdem im Juni 1942 alle jüdischen Schulen in Deutschland geschlossen worden waren, war auch die letzte Frist für das Ehepaar Bacher abgelaufen. Am 19. Juli, einem heißen Sommersonntag, brachte sie der Deportationszug in das Konzentrationslager Theresienstadt. Das letzte schriftliche Zeugnis, das in Hamburg zurückblieb, war das Protokoll des Gerichtsvollziehers über die Versteigerung von vier Silberbestecken aus dem Besitz der „Clara Sara Bacher“ zu einem Erlös von 65,65 Reichsmark.
In Theresienstadt überlebte Clara Bacher, in den Listen als „Arbeiterin“ geführt, noch zweieinhalb Jahre, bis sie zusammen mit 1549 weiteren Männern und Frauen den Zug nach Auschwitz besteigen musste. Dort traf der Transport am 9. Oktober 1944 ein, eine Woche vor Claras 46. Geburtstag.
Ihr Mann war einige Tage vor seiner Frau in eine der Gaskammern von Auschwitz-Birkenau geschickt worden.
Falls Clara nicht in dem Güterwaggon gestorben ist, wurde sie auf dieselbe Weise umgebracht. Nur 76 Häftlinge tschechischer Herkunft überlebten diesen Transport.
Text: Barbara Brix