Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Max-Emden-Weg

Osdorf (2013): Dr. phil. Max James Emden (28.10.1874 Hamburg – 26.6.1940 Muralto (Schweiz)), Chemiker, Hamburger Kaufmann aus alter jüdischer Familie, Vorbesitzer des Geländes mit Villa Sechslinden, vom NS-Staat enteignet; Verfolgter des Nationalsozialismus.


Siehe auch: Sternbergweg

So steht es auf dem Straßenschild, das dem Wanderweg jetzt seinen Namen gibt, der vom Hemmingstedter Weg südwärts zwischen Landhaus Sechslinden und Botanischer Garten Richtung S-Bahn zum Hesten führt. Die Benennung erfolgte anlässlich seines 140. Geburtstages zur Erinnerung an Max Emden und an das ihm auch von der Stadt Hamburg zugefügte Unrecht. Im Zusammenhang mit meinen [Joachim Winkelmann, die Hrsg.] Recherchen über Eduard F. Pulvermann hatte mich Herbert Cords auf den Hamburger Kaufmann und Polospieler Max Emden mit dem Landhaus Sechslinden aufmerksam gemacht. Im Juli 2012 habe ich den Antrag gestellt, Max Emden mit einem Weg auf seinem ehemaligen Besitz zu ehren.

Max Emdens Vorfahren sind seit 1794 im Hamburger Adressbuch am Zeughausmarkt und Mönkendamm verzeichnet, 1840 führt M. J. Emden am großen Neumarkt 40 ein „Engroslager für Bänder, aller Sorten Garn und Seide“.

Max James Emden, am 28. Oktober 1874 in Hamburg geboren, wächst in Harvestehude auf. Nach dem Maturitätsexamen am Wilhelm Gymnasium studiert er Chemie und Mineralogie in Heidelberg, Genf, Zürich und Leipzig, wo er 1898 zum Dr. phil. promoviert wird. Die zugrunde liegende Arbeit „Über die Reduktionsprodukte der Phenylglyoxyldicarbonsäure“ widmet er seinem hochverehrter Lehrer Professor Charles Graebe in Genf.

Seiner Militärpflicht genügt er bei dem 1. Leib-Husaren-Regiment Nr. 1 in Danzig.

Als er 1904 als Teilhaber in die väterliche Firma M. J. Emden Söhne eintritt, residiert diese als „Engroshaus für sämtliche Waren der Textilindustrie, Ausstattung von Warenhäusern“ am Rödingsmarkt 64-66.

Max Emden begnügt sich nicht mit der Ausstattung von Warenhäusern; er baut seine eigenen. Zuerst das Oberpollinger in München, dann das KaDeWe in Berlin. Er betreibt die Warenhäuser nicht unter seinem Namen. Ihm gehören Grund und Boden und die Gebäude, die er verpachtet.

In Hamburg Kaufhaus Poetsch, Schulterblatt / Ecke Amandastraße; in Wandsbek Kaufhaus Petersen; in Danzig Gebrüder Freymann und weitere in Chemnitz, Plauen, Potsdam und Stockholm. Das Corvin-Warenhaus in Budapest wird 1926 eröffnet. Im selben Jahr verkauft Max Emden seine inländischen Warenhäuser und die Hamburger Engroslager GmbH in Neumünster an Rudolph Karstadt.

1906 lässt sich Max Emden, ein Freund der Reformarchitektur, das Landhaus Sechslinden von Wilhelm Fränkel bauen, der in Wien Prachtbauten wie das Hotel Sacher errichtet hat und nicht als Reformarchitekt bekannt geworden ist. Den kunstvoll angelegten Gartenpark, dessen Reste noch in Andeutungen auf dem jetzigen Schulgelände erkennbar sind, hat der Landschaftsarchitekt Leberecht Migge entworfen, der damals die Gartenbaufirma Jacob Ochs geleitet hat.

In den 1920er-Jahren kauft Max Emden das gesamte Gelände, das heute den Poloplatz und den Botanischen Garten umfasst.

Seine Ansichten über Architektur und Stadtgestaltung hat Max Emden in einer Artikelserie in den Hamburger Nachrichten dargelegt, die 1909 unter dem Titel „Hamburger Baukunst, eine Diskussion über diese Frage“ in der Buch- und Steindruckerei Arno Katzsch, Große Rainstraße 89 in Ottensen, gedruckt worden sind.

Sein Interesse an sozialen Fragen dokumentiert er 1919 in der bei Broschek verlegten Broschüre „Der natürliche Arbeitstag, eine Rechenaufgabe“, in der er festhält: „Das Leben der Industriearbeiter der großen Städte ist und bleibt menschenunwürdig“.

Max Emden ist ein kunstverständiger Sammler. Er schmückt sein Landhaus nicht nur mit Werken der Maler des 19. Jahrhunderts, Fayencen, Emaillekunst, Silber, Möbeln und Teppichen, sondern auch mit den Gemälden von Canaletto „Der Zwingergraben in Dresden“ und „Die Karlskirche in Wien“.

1922 wird er in die Verwaltungskommission der Hamburger Kunsthalle berufen.

Max Emden war als 19-jähriger zum protestantischen Glauben konvertiert. 1910 heiratet er die in Chile geborene Concordia Gertrud Hélène Anna, genannt Anita, Sternberg aus Klein Flottbek. Der Sohn Hans Erich verlebt seine Kindheit auf Sechslinden und dem Poloplatz, die Jugend im Schweizer Internat, bevor er zum Bankhaus Warburg nach New York geht.

1926 trennt sich das Ehepaar Emden. Max Emden zieht in die Schweiz, kauft die Brissago Inseln im Lago Maggiore und baut sich ein prächtiges Haus im Stil der italienischen Renaissance, das nun sein Lebensmittelpunkt wird. Von hier aus stiftet er 1928 dem Hamburger Poloclub das von Heinrich Amsinck im Bauhausstil errichtete Clubhaus.

Nach jahrelangem Widerstand der Schweizer Bundespolizei erhält er 1934 durch persönliche Intervention des Bundesrates Heinrich Häberlin das Schweizer Bürgerrecht. Aber auch als Protestant und Schweizer Bürger ist der „Hamburger Warenhausjude in Ascona“ weder vor den NS-Schmähungen in Josef Goebbels‘ „Angriff“ noch vor dem Zugriff auf sein Vermögen sicher.

1935 beginnt mit dem erzwungenen Verkauf seiner Klein Flottbeker Ländereien weit unter Wert an die Stadt Altona seine gezielte Demontage. 1937 verliert er sein Warenhaus in der Freien Stadt Danzig durch Boykott und geforderte „Steuerschulden“. Es folgen in schneller Folge die anderen Immobilien, bis ihm nur noch das Corvin-Warenhaus in Budapest bleibt, das von seinem Sohn geführt wird und diesem als Sicherheit dienen sollte. Den Verlust dieses Hauses erlebt Max Emden nicht mehr, er stirbt 1940.

Durch den Wegfall der Pachteinnahmen aus Deutschland ist Max Emden gezwungen, seine wertvolle Sammlung über den z.T. zwielichtigen, mit dem NS-System kooperierenden internationalen Kunsthandel zu verkaufen.

Wie die NS-Behörden Max Emden um sein Vermögen betrogen haben und wie bundesdeutsche Behörden, insbesondere nach 1990, bemüht sind, alle Ansprüche der Erben abzuwehren, hat Francesco Welti in seiner äußerlich etwas reißerisch aufgemachten Biographie „Der Kaufhaus-König und die Schöne im Tessin“ (2010) in erschütternder Genauigkeit beschrieben.

Zehn Jahre später hat Ulrich Brömmling 2020 für die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung seine Biografie „Max Emden Hamburger Kaufmann, Kaufhauserfinder, Ästhet und Mäzen“ vorgelegt. Dem Buch liegt eine DVD des Filmes (2018) von Eva Gerberding/Andre Schäfer „Der Fall Max Emden“ bei, der sich auch ausführlich mit dem Thema Raubkunst und Restitution beschäftigt. Beide Biografen kommen in dem Film zu Wort. 2019 revidiert das Bundesministerium der Finanzen seine negative Entscheidung von 2013 „Das Kriterium Raubkunst ist auf die beiden Gemälde von Canaletto, die im Besitz der Bundesrepublik Deutschland sind, nicht anzuwenden“. 2020 werden die beiden Gemälde „Ansicht des Zwingergrabens in Dresden“ und „Ansicht der Karlskirche in Wien“ der Familie Emden restituiert.

Text: Joachim Winkelmann