Max-Halbe-Straße
Wilstorf (1950): Max Halbe (4.10.1865 Güttland, Kreis Dirschau, Reg.-Bezirk Danzig – 30.11.1944 Gut Neuötting in Oberbyern), Dramatiker, Erzähler, Schriftsteller.
Früher hieß die Straße Stormstraße, benannt 1927. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).
Max Halbe war der Sohn der Gutsbesitzerstochter Bertha, geb. Alex und des Gutsbesitzers Robert Halbe.
Nach dem Studium der Germanistik und Geschichte, das er mit der Promotion abschloss, betätigte er sich als freier Schriftsteller, war u. a. befreundet mit Frank Wedekind (siehe: Wedekindstieg) und Lovis Corinth (siehe: Corinthstraße). Ab 1895 lebte er in München.
In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über Halbes schriftstellerisches Schaffen u. a.: „. Entscheidenden Einfluß auf seinen Stil sollte Holz' und Schlafs ‚Papa Hamlet‘ ausüben, (…). Ein erster beachtlicher Erfolg war das Schauspiel ‚Eisgang‘ (1892). Die Ideen des Sozialismus jener Tage gaben dem Stück Farbe, und es ist aus diesem Grunde in linksgerichteten Kreisen über die Maßen gepriesen worden. Das Werk jedoch, das ihn zu den Höhen unbestrittenen Ruhms emporheben und dem keines seiner weiteren Stücke an Wirkung gleichkommen sollte, war sein Liebesdrama ‚Jugend‘ (1893, englisch 1916). Wie in Wedekinds ‚Frühlings Erwachen‘, doch weit poetischer, wird hier die verhängnisvolle Begegnung zweier junger Menschen gestaltet, die auf einem Pfarrhof den stürmischen Regungen erster Liebe und dem Wirken des Frühlings überlassen sind. Eine Fülle von Einzelheiten wird gegeben, die Umwelt wird genau geschildert, Vererbung und Milieu werden als schicksalsbestimmende Faktoren gezeigt, und doch wird der Rahmen der naturalistischen Theorie bereits gesprengt durch den volksliedhaften Ton und die lyrische Stimmungskunst, die diesem Werk das besondere Gepräge geben und auch das Geheimnis des außerordentlichen Erfolgs, der diesem Stück beschieden war, bis zu einem gewissen Grade enthüllen. Die eigentliche Abkehr vom Naturalismus erfolgte kurz darauf (…).“.1)
Drei Jahre vor Erscheinen seines Liebesdramas „Jugend“ hatte der damals 25jährige Max Halbe 1890 in Berlin die Schmiedemeistertochter Luise Heck (14.7.1867 Kreischau –24.3.1957) geheiratet. Das Paar bekam 3 Kinder (geboren: 1891, 1894 und 1896). Die Tochter Anneliese (1894-1986) wurde später Schauspielerin und Theaterregisseurin.
Max Halbes weiterer literarischer Werdegang nach seiner Abkehr vom Naturalismus: beschreibt Sigfrid Hoefert in der Neuen Deutschen Biographie wie folgt: „In der Folgezeit bekannte sich H. zu keiner neuen literarischen Theorie und gehörte auch keiner neuen literarischen Schule an; vielmehr zog er sich zurück und wurde ein unruhiger und eigenwilliger Einzelgänger, der bis an das Ende seines Lebens unermüdlich an seinem Werke schuf. Enttäuschungen blieben dabei nicht aus; nur einigen wenigen seiner späteren Werke war ein größerer Erfolg beschieden. Immer wieder versuchte H., in neue Richtungen vorzustoßen. Dem Realismus blieb er mehr oder weniger verhaftet, doch huldigte er Tendenzen, die oft mit den Absichten der herrschenden literarischen Strömungen (besonders denen des Impressionismus und der Neuromantik) zusammenfielen. Vor allem experimentierte er mit dem Irrationalen und suchte in der Geschichte neue Inspiration. (…).
Überhaupt gab H. in der letzten Phase seines Schaffens in zunehmendem Maße dem ihm eigenen Hang zur Romantik (in der Prägung E. T. A. Hoffmanns) sowie seiner Neigung ‚zu einer naiven Mystik‘ (A. Kutscher) nach. (…). Das Wissen um die Vergänglichkeit alles irdischen Daseins lastete dabei auf ihm und seinen Gestalten; diese leben zumeist im Schatten ihrer Vorherbestimmung und wissen um die Existenz transzendentaler Mächte, die der Welt Lauf und des Menschen Dasein bestimmen. (…).“ 2)
Am 22. Oktober 1933 unterschrieb Max Halbe das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler. 3)
Ernst Klee schreibt über Max Halbe: „Völkischer Autor. Werke wie Das tausendjährige Reich (1900). Mitglied und am 15.3.1933 Unterzeichner einer Loyalitätserklärung der Deutschen Akademie der Dichtung der Preußischen Akademie der Künste pro NS-Regierung. 1933 Lebenserinnerungen: Scholle und Schicksal. Name Oktober 1933 unter dem Treuegelöbnis ‚88 deutsche Schriftsteller‘ für Adolf Hitler. Goebbels am 22.2.1938: ‚Max Halbe bedankt sich in einem rührenden Brief für die 5000 Mark. Das war ein gutes Werk.‘ Goebbels am 27.6.1938 anläßlich einer Kulturkundgebung im Danziger Staatstheater: ‚Max Halbe ist auch da. Ein liebenswürdiger alter Herr!‘ Halbe am 8.10.1938 an Staatssekretär Hanke: ‚Glaube, durch meine kulturelle und nationalpolitische Lebensarbeit (…) für die Belange des deutschen Ostens wesentlich gewirkt zu haben und auch als Sohn der Danziger Erde für den Herder-Preis ernstlich in Frage zu kommen.‘ Am 7.11.1940 im besetzten Krakau Festaufführung seines Dramas Der Strom‚ in Anwesenheit des Dichters und großer Empfang auf der Burg.‘ (Diensttagebuch Generalgouverneur Frank). Das Stück wurde als Gastspiel des Stadttheaters Mährisch-Ostrau am 23.11.1943 in Auschwitz vor KZ-Personal gespielt.“ 4)
Der Beirat zur Überprüfung Düsseldorfer Straßen- und Platzbenennungen schreibt in seinem Abschlussbericht unter der Überschrift „Rassismus/Chauvinismus/Nationalsozialismus“ über Max Halbe: „Obwohl Max Halbe zur den bekanntesten Schriftstellern des frühen 20. Jahrhunderts zählt, ist er in der Literaturwissenschaft weitestgehend in Vergessenheit geraten. Diese Entwicklung basierte nicht zuletzt auf seiner opportunistischen Haltung im Dritten Reich; der Schriftsteller ließ sich bereitwillig vereinnahmen, sodass ‚sein Werk hinter der politischen Verwertbarkeit seines Namens schon zu Lebzeiten zurücktrat‘. (Loew 2009, S. 117) Der auf dem Gebiet des ehemaligen Westpreußen aufgewachsene Schriftsteller übernahm schon früh die antipolnischen Ressentiments seiner Umgebung. Ungeachtet seiner eigenen polnischen Vorfahren beanspruchte Max Halbe die Zugehörigkeit zur ‚deutschen Herren- und Erobererrasse‘, sprach abfällig von der ‚devoten, kriecherischen, slawischen Masse‘ und ließ dieses Weltbild auch in seine Werke einfließen, um die moralische und kulturelle Überlegenheit der Deutschen zu demonstrieren. So gehören die polnischen Figuren in seinen Dramen zumeist den unteren Gesellschaftsschichten an und werden durchgängig negativ dargestellt. In diesem Zusammenhang kann Halbes historisches Festspiel ‚Heinrich von Plauen‘ aus dem Jahr 1933 ‚als Höhepunkt rassistischer Diskriminierung und als Lehrstück faschistischer Weltanschauung gelesen werden‘. (Günter, S. 140) Im Mittelpunkt des Dramas steht die Auseinandersetzung zwischen deutschen und slawischen Truppen in der ‚Schlacht bei Tannenberg‘; die polemische Darstellung der slawischen Anführer (‚Schweinekerl‘, ‚Höllenfürst‘) wird nicht nur in einen extremen Kontrast zum deutschen Protagonisten (‚Erwählter des Herrn‘) gesetzt, sondern beinhaltet darüber hinaus volksverhetzende Aussagen: ‚Der Pole, der Litauer, der Russe, der Tatar, sie alle sengen und brennen und rauben und morden und schänden.‘ Max Halbes ausgeprägte Polenfeindlichkeit ermöglichte es den Nationalsozialisten, ‚ihn als einen dazugehörigen zu betrachten und seine Werke für propagandistische Zwecke auszunutzen‘. (Zalubska, S. 58) Nach der Machtergreifung unterschrieb ‚der um Anerkennung und Absicherung ringende Dichter‘ (Erdmann, S. 146) sowohl eine Loyalitätserklärung der Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste als auch das ‚Gelöbnis treuester Gefolgschaft‘ für Adolf Hitler und begrüßte darüber hinaus den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund sowie den völkerrechtswidrigen Anschluss der Freien Stadt Danzig an das Deutsche Reich. Anlässlich seines Geburtstags wurde der Literat mit Ausstellungen und Lesungen geehrt, erhielt 1939 den Kunstpreis der NSDAP (Gau Danzig) und wurde ein Jahr später mit dem ‚Danzigkreuz I. Klasse‘ ausgezeichnet. Ferner profitierte Max Halbe von seiner Stellung im Dritten Reich auch finanziell; ab 1938 erhielt er monatliche Zahlungen von 500 Reichsmark aus der sogenannten ‚Spende Künstlerdank‘. (…). Obwohl sich der chauvinistisch-rassistische Tenor in Halbes Werken mit der ‚Blut-und-Boden-Literatur‘ der Nationalsozialisten in Einklang bringen ließ und er sich selbst wiederholt ‚als deutsch-konservativer Dichter mit patriotischer Gesinnung empfahl‘ (Günter, S. 12), lehnte er die antisemitische Politik des Regimes strikt ab, bekannte sich zu jüdischen Freunden und äußerte sich positiv über jüdische Schriftsteller. Darüber hinaus musste der Schriftsteller seine älteren Dramen gegen seinen Willen umschreiben, konnte mit den Aufführungen und Verfilmungen allerdings keine großen Erfolge mehr feiern. ‚Auch wenn Halbe nicht als NS-Autor im ideologischen Sinne gelten kann, so ließ er sich doch von der nationalsozialistischen Propaganda instrumentalisieren und stimmte bis zu seinem Tod im Jahr 1944 mit gewissen rassistischen Elementen der NS-Ideologie überein.‘ (Sarkowicz/Mentzer, S. 297).“ 5)
1944 nahm Adolf Hitler Max Halbe in die Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Schriftsteller auf. „was seinem Ansehen im Nachkriegsdeutschland sehr geschadet hat und zur weitgehenden Missachtung seiner Werke führte.“ 6)
Nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 1944 kümmerte sich Luise Halbe – wie dies viele Witwen von Schriftstellern taten und tun – um den literarischen Nachlass ihres Mannes und gründete dafür 1953 die Max-Halbe-Gesellschaft.