Mendelstraße
Bergedorf/Lohbrügge (1964): Max Mendel (19.5.1872 Hamburg -10.8.1942 KZ Theresienstadt), Kaufmann, Genossenschafter, Senator, Opfer des Nationalsozialismus. Stolperstein: Hammer Landstraße 59 und Rathausmarkt 1 (vor dem Hamburger Rathaus).
Siehe auch: Arie-Goral-Platz
Siehe auch: Wilhelm-Bauche-Weg
Max Mendel wurde am 19.5.1872 in Hamburg in eine Familie hineingeboren, die schon seit etwa 100 Jahren in Hamburg ansässig war. Sein Vater betrieb einen Großhandel für Steinkohle und Sackleinen. Er schickte seinen Sohn Max auf das Realgymnasium des Johanneums. Mit 14 Jahren musste Max Mendel die Schule verlassen, weil er schwer erkrankte; davon blieb ihm eine lebenslange Gehbehinderung. Sein älterer Bruder Joseph gab ihm Privatunterricht, der ihn mit sozialistischem Gedankengut vertraut machte.
Max Mendel absolvierte eine Ausbildung in der väterlichen Firma und studierte anschließend in Berlin einige Semester Ökonomie und Sozialwissenschaften. 1900 übernahm er im Aufsichtsrat der „Produktion", des Konsum-, Bau- und Sparvereins, die Funktion eines Schriftführers; 1909 wurde er in ihren Vorstand berufen. Als die Hamburgische Bürgerschaft 1911 eine Sondersteuer für Konsumgenossenschaften beschloss, gründete er als Gegenmaßnahme die Handelsgesellschaft Produktion, die für alle offen war. Gebäude der „Pro"-Betriebe, wie die Genossenschaft und Handelsgesellschaft im Volksmund hieß, stehen bis heute im südlichen Teil Hamms.

Max Mendel wurde 1913 bei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde als Bankdirektor geführt. Seine erste Frau, Sophie, war längst gestorben. Er hatte danach Anna, geb. Lobatz, geheiratet. Aus dieser Ehe gingen die beiden Söhne Kurt, geb. 11.11.1903, und Robert, geb. 24.7.1907, sowie die Tochter Gertrud, geb. 26.5.1905, hervor. Familie Mendel wohnte in der Nähe der „Pro" in der Diagonalstraße 8. Von 1925 bis 1929 saß Max Mendel für die SPD im Senat und war für Wirtschaftsfragen zuständig. Er wurde von verschiedenen Seiten, auch aus den eigenen Reihen, wegen seiner gemeinwirtschaftlichen Aktivitäten und seines Judentums angegriffen. Deshalb trat er freiwillig zurück.
Die Familie lebte großbürgerlich, gebildet, kultiviert, wie es sein Neffe Arie Goral-Sternheim [Arie-Goral-Platz] in seiner Autobiographie „Jeckepotz" höchst anschaulich beschreibt. 1932 wurde Max Mendel abermals Witwer und teilte die Wohnung mit seiner Schwiegermutter Bertha Lobatz in der Hirtenstraße 10, wo auch die Schwägerin Ida wohnte. Im Gefolge des offenen Antisemitismus wanderten die Söhne aus. Gertrud heiratete einen „Arier", wodurch sie und ihr Sohn Ulrich [siehe: Wilhelm-Bauche-Weg] in Hamburg überleben konnten.
Von der Hirtenstraße aus zog Max Mendel mit Schwiegermutter und Schwägerin in die Hammer Landstraße 59, auf der Grenze zwischen „Oben" und „Unten Hamm". 1938 heiratete er seine Schwägerin Ida, die um zwei Jahre jüngere Schwester seiner zweiten Frau Anna. Ida wurde am 3. August 1880 in Schwedt geboren. Mehrfach lebten weitere Personen im Haushalt, die ihre angestammten Wohnungen hatten aufgeben müssen. Max Mendel bemühte sich vergeblich um eine Auswanderung.
1941 erlebten Mendels den unfreiwilligen Auszug ihrer Nachbarn Rosenbaum, als sie der Aufforderung zur Deportation nach Lodz folgten. Sie selbst wurden in ein „Judenhaus" in Altona, Breite Straße 46, umquartiert. Dort erreichte sie der Aufruf zur Deportation in das Getto Theresienstadt am 19. Juli 1942.
Max Mendel starb drei Wochen nach seiner Ankunft im Getto, seine Schwiegermutter zwei Monate später. Ida Mendel starb am 18. Juni 1943 um 15 Uhr an einem Blutsturz im Gefolge einer Lungentuberkulose, wie die Todesfallanzeige ausweist.
Bei der Einweihung der Stolpersteine für die Familie Mendel wurde die wirtschaftliche Bedeutung Max Mendels für Hamburg mit der Albert Ballins verglichen. An Ballin erinnert der Ballindamm an der Alster, an Max Mendel die Mendelstraße in Lohbrügge.
Text: Hildegard Thevs, Text: entnommen www.stolpersteine-hamburg.de