Paul-Ehrlich-Straße
Othmarschen (1971): Prof. Dr. Paul Ehrlich (14.3.1854 Strehlen – 20.8.1915 Bad Homburg), Serologe, Nobelpreisträger für Medizin.
Eine Paul-Ehrlich-Straße gab es bereits vor 1933 in Harburg-Wilhelmsburg. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde sie 1933 wegen Ehrlichs jüdischer Herkunft umbenannt in Gneisenaustraße. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus kam es zu keiner Rückbenennung. Es erfolgte 1949 lediglich die Umbenennung der Harburger Gneisenaustraße in Heinrich-Gross-Straße, weil es bereits in Eimsbüttel eine Gneisenaustraße gibt.
Erst 1971 wurde wieder eine Verkehrsfläche nach Paul Ehrlich benannt. Dieses Mal im Hamburger Stadtteil Othmarschen. (Registratur Staatsarchiv Az. 1520-3/0. Antwort auf Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prosch (CDU), Straßen mit Namen jüdischer Bürger, Bürgerschaftsdrucksache 11/2389 vom 7.5.1984.)
Paul Ehrlich entdeckte das erste Antibiotikum. „Durch seine Färbemethoden unterschied er verschiedene Arten von Blutzellen, wodurch die Diagnose zahlreicher Blutkrankheiten ermöglicht wurde. Mit seiner Entwicklung einer medikamentösen Behandlung der Syphilis gehört er zu den Mitbegründern der modernen Chemotherapie. Außerdem war er entscheidend an der Entwicklung des Heilserums gegen Diphtherie beteiligt, die häufig allein Emil von Behring [siehe: Behringstraße] zugeschrieben wird. Als Direktor des Instituts für experimentelle Therapie arbeitete Ehrlich bis 1897 die Methoden für die Standardisierung (‚Wertbemessung‘ bzw. Wertbestimmung) von Sera aus.
1908 erhielt er zusammen mit Ilja Metschnikow für seine auf dem Gebiet der Serumsforschung entwickelten Beiträge zur Immunologie den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin,“ 1) heißt es in Wikipedia.
Paul Ehrlich war der Sohn von Rosa Ehrlich, geborene Weigert und des Likörfabrikanten und Lotterie-Einnehmers Ismar Ehrlich. Zwischen 1872 und 1878 studierte Ehrlich Medizin und promovierte 1878.
„Nach dem Studium arbeitete er als Assistent und Oberarzt (…) an der Charité in Berlin. (…) 1882 wurde ihm der Titel ‚Professor‘ verliehen.
Am 14. August 1883 heiratete Ehrlich in der Synagoge von Neustadt in Oberschlesien Hedwig Pinkus [30.6.1864 Neustadt – 21.12.1948 New York].“ 2)
Hedwig Pinkus war die Tochter von Auguste Pinkus, geborene Fränkel und Joseph Pinkus, Königlich Geheimkommerzienrat und Leinenfabrikant, Teilhaber des Textilunternehmens „S., Fränkel“. Kennengelernt hatten sich Hedwig Pinkus und Paul Ehrlich in Berlin bei einer Tante von Hedwig Pinkus.
„Seine Frau behandelte er in einem für die damalige Zeit ungewöhnlichen Maße als gleichberechtigte Lebenspartnerin. (Später setzte er sich auch in seinem Institut für eine Lohnerhöhung für die weiblichen Angestellten ein, die er im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen als zu niedrig entlohnt empfand.) 1884 kam die Tochter Stefanie, 1886 die zweite Tochter Marianne zur Welt. Die Mitgift aus der Ehe enthob Ehrlich aller finanziellen Schwierigkeiten, sodass er auch Perioden der Arbeitslosigkeit überbrücken konnte. (…).“ 3) heißt es in Wikipedia.
Als Ehrlich an TBC erkrankte, sich mit Vorgesetzten nicht verstand, geriet er 1889 in eine berufliche Krise. Doch schon 1890: „wurde er zum außerplanmäßigen Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universität ernannt. 1891 holte ihn Robert Koch [siehe: Robert-Koch-Straße] an sein Berliner Institut für Infektionskrankheiten, wo Ehrlich von 1892 bis 1896 als Nachfolger von Emil Behring besonders an immunologischen Fragen arbeitete. Für das neue Arbeitsfeld wurde 1896 das Institut für Serumforschung und Serumprüfung in Steglitz bei Berlin gegründet, dessen Direktor Ehrlich wurde. Im selben Jahr wurde Ehrlich auch zum Geheimen Medizinalrat ernannt.
1899 wurde sein Institut nach Frankfurt am Main verlegt und in (Königliches) Institut für experimentelle Therapie umbenannt. Ehrlich zog mit dem Institut ebenfalls nach Frankfurt um. (…).“ 4) Auch seine Ehefrau und die Töchter zogen mit und die Familie bezog eine Villa in der Westendstraße 62. Die finanziellen Mittel dazu kamen von Hedwig Ehrlichs Vater.
Hedwig Ehrlich nahm aktiv Anteil an Paul Ehrlichs wissenschaftlichem Weiterkommen.
„Im Jahr 1904 erhielt Ehrlich eine ordentliche Honorarprofessur in Göttingen. Im selben Jahr wurde er in die National Academy of Sciences der Vereinigten Staaten gewählt. 1906 ermöglichte eine großzügige Spende von Franziska Speyer [22.3.1844 Berlin – 6.11.1909 Frankfurt a. M.] den Bau des ‚Georg-Speyer-Hauses für Chemotherapie‘ in Frankfurt, das angegliedert an das Institut für Serumforschung und -prüfung dieses erweiterte und dessen Direktor Ehrlich in Personalunion wurde.“ 5)
Die Bankierstochter und Bankiersgattin Franziska Speyer, geborene Gumbert und Mutter eines Kindes mit Behinderung führte nach dem Tod ihres Mannes Georg Speyer, der 1902 verstarb, „dessen philanthropische Werke fort. Sie finanzierte 1903/1904 die Errichtung des Vereinshauses der Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen an der Mainzer Landstraße und stiftete 1904 eine Million Mark für den Neubau des Georg-Speyer-Hauses in Sachsenhausen (…) 1907 gründete sie die Georg-Speyer-Stiftung zur Förderung der Wissenschaft und des höheren wissenschaftlichen Unterrichts mit einem Kapital von 100.000 Mark. Franziska Speyer starb 1909 und wurde, wie ihr Mann auf dem Jüdischen Friedhof Rat-Beil-Straße bestattet.
Gemäß einer testamentarischen Verfügung der Eheleute Speyer wurde ein großer Teil des Nachlasses für wohltätige Zwecke verwendet. Das Kapital der 1901 gegründeten und mit einem Kapital von einer Million Mark ausgestatteten Georg und Franziska Speyer’schen Studienstiftung sowie des Georg-Speyer-Hauses wurden um jeweils eine Million Mark aufgestockt, (…) Testamentarische Spenden gingen an wohltätige Vereine, Krankenhäuser, Forschungseinrichtungen sowie an die Israelitische Gemeinde.
Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurden die meisten Speyerschen Stiftungen als jüdische Einrichtungen aufgelöst oder anderen Stiftungen zugeschlagen. Lediglich das Georg-Speyer-Haus konnte unter dem Namen Forschungsinstitut für Chemotherapie weiterbestehen. 1949 wurde die Georg und Franziska Speyer’sche Hochschulstiftung wiedergegründet. (…),“ 6) ist im Wikipedia Eintrag zu Franziska Speyer nachzulesen.
Zurück zu Paul Ehrlich: „1907 ging [er] eine Kooperation mit den Farbwerken Hoechst ein, mit der vertraglichen Regelung, dass alle Entdeckungen des staatlichen Instituts den Farbwerken überlassen werde, welche 30 Prozent aller Gewinne an die Forscher des Instituts zu entrichten haben. 1908 wurden seine und Metschnikows ‚Arbeiten über Immunität‘ mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.“ 7)
Paul Ehrlich entwickelte 1909 mit Hata Sahachiro das Medikament „Salvarsan“ gegen Syphilis, was als erstes Antibiotikum gilt. 1914 wurde er zum ordentlichen Professor für Pharmakologie die die Frankfurter Universität berufen, obwohl das Abhalten von Vorlesungen nicht gerade zu seiner Liebensbeschäftigungen zählte.
„Im Ersten Weltkrieg unterzeichnete Ehrlich im Oktober 1914 den propagandistischen Aufruf ‚An die Kulturwelt‘, der in der internationalen Wissenschaftswelt Entsetzen auslöste. Später distanzierte er sich davon.“8)
Nach Ehrlichs Tod im Jahr 1915 im Alter von 61 Jahren blieb Hedwig Ehrlich im Haus im Westend wohnen. In der für die Stadt Frankfurt am Main verfassten Stolpersteinbiografie für Hedwig Ehrlich heißt es: „Ende 1938 sah sie sich jedoch gezwungen, aus Deutschland zu fliehen. Im Februar 1939 erhielt sie eine Einreisegenehmigung für die Schweiz. Mit ihrer Tochter Stefanie Schwerin, geb. Ehrlich, ihrem Schwiegersohn Ernst (1869–1946) und dem älteren ihrer beiden Enkelsöhne, Hans Wolfgang (1906–1987) traf sie in Genf zusammen, wo sie im Hotel La Résidence wohnte.
Die Nationalsozialisten zwangen Hedwig Ehrlich zu hohen Ausgaben, etwa eine Judenvermögensabgabe in Höhe von 93.313,75 RM und eine Reichsfluchtsteuer in Höhe von 53.969,68 RM. Im September 1939 wurde das Haus in der Westendstraße 62 verkauft. (…).
Im Schweizer Exil bemühte Hedwig sich um ein Visum für die USA. Zeitgleich wurde Paul Ehrlichs Leben und Werk von William Dieterle im US-Spielfilm Dr. Ehrlich’s Magic Bullet (‚Paul Ehrlich – Ein Leben für die Forschung‘) verfilmt. (…). Der Warner Bros. Film startete am 2. März 1940 in den US-amerikanischen Kinos. (…)
Erst im Juli 1941 konnte Hedwig Ehrlich mit einem Visum für die USA über Frankreich und Spanien nach Portugal reisen, um von Lissabon aus auf der Nyassa am 24. Juli ihre Schiffsreise anzutreten. Am 9. August lief der Dampfer auf dem East River im Hafen von New York City ein (…). In den USA lebte sie zunächst im Bryn Mawr College, Pennsylvania, wo während der Zeit des Nationalsozialismus geflohene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Europa Zuflucht fanden.
Gegen Ende ihres Lebens zog Hedwig nach White Plains, N.Y. (…). Am 21. Dezember 1948 verstarb Hedwig (…) an den Folgen eines Schlaganfalls. (…).“9)
Ein Stolperstein vor dem Haus in der Westendstraße 62 in Frankfurt am Main erinnert an Hedwig Ehrlich.