Behringstraße
Ottensen (1950): Prof. Dr. Emil von Behring (15.3.1854 Hansdorf/Kreis Rosenberg/Westpreußen – 31.3.1917 Marburg), Arzt, Forscher, Nobelpreisträger, entdeckte das Diphterie- und Tetanus- Antioxin, gilt als „Retter der Kinder“, da im 19. Jahrhundert noch jedes zweite Kind an Diphterie starb.
Siehe auch: Allerskehre
Siehe auch: Klaus-Groth-Straße
Siehe auch: Paul-Ehrlich-Straße
Vor 1950 hieß die Straße Roonstraße. In der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Etschstraße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es aber nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1950 bei Roonstraße (vgl.: Othmarschen 1317-2017. Chronik zum Jubiläum. hrsg. Archiv Flottbek-Othmarschen des Bürgervereins e. V. Hamburg 2017, S. 234; Falk-Plan von 1946 und freundlicher Hinweis von Joachim Rühmeier.)
„Im Gegensatz zu seiner Frau wuchs Emil von Behring in einfachen Verhältnissen in einer Großfamilie mit zwölf Kindern auf. Nur mit einem Stipendium konnte er das Gymnasium besuchen. Medizin studierte er, indem er sich verpflichtete, jedes Semester mit einem Jahr als Militärarzt abzugelten. Bereits im Alter von 24 Jahren wurde er Doktor der Medizin. Beim Militär stieß er auf sein Lebensthema, die Seuchenhygiene.
Nach seinen Jahren in Berlin wurde er 1895 Professor für Hygiene in Marburg, wo er sich erst richtig entfaltete. Nur sechs Jahre später erhielt Behring den Nobelpreis für Medizin, den ersten überhaupt, und wurde in den Adelsstand erhoben. Das Preisgeld von 150.800 schwedischen Kronen (das entspricht heute fast einer Million Euro) nutzte er dazu, die Marburger Behringwerke aufzubauen, deren Nachfolger – darunter CSL-Behring und GlaxoSmithKline – die bis heute größten Unternehmen der Stadt sind,“ 1) schreibt Gesa Cordes.
1896 heiratete Behring im Alter von 42 Jahren und zu einem Zeitpunkt, als er sich endlich finanziell in der Lage sah, eine Familie zu ernähren, die zwanzigjährige Else Spinola (30.8.1876–13.8.1936), Tochter des Verwaltungsdirektors der Charité, Werner Bernhard Ferdinand Spinola und seiner Frau Elise Charlotte, geb. Bendix, die jüdischer Herkunft war.
Vor seiner Heirat war Behring einige Jahre von seiner jüngsten Schwester Emma umsorgt worden, die ihm den Haushalt geführt hatte.
Die Hochzeit fand schon nach zweimonatigem Kennenlernen statt. Es soll sich um eine arrangierte Ehe gehandelt haben, um Behring Zugang zu den gesellschaftlich „höheren“ Kreisen zu ebnen. Das Paar bekam sechs Söhne, geboren: 1898, 1900, 1903, 1905, 1906 und 1913.
Seine nur wenige Jahre ältere Schwiegermutter nannte Behring „zärtlich ‚Mama‘ und unterschrieb seine Briefe mit ‚Emilchen‘“. 3)
Behring litt wegen Überarbeitung unter Depressionen und befand sich z. B. drei Jahre lang (1907-1910) in einem Sanatorium. Zur Erholung fuhr er u. a. in seine Villa auf Capri, wohin er auch seine Hochzeitsreise mit seiner Frau unternommen und wo er sich während der Flitterwochen mit seinen Forschungen beschäftigt hatte. Dort begegneten ihm auch der Maler Christian Wilhelm Allers (siehe: Allerskehre) und der Schriftsteller Klaus Groth (siehe: Klaus-Groth-Straße).
Nach dem Tod von Emil von Behring kümmerte sich seine Witwe um seinen Nachlass.
In einer Publikation des Referates für die Gleichberechtigung von Frau und Mann des Magistrates der Stadt Marburg aus dem Jahre 2013 wird auch Else Behring eine Kurzbiographie gewidmet. Diese soll hier ausführlich zitiert werden: „Im Jahr 2001 feierte die Stadt Marburg eine der berühmtesten Persönlichkeiten ihrer Geschichte: Emil von Behring, Wirklicher Geheimer Rat und Ehrenbürger der Stadt. (…) Zahlreiche ausführliche Biographien widmen sich Behrings Gestalt und Werk. Else von Behring allerdings, seine Ehefrau, wird in diesen Bänden höchstens mit ein oder zwei Sätzen erwähnt (…). Dabei war sie keineswegs nur Hausfrau und Mutter von sechs Söhnen, darauf bedacht, dass ihr Mann im Wohnhaus in der Roserstraße die Stille und das häusliche Glück (fand), dass er nach verzehrender Arbeit brauchte. Engagiert und tatkräftig widmete sie sich sozialen Aufgaben, bis ihr nach 1933 wegen ihrer jüdischen Abstammung ihre Ämter entzogen wurden. (…) Mit 20 Jahren heiratete Else Spinola den damals schon bekannten Arzt Emil Behring, zog mit ihm nach Marburg und verbrachte hier den Rest ihres Lebens. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, hatte sie bereits sechs Söhne geboren. Zwei von ihnen zogen an die Front, und die Mutter widmete sich ihren vaterländischen Pflichten an der Heimatfront: Else versorgte als Mitglied des Vaterländischen Frauenvereins die Soldaten, die mit den Militär- und Verwundetentransporten auf dem Marburger Bahnhof eintrafen. Zu ihrer Zeit war eine große Anzahl von Frauen in konfessionellen und vaterländischen Vereinen organisiert. Die Arbeit, die sie leisteten, war vielschichtig und keineswegs nur karitativ. Einige Verbände setzten sich auch für das Frauenstudium oder Stimmrecht für Frauen ein. Insgesamt stärkten diese Aktivitäten das Bewusstsein der Frauen, sie sahen, dass ihre Arbeit und ihre Meinung wichtig waren. In Marburg schlossen sich am 21. Mai 1919 neun solcher Verbände zum Stadtverband Marburger Frauenvereine zusammen und baten in ihrer ersten Mitteilung an den Magistrat darum, künftig bei Frauenangelegenheiten im Stadtrat befragt zu werden. Else v. Behring ist eine der Unterzeichnerinnen. Die Mitglieder des Vaterländischen Frauenvereins wählten Else 1920 zu ihrer Vorsitzenden, und bis 1933 blieb sie in diesem Amt. (…) Besonders zu Inflationszeiten schien sie vielfältige Hilfsaktionen auf die Beine gestellt zu haben, genannt werden Speisungen, Kleiderspenden, Heizungsbeschaffung, Wöchnerinnenernährung und Winterhilfe. Ihre auffälligsten Leistungen waren allerdings der Erwerb der Deutschhausklinik für den Vaterländischen Frauenverein und der Kauf eines Mutterhauses für die Schwesternschaft des Roten Kreuzes in Marburg. Der Frauenverein hatte die Schwesternschaft 1919 mit zehn Schwestern gegründet. Unter der Verwaltung Else von Behrings vergrößerte sie sich ständig, 1933 zählte sie mit 180 Schwestern zu einer der größten Preußens. Else von Behring hat aufgrund der jüdischen Abstammung ihrer Mutter unter den Verhältnissen nach 1933 besonders gelitten, wie ihr Sohn Hans schreibt. Sie musste 1933 auf Betreiben des Bezirks-Ärzteführers Dr. Herrmann vom Vorsitz im Frauenverein zurücktreten. Aufgrund der Gesetze zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums und gegen die Überfüllung deutscher Hochschulen erhielten ihre Söhne Kurt und Hans Berufsverbot, ihr jüngstes Kind Otto wurde in Marburg exmatrikuliert. Für die Familie Behring war diese Situation bedrückend, gleichzeitig musste sie ihr unverständlich und ungerecht vorgekommen sein; bisher hatte sie sich den Idealen des Vaterlandes sehr verpflichtet gefühlt. Im Hause Behring wurde immer eine betont nationale Gesinnung gepflegt, schreibt ein Freund der Familie. Im Februar 1935 wendete sich Else mit einem Brief direkt an Adolf Hitler, und bat darum, für ihre Söhne eine Ausnahmeregelung zu finden. Der Schritt schien außergewöhnlich, lag aber durchaus nahe; viele Deutsche waren der Überzeugung, dass Hitler wohl keine Ahnung habe, was im Land vor sich gehe, und dass er für Gerechtigkeit sorgen werde, sobald er davon erfahre. Else beschreibt die seelische Notlage einer Familie, sie erinnert daran, dass ihr 1917 verstorbener Mann Emil von Behring dem Volke im Frieden wie im Kriege große Dienste geleistet habe, dass zwei ihrer Söhne an der Front waren und einer im Dienste des Vaterlandes fiel. Zusätzlich setzten sich Freunde der Familie für sie ein, so dass Else am 11. Juli 1935 tatsächlich die positive Antwort des Preußischen Innenministeriums in den Händen hielt; eine Erklärung, dass ihren Kindern auf Grund ihrer nichtarischen Abstammung keinerlei Nachteile erwachsen sollen. Otto nahm mit dieser Sondergenehmigung sein Medizinstudium wieder auf, und Fritz findet Arbeit bei den I.G. Farbwerken. Hat das Eingreifen Hitlers Wunder gewirkt? Sicherlich nicht. Der ideologische Druck auf die Familie ging bereits von der Gesellschaft aus, ein Schreiben des Führers kann sich nicht auf das tägliche Leben auswirken. Ein Hinweis darauf ist der Selbstmord Kurts; er erschoss sich im Dezember 1935, als die Entscheidung Hitlers bereits bekannt war. Else von Behring selber starb am 14. August 1936 an einem Herzinfarkt, im Alter von nur 59 Jahren. Sie wurde im Behring-Mausoleum in der Wannkopfstraße in Marburg bestattet. Ihre Exzellenz, die Frau Wirklicher Geheimer Rat war gewiss keine Querdenkerin. In ihrem Brief an Hitler setzte sie sich für ihre Familie ein. Dennoch war sie eine Frau mit eigenem Willen und viel Tatkraft. Konservativ, national und christlich gesinnt begründete sie ihr soziales Engagement sowohl mit der Idee der christlichen Nächstenliebe, als auch mit dem Pflichtgefühl dem Vaterland gegenüber. Selbst wenn wir dieses Pflichtbewusstsein heute so nicht mehr nachvollziehen können, das soziale Wirken der liebsten, besten, allerbesten Ehefrau Emil von Behrings bleibt beachtenswert. (Anne Rasch, Studentin der Neueren Geschichte).“ 4)